Wie beschreibt man einen Tag in Auschwitz. Schwierig! Natürlich beginnt der Tag wie gewöhnlich mit dem Frühstück im Hotel. Es ist ein ordentliches Buffet, aber nicht ganz so vielseitig wie in Wisla. Während des Frühstücks lese ich noch einmal bei Wikipedia zu Auschwitz. Das Konzentrationslager Auschwitz bestand von Juni 1940 bis Januar 1945. Es war das erste von Deutschland nach der Okkupation Polens errichtete Konzentrationslager, dass mit der Zeit zum größten von Nazideutschland errichteten Konzentrationslager wurde. Zunächst sollte es nur ein Konzenzrationslager sein wie andere auch, die im Rahmen des nationalsozialistischen Terrorsystems geschaffen wurde. Diese Funktion erfüllte es die ganze Zeit hindurch vor allem im sogenannten Stammlager Auschwitz I (ca. 16 Tsd. Häftlinge auf 16 ha). Das Lager wurde dann aber ab 1942 im 3 Km entfernten Birkenau erweitert und entwickelte sich zum größten Vernichtungslager, indem 100 Tsde. wenn nicht gar über eine Millionen europäische Juden meist in Gaskammern ermordet wurden, um das europäische Judentum zu vernichten (Auschwitz II-Birkenau, 90 Tsd, Häftlinge auf 171 ha). Aber es gab noch ein drittes Lager auf der anderen Seite von Auschwitz, das Lager Auschwitz III-Monowitz. Dieses Lager stand direkt neben den synthetischen Kautschuk und Benzin produzierenden Buna-Werken, die der IG Farben Konzern unter Ausnutzung der Arbeitskraft von Häftlingen dort errichtet hatte. Zu Auschwitz gehörten aber auch noch einige Nebenlager mit insgesamt 21 Tsd. Häftlingen, die zur Arbeit in der Industrie und Landwirtschaft gezwungen wurden. Der gesamte Komplex bildete eine administrative Einheit und unterstand dem Stammlager Auschwitz I.

Was war und ist aber Oswiecim für ein Ort? Bei Wikipedia lese ich dazu ein wenig und stelle fest, dass dieser Ort doch eine sehr wechselvolle Geschichte erlebte. Selbst die beiden Namen Oswiecim und Auschwitz reichen bis ins 14. Jhdt. zurück. Die Stadt am Zusammenfluss von Weichsel und Soła wurde bald zu einem Handelszentrum und war ab 1315/1317 Sitz des Herzogtums Auschwitz. Im Laufe der Jahrhunderte wechselte die politische Zugehörigkeit. Das Herzogtum Auschwitz bildete später den westlichen Teil von Galizien und kam 1327 durch Herzog Johann von Auschwitz in ein Vasallenverhältnis zum Königreich Böhmen. 1348 wurde es dem Heiligen Römischen Reich einverleibt und Deutsch setzte sich als Amtssprache durch. Schon Ende des 13 Jhdt. ließen sich auch Deutsche erstmals in der Stadt und der Umgebung nieder. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurde Tschechisch Amtssprache. Das 15. Jahrhundert war auch sehr unruhig, besonders nach dem Umbruch der Hussitenkriege. Die größte Zerstörung befiel das polnisch-schlesische Grenzgebiet, in dem auch Auschwitz lag, am Ende der Kriege. 1457 kaufte der polnische König Kasimir IV. für 50.000 Silbermark die Ortsrechte von Oswiecim. Der Ort wurde 1564 völlig übernommen und als Kreis Schlesien der Woiwodschaft Krakau, ab 1569 der polnisch-litauischen Adelsrepublik, angegliedert. Polnisch wurde dort Amtssprache, während im restlichen Polen weiterhin Latein als solche galt. Interessant ist auch, dass in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts jüdische Einwohner belegt sind. Deren Ansiedlung verstärkte sich deutlich im späteren 16. Jahrhundert. Es entstanden damals eine erste Synagoge sowie eine jüdische Schule. In den Jahren 1747–1749 lebten in Auschwitz über 2000 Juden. 1655 wurde die Stadt von schwedischen Truppen verwüstet und hatte bis zu den polnischen Teilungen am Ende des 18. Jahrhunderts ihre frühere Bedeutung völlig verloren.

