5. Tag: 18. Juli 2023 – Von Eichstätt nach Dietfurt

Ich habe sehr gut geschlafen im Priesterseminar. Um 7 Uhr gehe ich in den Frühstücksraum im Parterre des weitläufigen Gebäudes. Ich bin der erste. Nach und nach kommen aber sechs weitere Personen, die aber offensichtlich hier zu den priesterlichen Gästen gehören. Sie tragen zwar normale Kleidung, Jeans und Hemd bzw. Shirt. Zwei kommen aber im Habit, einer in Schwarz, der andere in Braun. Drei sind Afrikaner, alle sprechen gut deutsch oder sind deutschsprachig. Wir sitzen an getrennten Tischen. Die externen Besucher wie ich haben einen extra Tisch. So kommt denn auch kein Kontakt zustande, außer, dass man sich höflich grüßt. Die sechs Klerikalen unterhalten sich demgegenüber sehr angeregt miteinander, sind entsprechend laut und lachen viel.

Das Frühstück ist ordentlich, wenn auch etwas sparsamer als in den meisten Hotels. Es gibt Brot bzw. Brötchen, Wurst und Käse und auch Müsli. Ich werde auf jeden Fall gut satt. Nach dem Frühstück frage ich im Empfangsbüro, ob ich mein Gepäck herunterbringen sollte, während ich noch einen Spaziergang durch die Stadt mache, aber man sagt mir ich könne das Gepäck ohne weiteres bis mittags auf meinem Zimmer lassen. Dann mache ich mich auf den Weg, die Innenstadt zu erkunden.

Kurzer Spaziergang im Zentrum von Eichstätt

Es wird allerdings doch ein eher kürzerer Spaziergang. Da ich mich schon im bischöflichen Zentrum von Eichstätt befinde, ist alles gut fußläufig zu erreichen. Eichstätt ist eine überwiegend barocke Bischofs- und Universitätsstadt. Sie hat eine reiche geschichtliche Vergangenheit und besitzt viele bedeutende Sehenswürdigkeiten. Ich werde bei meinem Rundgang dieser Stadt sicher in keiner Weise gerecht. Es kann nur ein kurzer oberflächlicher Eindruck sein. So beschränke ich mich auf das bischöfliche Zentrum und den Markt. – Immerhin!

Die reiche geschichtliche Vergangenheit Eichstätts beginnt im Jahre 740 als im Auftrag von Winfried Bonifatius, dem Initiator der Missionierung Süddeutschlands, der heilige Willibald in diese Region kam, um zu predigen. Nach seiner Weihe zum Bischof im Jahre 741 begann er, auf den Resten einer abgebrannten Siedlung sein erstes Kloster auf fränkischem Boden zu errichten. 908 verlieh der ostfränkische König Ludwig Eichstätt das Münz-, Zoll-, Befestigungs- und Marktrecht, wodurch sich in bescheidenem Umfang eine bürgerliche Stadt nördlich des Doms entwickelte. Das Domkapitel hat die Stadt bis in die heutige Zeit geprägt. Das 1042 erstmals als Stadt erwähnte Eichstätt wurde 1634 im dreißigjährigen Krieg von den Schweden nahezu vollständig zerstört. Unter kunstsinnigen Bischöfen erlebte die Stadt einen glanzvollen Wiederaufbau durch die Graubünder Baumeister Gabriel de Gabrieli, Jakob Engel und den Italiener Maurizio Pedetti, welche die herrlichen Barockbauten hervorbrachten.

Markantes Beispiel hierfür ist der Residenzplatz, den ich als erstes aufsuche. Er gilt architektonisch als Platz von europäische Rang, wie immer man das auch verifizieren mag. Um den Platz mit dem von Pedetti geschaffenen Marienbrunnen mit Mariensäule gruppieren sich die halbkreisförmig angeordneten Gebäude aus dem 18, Jahrhundert. Prunkstück ist der im Jahre 1725 geschaffene Südflügel der Residenz, in dem sich heute das Landratsamt befindet.

