2. Tag: (15. September 2020) – Von Blankenberg nach Stockheim

Tagesdaten: 89 Km

Ich wache auf und genieße einen herrlichen Blick aus dem Fenster auf das Saaletal und den unterhalb von Blankenberg liegenden Ort Blankenstein. Wieder wird es ein schöner aber heißer Tag werden. Nach dem ordentlichen Frühstück, dass man wegen Corona sich nicht an einem Buffett  zusammenstellen kann, sondern serviert bekommt, mache ich noch einen kurzen Spaziergang zur nur wenige Meter vom Gasthof entfernt liegenden Burgruine Blankenberg, die auch Planckenberg und Altes Schloss genannt wird. Die Burg war eine Burganlage auf einem nach Süden gerichteten Bergsporn südlich der Ortskerns von Blankenberg. Sie gehörte ursprünglich zu einer Reihe von Sicherungsfestungen an der Saale, war ursprünglich Reichslehen und hatte dann über die Jahrhunderte verschiedene Besitzer.

Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges blieb der Bau des Schlosses nahezu unverändert erhalten. Im Zusammenhang mit den Enteignungen durch die Bodenreform erließ die sowjetische Besatzungsmacht 1947 den Befehl, die den Abbruch enteigneter Adelssitze beinhaltete. So wurde am 14. Juni 1948 das Alte Schloss, wie es im Volksmund bezeichnet wurde, nach einer über 700-jährigen Geschichte gesprengt. Bis zur politischen Wende 1989 geriet der Trümmerhaufen nahezu in Vergessenheit. Erst zu Beginn der 1990er Jahre engagierten sich Bürger der Region und legten seit 1995 unter fachkundiger Leitung die Reste des Schlosses frei. So ist der Turnierplatz mit dem neu gemauerten Tor wieder deutlich zu erkennen.

Nach dem Spaziergang belade ich mein Fahrrad und mache mich auf den Weg. Heute liegt eine ziemlich bergige Tour durch das Fränkisch-Thüringische Schiefergebirge vor mir.

Von Blankenberg nach Lauenstein

In Blankenstein, wo auch der Rennsteig, also ein Wander- und Radweg durch den Thüringer Wald, startet, komme ich zunächst an der in diesem engen Tal recht dominant wirkenden und weithin sichtbaren Papierfabrik vorbei. Nachdem ich Blankenstein verlasse geht es auf ruhigen Straßen mit schönen Blicken aber auch ständigen Auf- und Abfahrten voran. Insbesondere der Blick auf das bayerische Lichtenberg mit seiner den Ort überragenden Burganlage sticht mir ins Auge. Insgesamt geht es aus dem Saaletal aber erst einmal wieder auf über 700 Meter hoch. Der Weg führt durch ausgedehnte Waldgebiete und teilweise auch über nicht befestigte Waldwege. In Brennersgrün wird dann schon an der Architektur deutlich, dass man sich in einem Schiefergebirge befindet. Fast alle Häuser sind mit Schieferschindeln bekleidet. Durch den Ort führt auch der Rennsteig und das ehemalige Rathaus ist heute zum Rennsteighaus, einer Unterkunft für Wanderer, umgestaltet worden