Mit der ersten polnischen Teilung kam Auschwitz 1772 zu Österreich – Deutsch wurde wieder Amtssprache – und lag bald auch an der Grenze zu Preußen und Russland. Die Stadt hieß Auschwitz und war Teil des neuen Königreichs Galizien des habsburgischen Kaiserreichs (ab 1804). Der österreichische Kaiser Franz II. bestätigte 1793 alle bisherigen Privilegien.  Bis 1918 führte der Kaiser von Österreich unter vielen anderen auch den Titel „Herzog von Auschwitz“. Im Jahre 1916 errichtete die Stadt ein Barackenlager für Wanderarbeiter, die Sachsengänger, das ab 1940 als Konzentrationslager und als Stammlager Auschwitz I genutzt wurde. Das ursprüngliche Lager bestand aus 22 gemauerten Ziegelhäusern und 90 Holzbaracken. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden Ort und Landkreis Teil der Zweiten Polnischen Republik. Beim Überfall auf Polen im September und Oktober 1939 wurden Stadt und Landkreis von der Wehrmacht besetzt und dem Deutschen Reich einverleibt. Die Deutschen wollten damit dokumentieren, dass sie Auschwitz als traditionell deutsches Gebiet ansahen. Die Stadt Oswiecim wurde wieder einmal in Auschwitz umbenannt. Diese Annexion stand im Gegensatz zu den meisten eroberten polnischen Gebieten, die als separate Verwaltungseinheit zum Generalgouvernement zusammengefasst wurden.

Vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs lebten etwa 12.000 Menschen in Oświęcim, darunter etwa 7.000 Juden. Die vielfältigen Schikanen unter der deutschen Besetzung führten zu einer Verarmung wesentlicher Teile der Bevölkerung. Besonders die Juden waren betroffen. Ihnen wurden alle Wertgegenstände abgenommen und wirtschaftliche Betätigungen untersagt. Lehrer, Angestellte, Künstler und andere Angehörige der jüdischen Intelligenz wurden entlassen. Alle Männer mussten mehrere Tage pro Woche Zwangsarbeit leisten, zunächst von 7 bis 21 Uhr, später bis 17 Uhr. Ab September 1940 wurden arbeitsfähige Männer zur Zwangsarbeit in andere Landesteile deportiert. Im Frühjahr 1941 begannen systematische Verschleppungen der verbliebenen Juden in Lager im Generalgouvernement. Nachdem diese Sammellager 1942 „aufgelöst“ wurden, wurden die meisten jüdischen Einwohner Oświęcims im Konzentrationslager Auschwitz ermordet. – Soweit ein kurzer Blick auf die Entstehung der Konzentrationslager und die Entwicklung von Oswiecim bzw. Auschwitz

An der Hotelrezeption habe ich gestern schon erfahren, dass man in das Konzentrationslager Ausschwitz I, direkt gegenüber wegen Corona nur mit Anmeldung hineinkommt. Dann bekäme man eine Zeit zugewiesen. Je früher man hingehe um so wahrscheinlicher, dass man auch am gleichen Tag noch einen Termin bekäme. So mache ich mich gegen 10 Uhr hinüber. Es ist bereits ziemlicher Betrieb. Der Parkplatz ist zwar noch nicht voll, aber es wird nicht mehr lange dauern. Auch einige Busse sind schon angekommen. Ich steuere die Auskunft an und werde an einen Anmeldekiosk verwiesen, wo ich auf meine Nachfrage mitgeteilt bekomme, dass ich erst um 16 Uhr in das Lager Auschwitz I könne. Ich könne aber vorher zum Lager Auschwitz II Birkenau mit dem Shuttle-Bus fahren. Dies könne man ohne zeitliche Vorgabe besuchen. Ich bekomme eine Bescheinigung, die mir den Zutritt des Lagers Auschwitz I für 16 Uhr anzeigt. Auf den Shuttle-Bus verzichte ich und gehe stattdessen zum Hotel und hole mein Fahrrad.