Ein weiteres Wahrzeichen  der Stadt ist die Willibaldsburg. Bis zur Errichtung der Stadtresidenz im 18. Jhdt. war die Burg nicht nur befestigter Vorposten der Bischofsstadt, sondern auch Wohnsitz der Fürstbischöfe. Die Anlage geht auf eine mittelalterliche Burg aus der Zeit um 1030 zurück. Zwischen 1595 und 1612 ließ der Bischof Conrad von Gemmingen die bisherige Willibaldsburg in ein Renaissanceschloss umbauen. Leider reicht meine Zeit nicht für einen Besuch des Schlosses, in dem heute mehrere Museen untergebracht sind.

Nachdem ich mir den Residenzplatz etwas genauer angeschaut habe, möchte ich natürlich auch einen Blick in den Dom werfen. Der Dom ist die Kathedralkirche des katholischen Bistums Eichstätt. Die dreischiffige Hallenkirche geht auf den Gründungsbau des hl. Willibald zurück, der hier bereits im 8. Jahrhundert eine erste Steinkirche errichtet haben soll. Die heutige Kirche entstand im Wesentlichen in hoch- und spätgotischen Stilformen und wurde 1718 durch eine barocke Westfassade abgeschlossen. Zusammen mit dem Kreuzgang und dem zweischiffigen Mortuarium gilt der Dom als eines der bedeutendsten mittelalterlichen Baudenkmäler Bayerns. Er enthält natürlich einige sehenswerte Kunstwerke, wie Altäre und zahlreiche bedeutende Grabmäler. Auch das Grab des Heiligen Willibald  befindet sich hier. Zu meiner Überraschung ist der Dom schon zu dieser frühen Stunde (8 Uhr) offen und ich trete hinein, stehe aber dann gleich in einer riesigen Baustelle. Einige Arbeiter winken mir zu und geben mir zu Verstehen, dass der Dom nicht zu besichtigen ist, worauf ich bei genauerem Hinsehen inzwischen auch schon gekommen bin. Also verlasse ich das eindrucksvolle Gebäude wieder. Wie ich später von den Empfangsdamen im Priesterseminar erfahre, wird der Dom zur Zeit grundlegend saniert. Das Ende der Arbeiten ist für Mitte 2024 geplant. Ab er offensichtlich geht man davon aus, dass es auch deutlich länger dauern könnte.

Mein Weg führt mich dann zum Marktplatz. Hier befinden sich das Rathaus, der Willibaldsbrunnen, die Reste der Collegiata-Pfarrkirche und das mittelalterliche Gebäude-Ensemble Paradeis. Ich schaue mich noch ein wenig um, dann geht es aber zurück in meine Unterkunft auf dem Leonrodplatz. Ich packe meine Gepäck zusammen und verlasse diese gastliche Unterkunft.

 

 

Von Eichstätt nach Dietfurt

Tagesstrecke: 60,33 Km

Hinter Eichstätt setzt sich die sehr schöne Landschaft des nun wieder etwas breiter gewordenen Altmühltals fort. In Pünz überquere ich die historische Altmühlbrücke. Die Nähe zu dem Römerkastell Vetonia oberhalb von Pünz deutet darauf hin, dass hier schon zur Zeit der Römer eine Holzbrücke über die Altmühl führte. Vermutlich im 15. Jhdt. wurde eine steinerne Bogenbrücke gebaut, die aber im Jahre 1800 während der Napoleonischen Kriege gesprengt aber 1878 rekonstruiert wurde. Der Name des Ortes Pünz leitet sich wohl vom lateinischen „pons“ für Brücke ab. Weiter geht es vorbei an der oberhalb des Ortes Arnsberg ins Land ragenden Schlossruine gleichen Namens. Von dem im 12. Jahrhundert geschaffenen Bauwerk sind heute nur noch wenige Teile vorhanden, nachdem es bereits im im 18. Jahrhundert zerstört wurde. Die noch gut erhaltene Vorburg wird als Schlosshotel genutzt. Nach etwa 25 Kilometern erreiche ich dann Kipfenberg. Hier mache ich Mittagspause und verspeise meine mitgebrachten belegten Brötchen. Es ist inzwischen recht heiß geworden, sodass ich mir erst einmal ein schattiges Plätzchen auf dem Marktplatz suchen muss, der aber zur Zeit von einer Großbaustelle weitgehend belegt ist.