Hinter Brennersgrün folge ich einer Abzweigung, die zum sogenannten Schönwappenweg führt. An ihm sollen sich zahlreiche künstlerisch hervorragend ausgearbeitete Wappensteine (Grenzsteine) aus verschiedenen Jahrhunderten stehen. Leider finde ich zwar im Wald eine Schutzhütte mit Hinweisen aber leider keinen dieser Grenzsteine, auf dem ein Wappen zu erkennen wäre. Ich weiß nicht woran das gelegen hat, aber nach etwa einer halben Stunde vergeblichen Suchens kehre ich etwas frustriert auf meine Hauptstrecke zurück. Von hier geht es dann auf einer Landstraße über die Berg- und Schieferstadt Lehesten vorbei an der KZ-Gedenkstätte „Laura“ in Schmiedebach und dann weiter auf einer Landstraße steil hinunter in das enge Tal der Loquitz bis zur Villa Falkenstein. 1709 wurde hier eine Brauerei gegründet. Mit dem Bau der Eisenhämmer entstand 1765 Falkenstein. Seine Blüte erlebte das Eisenhammerwerk in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Schon früh wurde Falkenstein zum beliebten Ausflugsziel. Zwischen 1821 und 1825 existierte ein Lokal mit Biergarten und Kegelbahn. 1870 stellte das Eisenhammerwerk seinen Betrieb ein. Das dortige Ausflugslokal und die Brauerei wurden jedoch ausgebaut. Seinen Aufschwung und der Beginn der Blütezeit als Ausflugsort erlebte Falkenstein ab 1885 mit der Eröffnung der Eisenbahnstrecke Eichicht–Stockheim. Die Villa Falkenstein wurde dann durch das sogenannte Bierdeckelabkommen zwischen Sowjets und Amerikanern 1945 der amerikanischen Besatzungszone zugesprochen.

Neben der Villa Falkenstein findet sich auch die erste Hinweistafel auf das Wirken von Alexander von Humboldt hier im Amt Lauenstein. Alexander von Humboldt, der sicher mehr durch seine späteren Welt- und Forschungsreisen seine heutige Berühmtheit erlangt hat, verbrachte aber hier in der Gegend seine ersten beruflichen Jahre im Staatsdienst. Nach Beendigung seines Studiums an der Handelsakademie richtete Humboldt im Mai 1791 ein Anstellungsgesuch an den preußischen Oberberghauptmann Friedrich Anton von Heynitz für eine Tätigkeit in der Bergverwaltung. Dazu nahm er zunächst ein Studium des Bergfachs an der Bergakademie Freiberg auf, das er in acht Monaten beendete. Am 6. März 1792 erhielt er die Anstellungsurkunde als Bergassessor, und wenig später wurde er mit der Untersuchung des Lotharheiler Schiefers betraut, der im gerade zu Preußen gekommenen Fürstentum Bayreuth abgebaut wurde. Auf seinem Weg dorthin inspizierte er den Kamsdorf-Könitzer Bergbau und revolutionierte die Abbauverfahren von Alaunschiefergestein im Schmiedefelder Vitriolwerk am Schwefelloch. Aufgrund seines beispielhaft erhellenden Berichtes wurde er bereits nach einem halben Dienstjahr zum Oberbergmeister befördert mit dem Auftrag, den Bergbau im Fichtelgebirge und Frankenwald zu sanieren.

Humboldt reorganisierte den Bergbau in technischer und ökonomischer Hinsicht. Er modernisierte die Abbauverfahren von Silber, Nickel, Zinn und Eisen sowie von Alaunschiefergestein in der Region Bayreuth. Die Goldgruben von Goldkronach, die in ihrer Existenz bedroht waren, brachte er in die Gewinnzone, so dass sie bis 1861 betrieben wurden. Ein ähnlicher Erfolg gelang ihm mit dem Friedrich-Wilhelm-Stollen im Stebener Kupferbergbau, den er neu anlegen ließ, womit er die jährlichen Erträge beträchtlich steigern konnte. Humboldt hatte bei seinen Aktivitäten auch die Wirkung auf den lokalen Arbeitsmarkt und die soziale Situation der Bergleute im Blick; so reformierte er die „Bergbau-Hülfskasse“, in dem er ihr Überschüsse der Bergämter zuführte. Auf der Basis seiner chemischen Analysen der Grubenwetter entwickelte er eine Grubenlampe mit verbesserter Leuchtwirkung in Gruben mit sauerstoffarmer Atmosphäre. Bei der Erprobung dieser Grubenlampe im Selbstversuch fiel er wegen giftiger Grubengase in Ohnmacht, die Lampe aber half, ihn zu retten. Weiterhin beschrieb er eine „Respirationsmaschine“, einen Vorläufer der Atemschutzmaske, die bei Rettungsaktionen eingesetzt werden konnte. Beide Apparate konnten sich aber nicht durchsetzen.