Tagestrecke: 10 Km zu Fuß und 17 Km mit dem Fahrrad

Das Vernichtungslager Auschwitz II-Birkenau

Ich fahre die drei Kilometer nach Birkenau (Brzezinka). Wenn man zum Lager kommt wirkt es weitgehend wie eine riesige freie Fläche. Auffallend ist lediglich das Einfahrtstor und die hindurchführenden Bahngleise und die Seitenflügel des Einfahrtstores. Geht man hier hinein, was ganz unproblematisch möglich ist, man wird auch nicht kontrolliert, steht man zunächst auf dieser riesigen Freifläche. Bei genauerer Betrachtung der Fläche erkennt man einige unscheinbare Baracken aus Backstein oder aus Brettern und zahlreiche Backstein-Kamine der früher hier zu Hunderten stehenden Baracken, in denen die Häftlinge hausen mussten. Das Grauen dieses Ortes erlebt man zunächst recht abstrakt. Angesichts des noch immer schönen Wetters strahlt der Ort zunächst auch kein Grauen aus. Dazu ist er auf den ersten Blick viel zu indifferent. Kommt man freilich näher erkennt man schon an den noch erhalten Wachtürmen und auch an dem das Gelände umgebenden mehrere Meter hohen Elektrozaun, schon die abnormale Größe dieses Gefangenenlagers. Einige aufgestellte Tafeln mit zeitgenössischen Fotos und polnischen und englischen Erläuterungen, führen einem dann aber doch immer mehr das Grauen vor Augen.

Ich gehe zunächst entlang der die Schienen begleitenden Straße über das Gelände und es setzt sich zunehmend ein Bild dieses grauenhaften Ortes zusammen. Links und rechts der Straße erkennt man, dass hier hunderte Baracken gestanden haben müssen, in denen Tausende Häftlinge dahin vegetiert haben müssen. Gleich links hinter den Einfahrtstor liegt der Bauabschnitt B I und rechts der Bahngleise der größere Bauabschnitt II. Hier wurde im Herbst 1941 mit dem Bau der ersten 30 gemauerten Baracken begonnen. Dazu wurden Ziegelsteine verwendet, die von den in den umliegenden Dörfern abgerissenen Häusern ausgesiedelter meist jüdischer Polen stammten. Seit Frühjahr 1942 hat man überwiegend Holzbaracken aus nach Birkenau gebrachten vorgefertigten Elementen für deutsche Pferdeställe zum Barackenbau verwendet. Die gemauerten Baracken waren für 700 Personen gedacht, die sich auf 60 dreistöckige Pritschen verteilen mussten. Die so vorhandenen 180 Lagerstätten waren für jeweils vier Personen gedacht, obwohl in der Praxis dort 6-7 Menschen untergebracht wurden. Die Holzbaracken waren für 400 Personen bestimmt. Wären sie ihrer ursprünglichen Funktion als Pferdeställe gedient, wären sie für lediglich 51 Pferde ausgewiesen gewesen. In 18 Buchten befanden sich entweder dreistöckige Betten oder Pritschen, die für 15 Häftlinge bestimmt waren. Die Lagerstätten waren mit Stroh bestreut und die Häftlinge bekamen Decken, die aber meist nicht für alle ausreichten. Alle Baracken hatten zwei mit Ziegeln gemauerte Öfen, die aber wegen der Größe des Raumes und der schwachen Isolierung insbesondere der Holzbaracken diese nicht ausreichend erwärmen konnten. Die meisten Baracken, es sollen etwa 300 gewesen sein, sind inzwischen zerstört bzw. abgetragen worden. Die Grundrisse sind aber noch von einem größeren Teil erkennbar von denen dann auch die primitiven Öfen und die in die Höhe ragenden Schornsteine vorhanden sind. Einige Baracken sind aber auch noch erhalten und der Blick hinein macht deutlich, was für unmenschliche und menschenverachtende Verhältnisse hier geherrscht haben, wenn man sich diese Baracken mit 400 oder 700 oder gar noch mehr Personen belegt vorstellt.

Dieses riesige Barackenlager war noch mehrmals unterteilt. So gab es links das Frauenlager und rechts der Schienen ein Quarantänelager für Männer, ein sogenanntes Familienlager für Juden aus dem Ghetto Theresienstadt, ein Durchgangslager für Jüdinnen aus Ungarn, das Männerlager, das sogenannte Zigeuner-Familienlager, das Häftlingskrankenhaus für Männer und das Durchgangslager-„Mexiko“ für Jüdinnen aus Ungarn. Natürlich fanden auch in diesen Teillagern viele Insassen den Tod durch Krankheiten, Seuchen aber auch durch willkürliche Erschießung oder durch systematischen Mord, indem sie in die Gaskammern getrieben wurden. So etwa im Juli 1944 die noch verbliebenen 7.000 Frauen, Kinder und Männer des Familienlagers der Juden aus dem Ghetto Theresienstadt, oder im August 1944 die 3.000 Sinti und Roma des sogenannten Zigeunerlagers. Auch die anderen Gruppen von Häftlingen waren ständigen Selektionen ausgesetzt. Die Häftlinge, die die Selektion überlebten, mussten vor allem in den ans Lager angrenzenden Industrie- beziehungsweise Rüstungsbetrieben aber auch Landwirtschaftsbetrieben Zwangsarbeit leisten.