Der Limes überquerte in Kipfenberg ein zweites Mal die Altmühl. Wie in Gunzenhausen entstand daraus im Laufe der Jahrhunderte eine bedeutende Marktgemeinde. Die den Ort überragende Burg Kipfenberg entstand im 12. Jahrhundert und blieb sowohl im Bauern- als auch im Dreißigjährigen Krieg unbeschädigt. Trotzdem verfiel das Bauwerk und wurde 1869 teilweise abgerissen. Durch private Initiative und frühes Denkmalbewusstsein konnte in den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts das Bauwerk zum Teil wieder aufgebaut werden. Weiter geht es dann nach Kinding, das mit seiner Kirchenburg Mariä Geburt wirbt. Dies interessiert mich natürlich schon deshalb, weil ich solche Kirchenburgen auf meiner Reise mit Heidrun durch Rumänien in größerer Zahl noch sehr authentisch erlebt habe. Kinding hat auch sonst eine stolze und bewegte Geschichte hinter sich. Höhlenfunde, vorzeitliche Befestigungsanlagen, Wehrkirchen und der römische Limes sind sichtbare Zeugen der Vergangenheit. Die Kirchenburg soll aber das prägendste Bauwerk Kindings sein. Deshalb statte ich ihr auch einen Besuch ab. Wenn man es weiß, kann man noch den Früheren Kirchenburg Charakter erkennen. Allerdings ist viel authentisches davon nicht mehr zu erkennen. Natürlich ist die Kirche noch von einer Mauer umgeben. Vom Wehrgang sind noch die Mauerabsätze erkennbar. Auch sind noch drei Schießscharten zu sehen. In Zeiten unmittelbarer Bedrohung suchte die Bevölkerung im oberen Ringmauerbereich Zuflucht, während man im unteren turmlosen Ringmauerbereich Hab und Gut und vor allem das Vieh unterbrachte. Die Kirche selbst hat heute nichts mehr, was an eine Wehrkirche erinnert. Sie ist im edlen Barock mit mehreren Altären und einem auffallenden Deckengemälde gestaltet. Das Deckengemälde des Langhauses, 1792 von Willibald Wunderer gemalt, stellt das Patrozinium „Mariä Geburt“ dar.  Außen fällt insbesondere die achteckige Kirchturmspitze ins Auge. Sie weist nicht nur die üblichen, sondern auch farbig glasierte, in Mustern verlegte Ziegel auf.

Nach Kinding geht es weiter vorbei an dem ebenfalls auf der Höhe liegenden Schloss Hirschberg nach Beilngries. 1053 erhielt Beilngries das Markt- und Zollrecht. Damals erbauten auch die Grafen von Hirschberg ihre Burg, das spätere Schloss Hirschberg. Nach deren Aussterben übernahmen die Eichstätter Bischöfe die Burg und bauten sie zu ihrer Sommerresidenz aus. Beilngries ist seit 1387 Stadt und heute mit seinen 19 Ortsteilen das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum der unteren Altmühlregion. Ich mache hier eine Pause in einem Café, dann einen kleinen Rundgang und werfe einen Blick in die Stadtpfarrkirche St. Walpurga, die 1912-13 errichtet wurde.  Sobald man durch eine der Türen tritt ist man überrascht über die Weite und Helle des Raumes, die geschmackvolle, auf jeden überflüssigen Prunk verzichtende Einrichtung und die harmonische Aufteilung der riesigen Wand- und Deckenflächen. Man bekommt eigentlich schon mit dem ersten Blick einen Gesamteindruck.

Dann geht es weiter. Mein nächster Stopp ist in Kottingswörth die Pfarrkirche St. Vitus. Auch sie eine ehemalige Wehrkirche, eine Vergangenheit, mit der sie sich heute aber nicht mehr schmückt. Bereits von weitem sind aber die beiden Türme mit den abschließenden Zwiebelhauben zu erkennen, die der Kirche im Volksmund den Titel „Kleiner Dom im Altmühltal“ verliehen hat. Letzte Erinnerung an den ehemaligen Wehrcharakter der Kirche ist die bis zu vier Meter hohe Mauer, die die Kirche umgibt. Sehenswert ist die Kirche vor allem wegen ihrer sehr markanten frühgotischen Wandmalereien und ihrer reichen barocken Innenausstattung aus dem 18. Jahrhundert. Dabei stechen insbesondere die Deckengemälde im Chor und im Langhaus hervor. Die Deckengemälde gefallen mir nicht, weil die Geschichte, die sie erzählen sollen, nur schwer zu erkennen ist. Ich statte der Kirche dennoch einen etwas längeren Besuch ab und bin insbesondere von den  mittelalterlichen Wandmalereien in der Vituskapelle fasziniert. Die Vituskapelle war wohl ursprünglich der Chor der Vorgängerkirche und ist heute die Taufkapelle. Leider habe ich versäumt ein Foto von der gesamten Vitruskapelle aufzunehmen. Aber Wikipedia kann mir auch hier helfen.

