Heute geht es weiter, aber wieder ist das Ziel kein unbekanntes. Auch in Neustadt (Dosse) habe ich vor zwei Wochen schon einmal zwei Tage verbracht. Aber auch dafür habe ich einen neuen Grund. So war es mir beim letzten Mal doch nicht gelungen, die Mumie des Ritters Kalebuz zu besuchen. Wenn ich es heute bis 16 Uhr schaffe, müsste es klappen. So frühstücke ich bereits um 7:30 Uhr und mache mich um 9 Uhr auf den Weg. Vom Weg ist wenig Nennenswertes zu berichten, außer dass ich in mein Navi den Rennradmodus eingegeben hatte, nicht um schneller zu fahren, sondern um möglichst nicht mehr auf irgendwelchen Sandpisten zu landen. Diesmal führte es dazu, dass ich etwa 15 bis 20 Kilometer auf der B 5 fahren musste, die, völlig untypisch für Brandenburg, auf dieser Teilstrecke keinen begleitenden Radweg hatte. Da Sonntag ist fehlen Gott sei Dank die Lastwagen.
Mein Ziel, das Dorf Kampehl erreiche ich schon gegen 14 Uhr. Zu meiner Beruhigung waren auch nicht viele Touristen anwesend. Was hat es nun mit dem Ritter Kalebuz auf sich ? – Christian Friedrich von Kahlbutz (* 6. März 1651 in Kampehl, † 3. November 1702 ebenda), in anderer Schreibweise auch als Christian Friedrich von Kalebuz bekannt, war ein märkischer Edelmann, der vor allem dadurch Berühmtheit erlangte, dass sein Leichnam nicht verwest ist, ohne dass künstliche Mumifizierungsverfahren angewendet wurden. Der mumifizierte Leichnam ist inzwischen seit über 200 Jahren eine Touristenattraktion.
Für seine Verdienste als Kornett im Regiment des „Generals der Reiterei“ Prinz Friedrich II. von Hessen-Homburg in der Schlacht bei Fehrbellin gegen die Schweden 1675 erhielt Kahlbutz vom brandenburgischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm das Gut Kampehl bei Neustadt an der Dosse als Erblehen.
Ritter Kahlbutz starb im Alter von 52 Jahren an einem Blutsturz und wurde in einem Doppelsarg in der Patronatsgruft, die er vor seinem Tod hatte errichten lassen, beigesetzt. 1783 starb der letzte von Kahlbutz, deshalb wechselte das Gut im Folgenden mehrfach den Eigentümer. 1794 wurde die Kirche von Kampehl renoviert und man wollte wie üblich die Särge im Gruftanbau beisetzen. Beim Öffnen der Särge stellte sich heraus, dass nur die eine Leiche des Ritters Kahlbutz nicht verwest war. Kahlbutz ließ sich seinerzeit mit zwei Kanonenkugeln, die er aus der Schlacht von Fehrbellin mitbrachte, bestatten. Diese sind noch heute im Sarg zu sehen.
Der Volksmund fand eine Erklärung für die Mumifizierung des Ritters Kahlbutz und sah darin Gottes gerechte Strafe für einen Mord. Der Sage nach wurde Kahlbutz im Jahre 1690 von seiner Dienstmagd Maria Leppin des Mordes an ihrem Verlobten, dem Schäfer Pickert aus dem Nachbarort Bückwitz, bezichtigt. Die Tat geschah am Bückwitzer See. Die Begründung lautete, er habe den Schäfer aus Rache erschlagen, weil die Magd dem Ritter das „Recht der ersten Nacht“ verweigert hätte. Auch habe er sich mit Pickert um die Größe des Weideplatzes gestritten. Im folgenden Strafprozess in Dreetz bei Neustadt wurde Kahlbutz jedoch aufgrund seiner eigenen eidlichen Aussage freigesprochen, da die Zeugen fehlten. Ritter Kahlbutz soll dabei vor dem Gericht geschworen haben: „Wenn ich doch der Mörder bin gewesen, dann wolle Gott, soll mein Leichnam nie verwesen.“
Im Laufe der Jahre wurden der Mumie weitere Spuk- und andere mysteriöse Geschichten angedichtet. Aus den Zeiten der Napoleonischen Besetzung im Jahre 1806 gibt es Erzählungen über Scherze der französischen Besatzer. Die Mumie soll von französischen Soldaten als „Nachtwache“ eingesetzt worden sein. Theodor Fontane schreibt distanziert die Legende nieder, dass Napoleons Soldaten die Mumie einst aus Spaß auf den Altar der Kirche kreuzigen wollten. Als sie versuchten, die linke Hand festzunageln, sprang diese zurück in ihre Ausgangsposition und ohrfeigte dabei einen Soldaten, der vor Schreck sofort starb.