Ab 1942 diente Auschwitz Birkenau aber vor allem der Vernichtung der europäischen Juden wie sie auf der sogenannten Wanseekonferenz im Januar 1942 geplant worden war. Die meisten Opfer kamen in Auschwitz-Birkenau mit dem Zug an, oft nach tagelangen Reisen in Viehwaggons. Die ankommenden Gefangenen wurden von einer Entladerampe südlich vom Bahnhof Auschwitz zu Fuß ins Lager getrieben. Im Frühjahr 1944 wurde ein Gleisanschluss direkt bis ins Zentrum des Lagers zur neuen Rampe gelegt. Manchmal wurde der ganze Transport direkt in die Gaskammern geschickt – meistens wurde erst eine Selektion durchgeführt, bei der die „Schwachen, Alten und Kranken“ von den „Arbeitsfähigen“ nach Augenschein getrennt und zur nur einige hundert Meter entfernten Gaskammer geführt und dort ermordet wurden. Zu den Schwachen gehörten auch schwangere Frauen und Kinder. Im damaligen Sprachgebrauch wurde der Begriff Selektion nicht verwendet. Die Tätigkeit wurde als Rampendienst bezeichnet, der Vorgang selbst als Aussortierung. Auf dem Weg zu den Gaskammern mussten sie Ihr Gepäck stehen lassen, sich auskleiden und ihre Wertgegenstände abliefern. Wenn man diesen Weg heute geht, fragt man sich, wie Menschen so etwas anderen Menschen antun konnten und man fragt sich auch, was für Gedanken in den Opfern vorgegangen sind. Waren sie sich ihres Schicksals bewusst oder haben sie sich in ihr Schicksal gefügt, weil sie wussten, dass sie kein Chance in dieser Welt der Grausamkeit hatten.

In Auschwitz Birkenau gab es vier Krematorien. In einem internen Bericht hieß es wohl, dass über 4.000 Menschen auf diese Weise an einem Tag getötet werden konnten. Für die Verbrennung der Leichen gab es ein Sonderkommando aus Häftlingen, die aber noch vorher den Frauen die Haare abschneiden und allen anderen Opfern auch eventuell noch vorhandene Wertgegenstände abnehmen, so auch noch die eventuell vorhandenen Goldzähne entfernen mussten. Danach wurden die Leichen in Krematorien verbrannt und ihre Asche auf einem freien Feld verstreut.  Im Lagerkomplex Auschwitz wurden etwa 1,1 Millionen Menschen ermordet. Der Name „Auschwitz“ wurde in der Nachkriegszeit weltweit zum Symbol des nationalsozialistischen Völkermords (Holocaust/Shoa). Von den mehr als 5,6 Millionen Opfern des Holocaust wurden etwa eine Million Juden als rassistisch verfolgte Menschen in Auschwitz-Birkenau ermordet. Des Weiteren gab es ca. 160.000 nicht jüdische Opfer, darunter ebenfalls rassistisch begründet Sinti und Roma sowie Polen, zudem auch Homosexuelle. Etwa 900.000 der deportierten Personen wurden direkt nach ihrer Ankunft in den Gaskammern ermordet. Weitere 200.000 Menschen kamen durch Krankheiten, Unterernährung, Misshandlungen und medizinische Versuche zu Tode oder wurden später als zur weiteren Zwangsarbeit untauglich selektiert und ermordet. Herkunftsländer der meisten Ermordeten waren Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Jugoslawien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Polen, Rumänien, Sowjetunion, Tschechoslowakei und Ungarn.

Ich gehe die Strecke der in den Tod getriebenen bis zu den Gaskammern und merke wie meine Beklemmung, ob des vergangenen Geschehens immer größer wird. Ich frage mich wie ich mich damals verhalten hätte. Als Opfer oder hätte ich auch Täter sein können. Die Hauptorganisatoren des Holocaust wie Reinhard Heydrich, Ernst Kaltenbrunner oder Adolf Eichmann, also neben anderen die Verantwortlichen für den millionenfachen Mord an Unschuldigen, stammten aus gut bürgerlichen oder zumindest kleinbürgerlichen Verhältnissen wie ich. Kann man unter bestimmten gesellschaftlichen und staatlichen Verhältnissen dann doch zum Monster werden. Beispiele dafür gab und gibt es auch heute noch genug.

