Nach dem Frühstück geht es nun weiter und ich verlasse diese mich doch emotional sehr belastende und berührende Stadt. Es ist immerhin die Stadt, in der der größte Genozid der Menschheitsgeschichte stattgefunden hat. Auch heute Nacht im Traum hat mich das sehr beschäftigt. So bin ich heute morgen auch nicht sonderlich gut ausgeschlafen. Ich fahre zunächst auf einem sehr gut ausgebauten Radweg entlang der Sola. Kurz vor ihrer Mündung in die Weichsel bieget der Radweg zu einer Landstraße ab, die zur Brücke über die Weichsel führt. Von hier geht es dann die restlichen 80 Km meiner heutige Etappe bis Krakau immer mehr oder weniger nah entlang der Weichsel. Das Wetter hat etwas gewechselt. Die Hochsommertage scheinen nun doch ein Ende zu finden. Die Nacht hatte es augenscheinlich geregnet. Morgens ist es zunächst wolkig und teilweise fast bedeckt. Im weiteren Verlauf des Tages klart es dann aber wieder auf. Zwar werden die Temperaturen nicht mehr ganz so heiß, aber sie bleiben dennoch immer noch deutlich über 20 Grad.

Der Weichselradweg ist gut ausgebaut und so komme ich meist zügig voran. Auch Steigungen gibt es kaum. Der Weg führt entlang von Dörfern. Auf der ganzen Strecke keine einzige Stadt. In der Ferne sieht man gelegentlich Industriekomplexe oder Kraftwerke. Nur diese verraten, dass man hier am südlichen Rand des Oberschlesischen Industriegebiets entlang fährt. Trotz der Nähe zur Industrie begleiten mich auf dem ganzen Weg entlang der Weichsel Wiesen und Felder. Erstaunt bin ich wie kleinteilig manche Anbauflächen hier sind. Kein Vergleich mit den ostdeutschen und anderen osteuropäischen Ländern, deren Kollektivierungsfolgen man  heute noch an der Größe der Felder ablesen kann. Dies ist wohl darauf zurückzuführen, dass es dem polnischen KP-Chef Wladyslaw Gomulka Mitte der 1950er Jahre gelungen war, dem Sowjetführer Nikita Chruschtschow einige Zugeständnisse abzuringen und drei Besonderheiten des polnischen Regimes zuzulassen: eine unabhängige katholische Kirche, ein freies Bauerntum und eine Art von politischem Scheinpluralismus. Die Bauern mussten nicht mehr den Kollektivgenossenschaften beitreten, bestehende Genossenschaften wurden oft aufgelöst.  So ist es nicht verwunderlich, dass es neben durchaus auch sich weiter entwickelnden Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften nach wie vor kleine Bauerhöfe gab, die sich bis heute erhalten haben.

Ansonsten gab es auf dem Weg wenig spannendes zu sehen. Die Weichsel hatte sich hier ein tiefes Bett in den Bode gegraben, so dass man sie auch, wenn man nahe an ihr entlangfuhr, kaum zu sehen bekam. Unterwegs traf ich übrigens ein polnisches Paar, die auch mit dem Fahrrad den Weichselradweg bis nach Danzig fahren wollten. Sie hatten aber nur 14 Tage im Gegensatz zu meinen vier Wochen eingeplant. So verloren wir uns dann auch bald wieder aus den Augen. Kurz vor Krakau mache ich noch einmal Pause in einer Benediktinerabtei in Tyniec. Letzteres ist heute ein Stadtteil von Krakau. Die Abtei liegt malerisch auf einem Felsen über der Weichsel. Von hier oben hat man einen sehr schönen Blick entlang der Weichsel, leider aber nicht bis Krakau. Ich leiste mir einen Cappuccino und ein Cookie in dem Café der Abtei und genieße den Blick auf die Weichsel.

Dann geht es nach Krakau hinein, wo ich wieder von pulsierendem Leben erfasst werde. Ich habe hier ein Apartment für drei Nächte gemietet. Was mein Fahrrad betrifft hatte mir der Vermieter zunächst mitgeteilt, dass ich dieses nur auf einem öffentlichen Parkplatz abstellen könne. Offensichtlich dachte er ich reise mit einem Motorrad an. Nachdem dies geklärt war, bot er mir ein anderes Apartment mit einem Innenhof an. Für die Einweisung schickte er mir eine seiner Freundinnen, Martha, die mich gegen 15:30 Uhr auf dem Bordstein vor dem Haus sitzend, erwartete. Sie konnte etwa so wenig Englisch wie ich und so kamen wir sprachlich gut miteinander klar. Das Apartment war in der vierten Etage eines Gründerzeithauses. Es liegt direkt am Rande der Altstadt und damit für meine geplanten Besichtigungstouren sehr günstig. Martha erklärte mir alles. Es gibt eine voll eingerichtete Küche, sogar mit Waschmaschine und einen riesigen Wohnraum von sicher 40 Qm. Die Einrichtung war funktional und einfach, das Frühstück sollte mir morgens um 8 Uhr gebracht werden. Nachdem sich Magda verabschiedet hatte, richtete ich mich erst einmal ein und ging anschließend kurz zur Touristeninformation, wo ich einen Stadtplan und auch eine kurzen Führer durch Krakau erwarb. Danach ging es noch in einen Supermarkt, wo ich die Wichtigsten Dinge für die nächsten drei Tage erwarb: Bier, Rotwein und ein wenig Schokolade. Dann wird erst einmal Wäsche gewaschen. Die Hitze der vergangenen Tage macht es zumindest bei der Wäsche, die ich während des Tages getragen habe, notwendig.

Tagesstrecke: 85,30 Km

 

Abendspaziergang durch Krakow

Gegen Abend mache ich mich auf die Suche nach einem Speiselokal und finde auch schon wenige Meter von meinem Apartment entfernt nach ein paar Schritten in die Altstadt hinein das Domowe Przysmaki, das für seine polnischen Spezialitäten wirbt. Mein Blick auf die Speisekarte bleibt bei den Kartoffelpuffern hängen und so beschließe ich hier einzukehren. Ich entscheide mich für ein lokales Bier, einen sauren weißen Borschtsch mit hart gekochtem Ei, Wurst und Brot sowie ungarische Kartoffelpuffer als Hauptspeise. Es schmeckt vorzüglich und der Preis ist mit 60 Zloty etwa 13 EURO für eine Stadt wie Krakau sicher auch nicht geeignet, sich das Essen zu verkneifen. So gestärkt mache ich mich auf einen Altstadtrundgang. Es handelt sich um eine recht große Altstadt. Man erkennt schon daran, dass Krakau nicht nur die zweitgrößte Stadt in Polen ist, sondern auch lange Zeit die polnische Hauptstadt war. Ich lasse mich heute Abend einfach etwas treiben und lasse daher auch hier einfach die Bilder sprechen. Nach etwa zwei Stunden geht es zurück in mein Quartier und ich plane noch kurz meinen morgigen Tag in Krakau.

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