22. Tag: 30. April 2019 – St-André-en-Terre-Plaine

Heute habe ich leider nicht so gut geschlafen. Aber das kommt halt vor. Beim Frühstück war das Baguette noch halb gefroren, der Kaffee etwas dünn aber die Marmelade schmeckt dafür hervorragend. Gegen 9:00 Uhr kam ich dann los. Als ich losfahre ist der Himmel blau und die Sonne scheint. Ob das so bleiben wird? Vorausgesagt war ein bedeckter Tag.

Gestern hatte ich mehr oder weniger zufällig festgestellt, dass unweit meines Übernachtungsortes die Quelle der Seine ist. Es sind etwa 6 km von Chanceaux aus und einen Besuch dort wollte ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Der Umweg war auch von meiner geplanten Strecke marginal. Es ging zwar etwas auf und ab und brachte einige zusätzliche Höhenmeter, aber insgesamt liegt die Quelle mit etwa 480 Metern nicht sonderlich hoch, dafür dass die Seine mit etwa 770 Kilometern der zweitlängste Fluss in Frankreich nach der Loire ist.

Das Quellgebiet scheint schon im 19. Jahrhundert von der Stadt Paris erworben worden zu sein wie man aus einem Hinweisschild entnehmen kann. Man hat dann wohl eine Quelle angelegt und eine künstliche Höhle errichtet in der eine graziös platzierte Frauenstatue schön drapiert liegt und natürlich die Blicke des Betrachters mehr auf sich zieht als das hinausfließende Erste Wasser der Seine. Das ganze Terrain sieht sehr gepflegt aus, Es gibt geschotterte Rundwege und auch zahlreiche Sitzgelegenheiten. Ob die Quelle tatsächlich häufig besucht wird, kann ich nicht beurteilen, aber zumindestens als ich dort ankam standen zwei Autos auf dem kleinen Parkplatz und es wanderten  fünf oder sechs Personen ähnlich wie ich herum.

Dann gab es wieder eine lange Abfahrt durch das Tal des kleinen Flusses Vau in der  malerischen Landschaft Burgunds, durch malerische Dörfer wie Vaubuzin und vorbei an dem hoch auf einem Felsen in die Landschaft ragenden Ort Frolois. Nach etwa 20 km war ich dann Darcey und fand hier einen kleinen Boulanger (Bäcker) mit einigen Tischen, die zum verweilen einluden. Offensichtlich war mein Frühstück heute nicht ausreichend gewesen, ich hatte schon wieder Hunger aber auch Appetit. So machte ich eine Pause, genehmigte mir zwei Kaffees, kaufte schon vorsorglich für den morgigen freien Tag ein Ceralienbaguette und verspeiste ein Schokoladencroissant. Freilich konnte ich auch bei dem Baguette nicht widerstehen, schon einmal das erste Drittel zu kosten.

So gestärkt ging es dann voran, bis ich nach weiteren 20 km und einigen heftigen Steigungen den Ort Semur-en-Auxois erreichte, der sehr malerisch auf einem Felsen und einem Höhenzug über dem Fluss L‘Amarcon liegt. Es ist für hiesige Verhältnisse eine richtige Stadt, denn sie hat immerhin etwa 4500 Einwohner. Hier wollte ich sozusagen eine längere Mittags Rast einlegen und auch meine Proviantvorräte weiter auffüllen. Die Stadt hätte einen längeren Aufenthalt verdient. Hervorhebenswerte Sehenswürdigkeiten sind die Stiftskirche Notre-Dame, die Rundtürme der ehemaligen Zitadelle, das ehemalige Stadttor, die Porte Sauvigny, und die Brücke Pont Joly, die einem schöne Blicke auf die Stadt ermöglicht. Noch einmaliger ist allerdings der Blick, den man hat, wenn man das Tal des Amarcon auf der anderen Seite hoch fährt und von einem der Stadt gegenüberliegenden Parkplatz auf sie hinabschauen kann.

Die Stadt macht den Eindruck einer mittelalterlichen Stadt, obwohl natürlich das Meiste im Laufe der Jahrhunderte durch andere Zeitepochen überlagert wurde. Die Stiftskirche ist im 13. Jahrhundert entstanden, allerdings in der darauf folgenden Zeit mehrfach grundlegend verändert worden. Die heutige Fassade stammt aus dem 14. Jahrhundert. Viele der Häuser der Altstadt stammen aus dem 15. oder 16. Jahrhundert. Das alles ist sehr sehenswert aber auch dringend sanierungs- und restaurierungsbedürftig. Die Kirche gilt als einer der bedeutendsten Kirchenbauten Burgunds und auch wenn ich nicht alle Kirchenbauten Burgunds kenne, spricht doch einiges dafür. Schon von außen macht die Kirche aber einen zwar monumentalen aber auch sehr verwitterten Eindruck und innen hat man gerade zu das Gefühl, dass sie langsam zerbröselt. Nicht umsonst sind im Inneren Fangnetze aufgehängt, damit die Besucher nicht durch herunterfallenden Putz belästigt werden. Aber diese Beschreibung gilt auch für viele Häuser der Altstadt. Man kann dieser Stadt nur wünschen, dass irgendwann sich viele finden, die hier investieren. Aber das wird unter dem Gebot des Wiederaufbaus von Notre-Dame in Paris sicher schwierig. Semur-en-Auxois ist sicher von den Orten, die ich bisher auf meiner Tour hier in Frankreich gesehen habe, einer der eindrucksvollsten.

Nachdem ich meinen Proviant aufgefüllt, mich auch gestärkt hatte und schließlich die Stadt etwas eingehender betrachtet konnte, lagen noch knapp 30 km bis zu meinem heutigen Ziel vor mir. Das Wetter hat sich etwas verändert, es wurde zwar wärmer aber auch immer bedeckter und diesiger. Meinen Anorak konnte ich dann endlich mal wieder ausziehen und auch die Handschuhe wegpacken. Die verbliebene Strecke führte vor allem durch hügelige landwirtschaftlich bestellte Gebiete. Auf einigen Feldern sah ich nun zum ersten Mal in diesem Jahr, dass die Getreideähren aus den Halmen hervortraten. Sehenswert wäre sicher noch die Schlossanlage in Epoisses gewesen, an der ich aber nur vorbeifuhr.

Meine heutige Unterkunft liegt in einem kleinen Weiler unweit des Dorfes St-André-Terre-Plaine und ist tatsächlich das Beste, was ich bisher als Unterkunft hatte. Ein junges Ehepaar hat sich die Mühe und die Unkosten gemacht, ein Haus durch aus im traditionellen Stil zu errichten aber mit ausgesprochen modernen und liebevoll eingerichteten Zimmern zu schmücken. Natürlich freut man sich nach einem anstrengenden Tag auch auf eine anständige Unterkunft. Das gelingt nicht immer. Hier ist es vorbildlich gelungen. Die Zimmer haben eine Größe von etwa 20 m² und die Einrichtung hat alles was man nach einer strapaziösen Fahrrad- oder Pilgertour braucht. Von daher kann ich das Chambres d‘Hotes „Chez Virginie“ gerne und wärmstens weiterempfehlen.

Tagesdaten: 72,66 Km; 05:56:02 Std.Fz.; 12,24 Km/h; 710 Hm

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