Die Gaskammern und die Krematorien wurden noch von der SS im Herbst 1944 gesprengt, um die Verbrechen so gut wie möglich zu vertuschen. Dennoch kann man vor den Ruinen der gesprengten Gaskammern doch noch die Rampe hinein in die Gaskammer erkennen und sich vorstellen, welches Grauen hier geschehen ist. Hier wird auch noch einmal die Einzigartigkeit was Brutalität, Perfidität und Menschenverachtung dieser Verbrechen betrifft sehr gegenwärtig. Hinter den zerstörten Gaskammern und in direkter Linie 800 Meter vom Haupttor entfernt steht das Denkmal zur Erinnerung an die Opfer von Auschwitz. Es wurde 1967 hier errichtet. Dieses Monument soll physisch und symbolisch den Weg beschließen, der in der Zeit des Krieges zu den Gaskammern führte. Auf dem Denkmal befinden sich 23 Tafeln mit einem Text in den wichtigsten Sprachen, derer sich die Deportierten nach Auschwitz bedienten. Auch wenn die Gaskammern noch von den Nationalsozialisten selbst gesprengt wurden, wird einem bewusst, wenn man vor diesen Trümmern steht, insbesondere beim Blick auf die Stufen hinunter zu den Gaskammern, welche Verbrechen mit welcher Grausamkeit und welchem Leid hier Menschen zugefügt wurden. Unweit davon befindet sich noch das Feld mit der Asche der nach ihrer Ermordung verbrannten Opfer.

Nach meinem Rundgang fahre ich noch zu dem 700 Meter nördlich des Torhauses außerhalb des Lagers gelegenen ehemaligen Kommandantur-Gebäude (Kommandantur II) vorbei, das heute eine katholische Pfarrkirche ist. Da heute Sonntag ist, findet gerade ein Gottesdienst statt, aber viele Gläubige stehen draußen und der Gottesdienst wird auch nach draußen übertragen. Ich vermute, dass die Kirchen zum Sonntagsgottesdienst in Polen recht voll sind und dass daher einige den Gottesdienst nur von außen verfolgen dürfen. Auch hier gehen mir viele Fragen durch den Kopf. Ist der Ursprung des Antisemitismus nicht in der frühchristlich und weiterhin überlieferten Annahme zu finden, dass die Juden für die Tötung Jesus Christus verantwortlich waren und zu machen sind?

 

Fahrt durch Oswiecim zum Denkmal für die Opfer des Konzentrationslagers Auschwitz III-Monowitz

Nach einer kurzen Pause im Hotel setze ich mich wieder auf mein Fahrrad, um zum Denkmal für die Opfer des Konzentrationslagers Auschwitz III-Monowitz zu fahren. Von dem Konzentrationslager selbst, so weiß ich inzwischen, gibt es nichts mehr zu sehen. Es sollen nur Reste gemauerter Schornsteine erhalten sein, die sich heute auf einem Privatgelände befinden und abgerissen werden sollen. Die durch die I.G. Farben von Häftlingen des KZ Auschwitz aufgebauten Buna-Werke wurden vom polnischen Staat am 1. September 1945 übernommen und als Chemiewerke Oświęcim (heute: Synthos S.A.) zum größten Arbeitgeber des Ortes. Die einseitige wirtschaftliche Ausrichtung auf diesen Großbetrieb brachte der Stadt nach 1990 erhebliche wirtschaftliche Probleme.

Mein Ziel liegt auf der anderen Seite Stadt und so finde ich auch zum ersten Mal den Weg durch Oswiecim. Heute hat die Stadt etwa 37 Tsd. Einwohner. Im September 1945 lebten zwar wieder etwa 190 Juden in Oświęcim, die aber fast alle in den zwei folgenden Jahren emigrierten. Es gibt derzeit keine hier ansässige jüdische Bevölkerung in der Stadt. Die Stadt ist adrett, aber nichts Besonderes. Hervorhebenswert sind das Herzogliche Schloss Auschwitz und der Rynek. Ein wenig verweile ich hier im Zentrum von Oswiecim. Dann geht es weiter bis ich schließlich an das Denkmal für die Opfer des Konzentrationslagers Auschwitz III-Monowitz komme. Das Denkmal ist sehr abstrakt. Offensichtlich dient es als Treffpunkt. So sitzen auf dem Podest des Denkmals mehrere ältere Frauen, von denen einige miteinander Schwätzchen halten, eine jüngere Frau liest in einem Buch eine andere sitzt einsam da und schaut eher griesgrämig in die Gegend. Mehrere Platten mit Inschriften in verschiedenen Sprachen weisen auf die 30.000 Toten hin, die hier in diesem Konzentrationslager zu beklagen waren.

