Nachdem ich zunächst heute Morgen meine Fahrradkette gereinigt und mit neuem Öl wieder geschmeidiger gemacht habe, führt mich meine heutige Etappe an der Weichsel entlang. Da sie zwischen Grudziadz und Bydgoszcz genau nach Südwesten fließt, bevor sie sich dort wieder nach Südosten wendet, liegt dieses Teilstück auch genau auf meinem Weg. Seit einigen Jahren wird an der Weichsel auch ein Radweg erschlossen und ich bin gespannt wie weit man damit ist. Die Weichsel und einige andere polnische Radwege stehen nämlich noch sehr oben auf meiner Agenda.

Insgesamt muss man sagen, dass der Weichselradweg hier auf dieser Etappe schon ganz ordentlich ist. Leider sieht man die Weichsel nur recht selten. Wie an vielen Flussradwegen auch in Deutschland verläuft der Radweg hinter dem Deich, was die Sicht auf den Fluss verhindert. So geht die Fahrt durch die flachen Weichselauen, die intensiv landwirtschaftlich genutzt werden und man hat auch einen weiten Blick, außer auf den Fluss. Ich radle heute durch das sogenannte Kulmerland, dessen namengebende Stadt heute Chelmno heißt. Es ist eine Kleinstadt von etwa 20 Tsd. Einwohnern. Das Kulmerland liegt in dem Dreieck, dass die Weichsel hier zwischen Grudziadz, Bidgoszcz und Torun (Thorn) bildet und reicht noch etwas östlich über dieses Gebiet hinaus. Diese Landschaft hat eine sehr wechselvolle Geschichte, insbesondere was die staatliche Zugehörigkeit betrifft. So gehörte es mal zum Königreich Polen, zum Deutschordensstaat, zu Preußen Königlichen Anteils (wusste vorher auch nicht, dass es so etwas auch mal gab) und schließlich auch zu Preußen und dann auch zum Deutschen Reich, nachdem es sich Friedrich II. bei der ersten Polnischen Teilung 1772 für Preußen einverleibt hatte. Ab 1920 gehörte es in Folge der Bestimmungen des Versailler Vertrages wieder zu Polen, weil es Teil des Korridors war, durch den Polen der Zugang an die Ostsee ermöglicht wurde. Natürlich wurde es nach der Besetzung Polens 1939 wieder dem Deutschen Reich zugeordnet, gehört aber seit 1945 endgültig zur Volksrepublik Polen und der heutigen Dritten Polnischen Republik. Eine höchst wechselvolle Geschichte, die sicher auch höchst wechselvolle Schicksale und Schicksalsschläge verursachte.

An Chelmno fahre ich nur vorbei, bestaune aber das doch markante Panorama. Bei Chelmno führt mich auch eine Brücke über die Weichsel und damit aus dem Kulmerland raus, weil das linke Weichselufer nicht mehr dazu gehört. Die weitere Fahrt nach Bidgoszcz hätte dann problemlos verlaufen können, wenn ich mich nur an den Schildern des Weichselradweges orientiert hätte. So hörte ich viel zu früh wieder auf mein Navi und Komoot hatte nichts besseres zu tun als mich wieder einmal für acht Kilometer auf eine Sandpiste zu lotsen. So verlor ich viel Zeit. Auch der Gegenwind aus dem Südwesten, der mir warm aber auch bremsend entgegen blies, sorgte dafür, dass ich erst gegen 17:30 Uhr mein Hotel Brda in Bidgoszcz erreichte. Ich fühlte mich auch nicht mehr sonderlich motiviert, an diesem Abend noch auf Stadterkundung zu gehen. So bleibt Bidgoszcz etwas abstrakt in Erinnerung, aber nach meiner bisherigen Tour könnte ich mir durchaus noch mehr Reisen in und nach Polen vorstellen. Bidgoszcz hat über 300 Tsd. Einwohner und ist die achtgrößte Stadt Polens. Was mir auffällt ist auch hier die rege Bautätigkeit. Die alten Plattenbauten sind vielfach saniert und modernisiert. Aber es entstehen auch ganz neue Viertel. Auffallend hier, dass man immer auch an Radwege denkt. Sie sind zwar nicht durchgehend vorhanden, aber wenn Straßen neu geplant und gebaut werden, sind immer auch Radwege dabei.

Das Hotel ist ein altes Hochhaus aus den 70er Jahren. Mein Zimmer liegt im 10. also obersten Stock, so dass ich zumindest einen guten Blick auf die Stadt habe. Ich denke aber doch, dass man die Stadt sich noch einmal näher betrachten sollte. Für mich wird sie schon wegen ihrer ausgewiesenen Jugendstilarchitektur von Interesse sein. Früher soll die Stadt übrigens „kleines Berlin“ genannt worden sein.

Tagesdaten: 86,74 Km; 07:23:23 Std. Fz.; 11,73 Km/h; 297 Hm

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