Mit eigenen Mitteln gründete von Humboödt ohne Rücksprache mit den vorgesetzten Behörden zuerst in Steben eine Bergschule, die erste Arbeiter-Berufsschule in Deutschland, offen für die Altersstufen von 12 bis 30 Jahren. Gelehrt wurden von Schichtende bis 23 Uhr unter anderem Mineralienkunde, bergmännisches Rechnen und Bergrecht, Maschinen- und Kompasskunde. Wegen Mangel an geeignetem Lehrmaterial schrieb er die Lehrbücher dafür selbst. Seine Wohnorte waren von 1792 bis 1795 Steben, Arzberg und Goldkronach.

Während seiner Tätigkeit im Staatsdienst kam er in Kontakt mit anderen in der Bergverwaltung hochrangig beschäftigten Personen, die seine Fähigkeiten erkannten und sie für ihre Zwecke dienstbar zu machen suchten. Zum Teil waren sie später bei den preußischen Reformen führend, wie z. B. der Freiherr vom Stein und Karl August von Hardenberg, Minister für das Territorium Ansbach-Bayreuth. Von seinem Ressortminister von Heynitz wurde Humboldt 1794 zum Bergrat und 1795 zum Oberbergrat befördert. Doch weder dies noch ungewöhnliche Gehalts- und Freistellungsangebote vermochten Humboldt im Amt zu halten. Am 26. März 1795 bat er den preußischen König um die Entlassung aus dem Dienst als Oberbergmeister, um seinen Jugendtraum von Forschungsreisen in die Welt zu verwirklichen.

Burg Lauenstein

An der Villa Falkenstein überfahre ich die Grenze nach Bayern und es geht auf der viel befahrenen Bundestraße B 85 bis ins nahegelegene Lauenburg, wo es auf einer Nebenstraße durch den Ort hinauf zur Burg Lauenstein geht. Die Burg Lauenstein ist eine mittelalterliche Höhenburg auf 550 m ü. NN über der oberfränkischen Ortschaft Lauenstein. Mit ihrer Lage im Norden des Landkreises Kronach ist die Burg, deren älteste Teile auf das 12. Jahrhundert datiert werden können, die nördlichste Burg Bayerns. Eine große strategische Bedeutung hatte die Burg aufgrund ihrer vorgeschobenen Lage im nördlichen Grenzbereich Frankens. Im Laufe der Jahrhunderte wechselte die Burg häufig die Besitzer.

Die heutige Ansicht der Burg ist Ergebnis einer historistischen Gestaltung des 19. Jahrhunderts. 1896 erwarb der Privatmann Dr. jur. Ehrhard Meßmer aus Halle an der Saale (1861–1942) den heruntergekommenen Bau, der zuletzt von 25 armen Familien bewohnt war, darunter Schieferbrucharbeiter, Tagelöhner und Handwerker. Der neue Eigentümer plante, ihn zunächst als privaten Wohnsitz umzubauen und stattete ihn dann aber auch für die Nutzung als Pension und für Tagesgäste neu aus. Diese grundlegende Instandsetzung erfolgte unter dem Eindruck eines späten weniger strengen Historismus im Stile der Wartburg mit ersten Anklängen des Jugendstils.