Die Häftlinge hier waren Arbeitssklaven. Der Alltag der Häftlinge war bestimmt durch körperliche Schwerstarbeit bei unzureichender Kleidung, Ernährung und Unterbringung, wobei die Arbeitssklaven überdies den Übergriffen von Kapos und Wachmannschaften ausgesetzt waren. Wichtige Positionen im Lager und in den Arbeitskommandos wurden überwiegend mit reichsdeutschen „BV-Häftlingen“ besetzt, die als kriminelle „Berufsverbrecher“ galten. Die Funktionshäftlinge hatten im Lager für den reibungslosen Ablauf des Alltags zu sorgen und die von der SS gesetzten Regeln zu überwachen. Ihre Mitwirkung war für das Wachpersonal unverzichtbar; die Funktionshäftlinge und Kapos waren von der Arbeitspflicht befreit und bevorzugt bei der Verpflegung und Unterkunft. Ihre Überlebenschance war ungleich größer als die ihrer Mithäftlinge, solange sie ihre Aufgabe zur Zufriedenheit erledigten und das Arbeitssoll ihrer Kolonne erfüllt wurde. Die Mehrzahl der Kapos trieb die entkräfteten Mithäftlinge brutal zur Arbeit an. Sie waren zwar nicht Urheber, aber Vollstrecker eines Systems, das Gewalttätigkeiten und den Tod eines Zwangsarbeiters billigend in Kauf nahm. Durch den raschen Anstieg der Belegungszahl und den Sprachwirrwarr wurden im Lager bald mehr Funktionshäftlinge benötigt. Reichsdeutsche Kommunisten und polnische Nationalisten konnten viele Funktionen besetzen. Strittig blieb im Krakauer Auschwitzprozess von 1947, ob sich dies zum Vorteil für die meist jüdischen Mithäftlinge oder allein auf die ihnen politisch nahestehende Gruppe ausgewirkt habe.

 

Stammlager Auschwitz I

Nach meinem Besuch in Monowice habe ich noch etwa eine Stunde Zeit. Ich stärke mich in einem Lokal mit Pelmeni und hänge in Gedanken dem bisherigen Tag und dem, was ich gesehen habe nach. Eigentlich verspüre ich wenig Lust mir nun auch noch das Stammlager anzuschauen, zumal ich in etwa weiß, was mich erwartet. Vieles, was ich bisher mehr aus dem abstrakten hergeleitet habe, werde ich nun noch einmal konkret sehen. Mit diesen Gedanken gehe ich dann zum Stammlager Auschwitz I, wo ich erst einmal darauf hingewiesen werde, dass hier Maskenpflicht herrscht, was ich in meiner Gedankenversunkenheit sowohl vergessen als auch übersehen hatte.  Dann geht es einen längeren Weg bis zum Eingang des ehemaligen Lagers mit seiner zynischen Begrüßung „Arbeit macht frei“, als wäre einer der Gefangenen, die hier hineingetrieben wurden, bis zur sogenannten Befreiung durch die „Rote Armee“ , je wieder herausgekommen. Das Lager selbst sieht mit seinen zweistöckigen Ziegelbauten zunächst nicht abschreckend aus. Allerdings lassen die noch immer erhaltenen Sicherungsanlagen auch nicht vermuten, dass es sich hier um einen völlig harmlosen Gebäudekomplex handelt.

Am Beginn des Rundgangs, kurz hinter dem Tor ist ein großes zeitgenössisches Foto vor dem Küchenblock angebracht, auf dem das Lagerorchester dargestellt ist. Es wurde bereits 1941 in Auschwitz initiiert und bestand zunächst aus polnischen politischen Gefangenen, später aber auch aus Häftlingen anderer Nationalitäten, darunter auch Juden. Das Orchester spielte hier vor dem Küchenblock Marschmusik. Es erfüllte damit aus Sicht der Nazis im Lager viele nützliche Funktionen. So verbesserte es die Marschdisziplin beim Ausmarsch der Arbeitskommandos und bei der Rückkehr von der Arbeit. Zu den Aufgaben der Orchester, die es schließlich auch in Auschwitz II-Birkenau und in Auschwitz III-Monowitz gab, gehörte es auch, Konzerte für die SS zu geben. In Birkenau gab es im Frauenlager auch ein Frauenorchester.

