Es war wieder so ein Tag, der mich mit gemischten Gefühlen vorausschauen ließ. Ich war noch nie in Rumänien, aber hatte natürlich schon viele Schauergeschichten gehört. Alles Zigeuner. Man muss seine Wertsachen immer im Auge behalten. Sie schlitzen einem die Taschen auf, um da ran zu kommen und so weiter und sofort. Natürlich sind wir aufgeklärte Menschen und lehnen solche Vorurteile ab. Dennoch schleppen wir sie mit uns rum. Reden wollen wir allerdings nicht darüber. Deshalb gibt es ja auch in unserer Gesellschaft so viele Tabuthemen, weil wir als aufgeklärte Menschen gewisse Themen eben nicht mehr diskutieren wollen. Aber deshalb haben wir nun auch den Rechtspopulismus, weil es zunehmend nicht so aufgeklärte Menschen gibt, die über diese Tabuthemen doch reden wollen. Aber das nur nebenbei. Es ist ein anderes Thema als meine Fahrradtour.

Nach einem ordentlichen Frühstück fuhr ich dann gegen 8:30 Uhr los und seltsamerweise hatten sich innerhalb von etwa anderthalb Stunden alle meine Vorurteile gegen Rumänien, die ich natürlich eigentlich gar nicht habe, in Luft aufgelöst. So waren die Straßen in Rumänien sehr ordentlich und man sieht durchaus, dass die Entwicklung dort schon etwas fortgeschrittener ist als in Bulgarien. Zu meinem großen Erstaunen fand ich dann auch direkt im ersten Dorf hinter der Grenze, in Ostrov, einen Geldautomaten, der mir bereitwillig Geld ausspuckte. Natürlich sieht man noch viel Entwicklungsfähigkeit. Aber die Menschen machen keinen gedrückten Eindruck. Sie gehen sehr offen auf einen zu. Manchmal für einen selbst etwas zu offen, weil die Kinder einen grundsätzlich ansprechen und die Hand aufhalten. Es gibt hier mehr Farbe an den Häusern, die Gärten sind zum Teil liebevoll gepflegt und die Autos die gefahren werden, sehen auch schon etwas neuer aus als in den Nachbarländern.

Natürlich ist auch Rumänien hier durch Landwirtschaft geprägt. Auffallend sind die großen Weinbauflächen und dass, verglichen mit Bulgarien, die meisten Flächen schon bewirtschaftet sind. Das, was mir ins Auge sticht, sind erst einmal die Rapsfelder, die in voller Blüte stehen, die Getreidefelder und die Weinbauflächen sowie die  Obstplantagen. Auch Schaf- und Ziegenherden sieht man vermehrt und überall grasen Pferde am Straßenrand, manchmal auch eine Kuh.

So fahre ich denn dahin und räsoniere über meine ersten Eindrücke. Ich hatte mir einiges vorgenommen. Die Tour heute würde etwa 100 Kilometer betragen und ich würde auf fast 1000 Höhenmeter kommen. Aber ich wollte bis nach Cernavoda, eine Kleinstadt, aber groß genug, dass man dort drei Hotels zur Auswahl hat. Ich hatte zwar nicht gebucht, weil ich nicht sicher war, ob ich die Strecke tatsächlich schaffe, aber ich hatte das Hotel Hollywood bereits ins Auge gefasst, schon weil es auf seiner Webseite die Preise veröffentlicht hatte. Normalerweise wird immer Ion Corvin als Anlaufpunkt angegeben. Hier soll es eine Pension geben und hier trennt sich der Donauradweg einmal in Richtung Tulcea, wo ja auch ich hinmöchte und einmal in Richtung Constanta, was mich im Moment nicht sonderlich reizt und auch nicht an der Donau liegt. Ion Corvin ist aber ein kleines und ziemlich heruntergekommenes Dorf, in dem sich ein Aufenthalt wirklich nicht lohnt. Aber nach Cernavoda sind es dann auch noch mal 45 Kilometer zusätzlich.

Die Strecke ist nicht nur wegen der Länge, sondern auch wegen den Steigungen recht anspruchsvoll. Etwa 5- bis 6-mal muss ich 100 bis 200 Meter hoch hinauf. Von hier bieten sich natürlich auch phantastische Blicke in die Landschaft und auf die Donau, aber die Steigungen kosten natürlich auch Kraft. Inzwischen bin ich mit meiner Kondition aber doch ganz zufrieden. Ich fahre meine Art ohne mich von der Geschwindigkeit her zu verausgaben und das funktioniert dann recht gut. Bis zu 8 Prozent schaffe ich mit Gepäck ohne zu schieben und noch größere Steigungen sind hier Gott sei Dank nicht.

Nach fast 8 ½ Stunden reiner Fahrtzeit komme ich so gegen 18:30 Uhr in Cernavoda an. Cernavoda, das übrigens übersetzt Schwarzwasser heißt, hat zwei Highlights. Zum einen beginnt hier der Donau-Schwarzmeer-Kanal, mit dessen Bau 1949 begonnen wurde, der aber erst 1984 fertiggestellt wurde und nun den Weg zwischen der Donau und dem Schwarzen Meer um etwa 370 Kilometer verkürzt. Das zweite Highlight ist eine erste Eisenbahnbrücke über die Donau, die in den Jahren 1890 bis 1895 errichtet wurde und die mit mehr als vier Kilometern seinerzeit die längste Brücke Europas war. Mal sehen, ob es mir morgen noch gelingt, ein paar Bilder von der Brücke einzufangen.

In dem von mir ins Auge gefassten Hotel finde ich einen Schlafplatz. Leider ist das Restaurant wahrscheinlich wegen des Mangels an Besuchern zurzeit nicht geöffnet. So muss ich mir mein Abendessen aber auch mein Frühstück morgen woanders besorgen. Ansonsten ist das Zimmer in Ordnung. Mein Abendessen nehme ich in einer Gaststätte ein, die ich im Ort finde und auch das Essen dort ist ordentlich. Deutlich wird aber, dass Rumänien doch schon etwas hochpreisiger ist als Serbien und Bulgarien. Dennoch bleibt es natürlich deutlich unter unserem Preisniveau

Tagesdaten: 103,27 km; 8:18:13 Std. Fz; 12,43 km/h; 939 Hm

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