An der Schwenzebrücke am Bückwitzer See soll Kahlbutz den Schäfer Pickert erschlagen haben. Hierzu nimmt Fontane die folgende Geschichte auf: Spaziergänger wurden von einer unsichtbaren Last befallen, als sie gegen Mitternacht die Schwenzebrücke überquert haben. Je mehr sie sich von der Last trennen wollten, umso schwerer wurde sie. Erst als sie sich der Gegend, in der der Mord geschehen sein soll, weit genug entfernt hatten, ließ diese Last los. Hierzu wird auch erzählt, dass Pferde um Mitternacht am selben Ort aus unerklärlichen Gründen nur mühsam vorankämen, scheuten oder einfach stehen blieben.
1806 soll ein französischer Offizier die Mumie aus dem Sarg genommen, ihn beschimpft und bespuckt und falsch herum in den Sarg zurückgelegt haben. Anschließend habe er ihn aufgefordert, falls er wirklich spuken sollte, solle er ihn um Mitternacht in seinem Quartier besuchen. Am nächsten Tag soll der Offizier tot in seinem Quartier gefunden worden sein, das Genick um 180° verdreht. Dabei sollen Türen und Fenster von innen verriegelt gewesen sein, sodass ein Eindringen von außen nicht möglich war. Die französischen Soldaten ließen ihre Wut an den Dorfbewohnern aus, die ihre Unschuld an diesem Mord beteuerten. Kurze Zeit später kam es in Neustadt zu einem Gerichtsverfahren, bei dem der Prozess fallen gelassen wurde, weil kein Täter wegen der verschlossenen Türen in Frage käme.
Im Übrigen wurde mit dieser Mumie im Ort allerlei Schabernack betrieben, so wurde diese bei Hochzeiten zu diversen Streichen genutzt. 1913 wurde sie in das Brautbett einer frischvermählten Braut gelegt. Anfang des 20. Jahrhunderts war sie mehrere Jahre in einem Wartezimmer eines Neustädter Arztes ausgestellt und löste Ohnmachtsanfälle bei den Patienten aus. Sie soll von Schuljungen auf das Dach der Schule gelegt worden sein.
Von der Kleidung, in der Kahlbutz bestattet wurde, blieb kaum etwas erhalten. Lediglich seine Stiefel, eine Totenmütze und einige Fetzen von Ordensbändern waren erhalten geblieben. In den 1930er Jahren brachen Studenten in die Gruft ein, stahlen die Stiefel und seinen Harnisch, der dort ausgestellt war. Einige Wochen später schickten sie einen Stiefel zurück und teilten mit, dass das Bier, das sie aus dem Stiefel tranken, vorzüglich geschmeckt hat.
Vor diesem Hintergrund wundert es schon, dass von dem Leichnam überhaupt noch etwas verblieben ist. Das was verblieben ist, ist dennoch beeindruckend genug wie man sicher auf den Fotos nachvollziehen kann. Mit der allem Anschein nach nicht einbalsamierten Leiche des Ritters wurden bereits zahlreiche Untersuchungen durchgeführt, die klären sollten, warum der natürliche Verwesungsprozess speziell bei dieser Leiche nicht einsetzte. Sowohl Rudolf Virchow als auch Ferdinand Sauerbruch beschäftigten sich mit der Leiche des Ritters und auch die Berliner Charité untersuchte in den 1980er Jahren Ritter Kahlbutz erfolglos. Warum Kahlbutz nicht verwest ist, bleibt weiterhin ungeklärt. Dennoch gibt es einige wenige Fälle, bei denen der natürliche Verwesungsprozess ähnlich aussetzte.
Nachdem ich mir die Mumie gegen einen Beitrag von drei EURO ausgiebig anschauen und fotografieren durfte schaue ich auch noch kurz in die alte Feldsteinkirche von Kampehl hinein. Weil dann leichter Regen beginnt und auch die Wolkenformationen nicht gerade beruhigend wirken, mache ich mich die letzten zwei Kilometer auf den Weg zum Park-Hotel in Neustadt (Dosse). Als ich ankomme regnet es schon etwas heftiger, aber natürlich ist es kein Vergleich mit den Regenmassen, die in den letzten Wochen in anderen Landesteilen niederprasselten. Als ich eingecheckt habe lässt der Regen auch schon wieder nach.
Ich richte mich erst einmal in dem mir bereits bekannten Zimmer im Souterrain des Hotels ein. Es ist praktisch mit Schreibtisch, Schrank, Bett, Dusche und WC. WLAN bekomme ich hier unten nicht. Das war mir aber auch vom letzten Mal bereits bekannt. Dafür muss nun wieder mein zweites iPhone als Hot Spot herhalten und das funktioniert recht gut.
Am Abend begnüge ich mich mit einer Pizza. Als ich sie verzehrt habe und wieder zurück ins Hotel gehe, beginnt wieder ein Schauer. Aber der Weg zum Hotel ist nicht weit. Leider fällt der immer wieder wohltuende Abendspaziergang heute aus.
Tagesstrecke: 51,96 Km