Im Inneren der Häuser eröffnet sich dann aber noch einmal auf vielfältige und sehr fürchterlich anschauliche Weise das Grauen eines Konzentrationslagers im allgemeinen und der Konzentrationslager in Auschwitz im Besonderen. So befindet sich im Block 4, den ich als erstes betrete, eine Ausstellung unter dem Bezeichnung „Die Vernichtung“ und die sich natürlich insbesondere auf die Ereignisse in Birkenau bezieht. So zeigt eine Karte aus welchen Orten Europas die Züge nach Auschwitz fuhren, mit denen Juden hierher zur Ermordung in den Gaskammern deportiert wurden. Daneben findet sich eine Tafel mit den Zahlen aus welchen Ländern wie viele Deportierte nach Auschwitz gebracht wurden. An zentraler Stelle steht eine große gläserne Urne mit der Asche Ermordeter, die nach dem Krieg auf dem Gelände von Birkenau zusammengetragen wurde. In weiteren Räumen werden die Vorgänge in Birkenau fotografisch dokumentiert. Es sind Fotos, die die SS aufgenommen hat, auf denen man unter anderem die Ankunft eines Transports, die Trennung der Familien und die Formierung von Kolonnen , die Durchführung von Selektionen von Neuankömmlingen durch die SS sowie Personen auf dem Weg in die Gaskammern sieht. Ich mache keinen Hehl daraus, das ich hier sehr schnell durchgegangen bin. Schockierend auch das Model einer Gaskammer in der sehr präzise gezeigt wird, was in den Gaskammern im einzelnen geschah. Man sieht die Leichenberge, die Behandlung der Leichen durch die Sonderkommandos und den Transport der Leichen in die Verbrennungsöfen. Das Ganze ist zwar in weißem Gips gehalten, kann aber das Grauen damit dennoch kaum reduzieren und will es wahrscheinlich auch nicht. In einem weiteren Raum sind dann Berge von Frauenhaaren zu sehen. Allen männlichen und weiblichen Häftlingen wurde in den Konzentrationslagern der Kopf kahlgeschoren Ab 1942 begann man die Haare als Industrierohstoff zu sammeln. Verwendet wurde auch das Haar der in den Gaskammern getöteten Jüdinnen. Die Haare wurden dann in Säcke verpackt und an deutsche Firmen verkauft, die sie dann als Material für das Herstellen von Geweben (sog. Haarstoff) und Filz verwendeten.

Im nächsten Block 5 werden weitere Beweise für die Verbrechen ausgestellt: Berge von Brillen, jüdische Gebetsschals, Prothesen von sichtlich behinderten Juden, die von SS für die Sklavenarbeit als ungeeignet angesehen wurden und nach ihrer Ankunft in Auschwitz gleich in die Gaskammern geschickt und dort ermordet wurden, Berge von Töpfen, Schüsseln und anderen Gegenständen des täglichen Bedarfs, die Koffer der ins Lager deportierten Juden, Kleidung von Kleinkindern, Schuhe sowohl von Erwachsenen als auch von Kindern. In weitern Blocks geht es um das Leben der Häftlinge, die katastrophalen Wohn- und Sanitärbedingungen. In Block 10 wurden dann medizinische Experimente an weiblichen Jüdinnen durchgeführt, die für viele zum Tod führten. Andere wurde getötet, um an ihnen Leichenöffnungen durchzuführen. Diejenigen, die diese Experimente überlebten, trugen meist bleibende Verstümmelungen davon. Ich bin froh, dass dieser Block nicht zu besichtigen ist. Daneben im Block 11 befand sich dann das Lagergefängnis und in der Mitte zwischen Block 10 und 11 der Hof mit der sogenannten Todeswand, an der Exekutionen durch Erschießen stattfanden. Hier sollen über 5.000 Personen von der SS erschossen worden sein. Es waren insbesondere sogenannte Polizeigefangene, die von deutschen Standgerichten zum Tode verurteilt worden waren.