Merkwürdig finde ich die Frische, die die Wandmalereien ausstrahlen. Eine Erklärung finde ich dann teilweise in der Broschüre, die ich in der Kirche erworben habe. Die frühgotischen, in Fresko- und Seccotechnik ausgeführten Malereien entstanden vermutlich nach 1313 und bedeckten ursprünglich den gesamten Raum. Die Szenen und Figuren sind auf einen blaugrauen Hintergrund gemalt, die Architekturformen sind in weiß und rot gehalten, die figürlichen Szenen in weiß, rot, braun und schwarz. Die Wandmalereien wurden 1891 wieder entdeckt und bis 1895 freigelegt und restauriert. Dabei wurden allerdings die darüberliegenden Malereien der Spätgotik und der Renaissance zerstört. Aus dem damaligen Verständnis  heraus wurden auch Fehlstellen großzügig retuschiert und Konturen sowie Binnenzeichnungen vereinheitlichend nachgezogen.

Wahrscheinlich können die meisten Leser mit St. Vitus wenig anfangen. Ich konnte es bisher auch nicht. Deshalb hier nun die kurz die doch interessante Geschichte. Veit oder auch lateinisch Vitus (* in Mazara auf Sizilien; † um 304 in Lukanien, Süditalien) soll als Märtyrer unter Diokletian gestorben sein. Der Legende nach gaben Veits Eltern ihn zur Erziehung schon als kleines Kind zur Amme Crescentia und deren Mann Modestus, die ihn im christlichen Glauben unterrichteten. Als sein Vater davon erfuhr, wollte er seinen Sohn vom Glauben abbringen und später sogar umbringen. Veit aber blieb standhaft und Crescentia und Modestus flohen mit ihm nach Lukanien, wo ihnen ein Adler Brot gebracht und Veit allerlei Wunder bewirkt haben soll. Als Kaiser Diokletian von dem Jungen hörte, holte er ihn nach Rom, weil dieser seinen Sohn, der von einem bösen Geist befallen war, heilen sollte. Obwohl Veit dies gelang, sollte er seinen Glauben aufgeben und den heidnischen Göttern opfern. Als Veit sich wieder weigerte, wurde er vor die Löwen geworfen, damit diese ihn zerfetzten. Die Löwen aber legten sich vor ihm nieder, leckten seine Füße und taten ihm nichts. Schließlich wurde Veit zusammen mit Modestus und Crescentia in siedendes Öl geworfen. Engel retteten sie daraus und brachten sie zurück nach Lukanien, wo sie starben. Adler bewachten ihre Körper, bis die Witwe Florentia sie fand und begrub. Soweit die Legende, die hier auch Gegenstand der Deckengemälde und auch der Gemälde in der Vituskapelle ist.

Nachdem ich mich hier satt gesehen habe, fahre ich noch die letzten fünf Kilometer nach Dietfurt, meinem heutigen Ziel. Meine Unterkunft ist das Hotel „Zum Toni Bräu“. Nachdem ich mich eingerichtet habe, nehme ich hier auch mein Abendessen ein. Danach mache ich noch einen Spaziergang zur Mündung der Altmühl in den Main-Donau-Kanal. Meines Erachtens endet die Altmühl hier, obwohl der Kanal von hier aus in das frühere Bett der Altmühl gebaut wurde. Freilich kann man auch darüber streiten. Offiziell spricht man von hier ab aber immer noch von der Altmühl mit dem Zusatz (Main-Donau-Kanal), ich würde es umgekehrt formulieren.

 

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