Während des Ersten Weltkriegs war die Burg vom 29. bis zum 31. Mai und vom 29. September bis zum 3. Oktober 1917 zweimal Veranstaltungsort der sogenannten Lauensteiner Tagungen, die auf Initiative des Verlegers Eugen Diederichs einberufen wurden, und bei denen sich bedeutende Gelehrte, Schriftsteller und weitere Intellektuelle jener Zeit zu einem offenen Austausch über die Zukunft Deutschlands nach dem Krieg zusammenfanden. Zu den Teilnehmern dieser Tagungen, die Menschen aus den unterschiedlichsten politischen Lagern zusammenführte, gehörten beispielsweise der Soziologe Max Weber, der spätere Kommandant der Roten Garde bei der Schlacht um Dachau und expressionistische Dramatiker Ernst Toller, die Dichterin und Frauenrechtlerin Berta Lask, der Ökonom Edgar Jaffé sowie der spätere erste Bundespräsident der Bundesrepublik, Theodor Heuss.

In der Burg befand sich im Zweiten Weltkrieg eine Dienststelle des militärischen Geheimdienstes (Amt Ausland/Abwehr) im Oberkommando der Wehrmacht. Die Dienststelle war eine Forschungsstelle für Fälschung von Pässen, Herstellung von Geheimtinten, Mikrokameras usw. In der Burg Lauenstein befand sich von März bis Juni 1944 Admiral Wilhelm Canaris, von 1935 bis 1944 Chef der Abwehr, unter Hausarrest.

1962 erwarb der Freistaat Bayern die Burg und sanierte die Gesamtanlage in den Jahren 1966 bis 1976 mit hohem finanziellen Aufwand. Hierbei mussten unter anderem Teile des Mauerwerks abgetragen und erneuert, die Räume vollständig restauriert sowie Dachstuhl und Decken der einzelnen Stockwerke wiederhergestellt werden. Im Inneren der Burg ist heute ein Museum eingerichtet. Den Besuch des Museums kann ich mir allerdings schon deshalb ersparen, weil es geschlossen ist.

 

Von Lauenstein nach Stockheim

Von der Burg Lauenstein geht es dann noch weiter bergauf zum Ratzenberg, von wo man noch einmal einen wunderschönen Blick hinunter auf die Burg hat. Fährt man noch weiter hinauf auf den Ratzenberg gelangt man an die Thüringer Warte, einen etwa 27 Meter hohen Aussichtsturm. 1962 beschloss der Gemeinderat der zum damaligen Zeitpunkt noch selbstständigen Gemeinde Lauenstein die Errichtung eines Aussichtsturms auf dem Ratzenberg, um dadurch den Tourismus zu beleben. Der Turm war ein Besuchermagnet für viele, die ins Thüringer Land schauen wollten, unter anderem auch ehemalige Bewohner der thüringischen Orte der Umgebung. Zu den Besuchern zählten auch zahlreiche Politiker, so Bundespräsident Heinrich Lübke (Oktober 1964), Herbert Wehner (17. Juni 1965), Vizekanzler Erich Mende und der Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen, Heinrich Windelen (1983). Im Inneren des Turms befindet sich eine Dauerausstellung über die innerdeutsche Grenze. Auch der Turm ist aber zur Zeit geschlossen.

Am Ratzenberg geht es dann nach einigen hundert Metern wieder über die Grenze nach Thüringen. Auf den nächsten 10 Kilometern wird der Weg dann sehr beschwerlich. Es geht meistens auf sehr holprigen Waldwegen recht steil bergab und ich bin sehr froh, dass mein E-bike über ausgezeichnete hydraulische Scheibenbremsen verfügt. Ab Tettau geht es dann aber wieder auf asphaltierten Straßen und Wegen moderat bergab entlang der thüringisch-bayerischen Grenze und aus dem Frankenwald hinaus bis nach Stockheim im bayerischen Landkreis Kronach. Hier hatte ich im Rebhan´s Business  Wellness Hotel gebucht und bekomme sogar ein kostenloses upgrade für ein sehr schön großes Zimmer. Den Abend verbringe ich dann im hoteleigenen Restaurant, ziehe mich aber bald zurück, weil der Tag doch recht anstrengend war.

 

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