Nach diesen Besichtigungen reicht es mir. Ich gehe noch den Rundgang weiter, vermeide aber mir weitere Blocks von innen anzusehen. In den Blöcken 13-16, 18, 20,21 und 27 werden noch Ausstellungen über das Schicksal der Deportierten aus verschiedenen Ländern präsentiert. Im Block 20 gibt es noch ein sogenanntes Behandlungszimmer, in dem im August 1944 die Deutschen wegen Überfüllung des Lagerspitals Kranke mit Phenolspritzen direkt ins Herz töteten. Mit diesen Phenolspritzen wurden auch polnische Kinder und schwangere Frauen getötet. Was muss nur in Menschen, die zu solchen Grausamkeiten fähig waren, vorgegangen sein? Allerdings konnte man in späteren Prozessen dann doch auch erleben zu welch zynischen Rechtfertigungen und Verdrängungen manch einer fähig war. So schwärmte einer der Ärzte, der 1947 im Krakauer Auschwitzprozess freigesprochen wurde, weil er „den Häftlingen gegenüber wohlwollend eingestellt (war), … ihnen geholfen (habe) und sich selbst dadurch gefährdet (habe)“ über 50 Jahre später in einem Spiegelinterview von den Möglichkeiten, die er als Arzt im KZ hatte: „Ich konnte an Menschen Versuche machen, die sonst nur an Kaninchen möglich sind. Das war wichtige Arbeit für die Wissenschaft.“ So habe er Menschen Eiter injiziert, um den Zusammenhang zwischen vereiterten Zahnwurzeln und Rheumatismus zu untersuchen. Und er stellte Selektionen zynisch als Gefallen dar, damit diese Leute „nicht die nächsten 14 Tage überleben müssen“. Nach seinem Freispruch in Krakau hatte er eine Landarztpraxis im Allgäu übernommen und wurde gern zu Gedenkveranstaltungen eingeladen. Mit diesem Interview war sein Ruf als der „gute Mensch von Auschwitz“ Legende.

Am Ende meines Rundgangs komme ich noch an einem Podest mit einem Galgen vorbei. Hier wurde der erste Lagerkommandant von Auschwitz , Rudolf Höß,  nach einem Urteil des Obersten Polnischen Gerichtshofes 1947 durch Erhängen hingerichtet. Ich bin eigentlich ein Gegner der Todesstrafe, aber ich kann nicht verhehlen, dass ich die Tatsache, dass Höß hier hingerichtet wurde, mit einer gewissen Genugtuung zur Kenntnis nehme. Dies umso mehr, wenn man bedenkt wie viele Mörder und Schreibtischtäter nach 1945 zumindest für viele Jahrzehnte unbehelligt blieben. Ob es freilich sinnvoll ist, nun wie es gerade gegenwärtig geschieht, eine ehemalige Sekretärin oder einen Büroangestellten in Konzentrationslagern im Alter von 95 bis 100 Jahren wegen Beihilfe zum Mord vor einer Jugendstrafkammer (!) den Prozess zu machen, scheint mir auch recht zweifelhaft.

Direkt neben dieser Hinrichtungsstätte schon außerhalb des eigentlichen Lagers befindet sich ein mit einem Erdwall umgebenes niedriges Gebäude mit einem Ziegelschornstein. Es handelt sich um die erste Gaskammer und das Krematorium im Konzentrationslager Auschwitz. Das Gebäude ist entstanden aus einem ursprünglichen Munitionslager der polnischen Armee. Der größte Raum wurde dann von 1941 bis Ende 1942 als Gaskammer genutzt, in dem Raum daneben befinden sich zwei Krematorienöfen der Firma Topf&Söhne aus Erfurt und Schienenwagen zur Beförderung der Leichen. Nach Inbetriebnahme der Gaskammern und Krematorien in Birkenau wurden 1944 die Öfen demontiert und die Öffnungen, durch die das Zyklon B eingeworfen wurde, zugemauert. Danach diente das Gebäude der SS als Luftschutzbunker. Nach dem Krieg wurden die beiden Öfen sowie der Schornstein des Krematoriums rekonstruiert und auch einige Öffnungen in der Decke der Gaskammer wieder hergestellt. Mit etwas unsicherem Gang gehe dann auch ich durch das Gebäude. Aber ich bin doch froh als ich wieder draußen bin. Mir wird immer klarer, dass ich bei der Besichtigung von Konzentrationslagern immer sehr befangen war und bin. Einerseits bin ich schon der Meinung, dass es zur Bearbeitung der deutschen Geschichte gehört, sich dieses Grauen zu vergegenwärtigen, andererseits habe ich bei solchen Rundgängen auch immer das Gefühl eines gewissen Voyeurismus.

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