9. Tag (6. August 2024) – Von Chancza nach Kielce

Tagesstrecke: 52,73 Km; 480 Hm; 12,85 Km/h

Das Hotel Chancza war ordentlich und das Wetter ist heute wohlwollender gestimmt. Es bleibt trocken und wird auch wärmer. Ich fahre kurz nach 9 Uhr los und die höchste Steigung heute fängt gleich 100 Meter vom Hotel entfernt an und führt auch noch auf einer Bundesstraße. Die Steigung ist aber ohne zu schieben zu bewältigen. Nach einigen Kilometern bin ich dann auch schon in Rakow, wo ich schon gestern durchgefahren bin. Der kleine Ort mit seinen gerade mal 1.200 Einwohnern ist der letzte größere Ort vor meinem heutigen Ziel Kielce. Der Ort hat eigentlich wenig zu bieten, hat allerdings eine sehr wechselhafte und auch dramatische Geschichte

So wurde Raków wurde als neue Stadt 1569 vom Żarnówer Kastellan Jan Sienieński gegründet. Von Anfang an war es als Ort religiöser Toleranz gedacht. Die Frau des Kastellans war Sozinianerin, aus ihrem Wappen, das einen Krebs (Rako) beinhaltete, entstand der Name der Stadt und ihr Wappen. In kurzer Zeit wurde Raków zum Zentrum der sozinianischen Bewegung in Polen-Litauen, eine Bewegung, die eine Religionsauffassung postulierte, nach der nur Vernunftgründe zur Legitimation the0logischer Auffassungen dienen können.

1639 verbot der polnische Sejm im Zuge der Gegenreformation jede Art sozinianischer Tätigkeit. Alle Bewohner der Stadt wurden vertrieben, viele Gebäude zerstört, u. a. bei der Plünderung durch Kosaken und Ungarn 1657.

Ansiedlungsversuche von Katholiken scheiterten jedoch, so dass am Ende des 17. Jahrhunderts nur etwa 700 Menschen in Raków lebten.

Bei Beginn des Zweiten Weltkriegs wohnten ungefähr 1500 Juden im Ort, das war ungefähr die Hälfte der Bevölkerung. Die deutschen Besatzer ordneten 1940 ein Zwangsghetto an, seine Bewohner wurden im August 1942 in das Ghetto von Jędrzejów verlegt und im September ins Vernichtungslager Treblinka deportiert. Die hölzerne Synagoge vom Beginn des 19. Jahrhunderts wurde niedergebrannt.

Das Dorf Raków wurde 1944 infolge des Frontverlaufs beinahe völlig zerstört.

Auch heute hat Rakow nicht viel zu bieten. Es wirkt wie ein Ort, der irgendwie vergessen ist. Heute ist zwar Markttag und in sofern ein reges Treiben am Vormittag. Man hat sich wohl vor einigen Jahren auch bemüht den Ort etwas gefälliger zu gestalten. So wurde der Marktplatz neu gestaltet und ein Brunnen errichtet der aus drei Krebsen besteht, die ein Kugel umfassen. Vielleicht ist die Erde damit gemeint und die Hoffnung, dass hier die Vernunft wieder mehr Raum ergreift.

Ansonsten hat die heutige Tour vor allem Landschaft zu bieten. Es gibt viele Wälder, ein wenig Landwirtschaft und lediglich einige Straßendörfer. Die Wälder, durch die ich fahre, sind durchgehend Nadelwälder, gelegentlich Pinien, meist aber Kiefern. Wenn ich es richtig sehe ist das ganze Heiligkreuzgebirge ein Nadelwaldgebiet. So fahre ich über weite Strecken gemächlich dahin und erfreue mich an der Natur. Was mich dann doch erstaunt als ich feststelle, was für ein Ruhe diese Landschaft ausstrahlt. So etwas habe ich wirklich bisher noch selten erlebt. Es fahren auch nur wenige Autos auf den meist durchaus gut ausgebauten Straßen. Auf den etwa 30 Kilometern, von denen ich spreche, sind mir vielleicht eine Handvoll Autos begegnet. Es war sehr beruhigend dies Strecke zu fahren. Einzige wirkliche Sehenswürdigkeit ist eine auf einem Besen reitende Pfeife rauchende Hexe.

Schließlich komme ich noch durch den kleinen Ort Borków. Es liegt an einem Stausee, der seit den 1970er Jahren durch das Flüsschen Belnianka gespeist wird. Der Ort ist einer der beliebtesten Urlaubsorte der Einwohner von Kielce und Umgebung. Nun geht es die letzten 20 Kilometer nach Kielce. Auch hier geht es wieder durch Wälder und der Verkehr wird auch wieder stärker. Allerding treffe ich die meisten die mich überholen irgendwo am Waldrand wieder, wie sie Holz schlagen. Die meisten haben sinnvollerweise einen Anhänger bei sich. Ob das legal ist, kann ich nicht beurteilen, offensichtlich ist es aber üblich.

Ich muss noch einige Höhenmeter meistern, bis ich nach Kielce einfahre. Die Stadt ist die Woiwodschaftshauptstadt von Heiligkreuz und hat fast 200 Tsd. Einwohner. Dennoch strahlt sie nicht den Lärm vieler anderer Großstädte aus. Auch hier ist es ruhiger. So komme ich ohne Probleme an der für eine Großstadt wenig befahrenen Haupteinfahrtsstraße gut durch bis ich ich bereits kurz vor 14 Uhr mein Hotel Bristol erreiche, in dem ich mich für zwei Nächte eingebucht habe. Ich werde von einer freundlichen jungen Dame an der Rezeption empfangen, die sich mit mir auch gut auf Englisch unterhalten kann. Ich bekomme eine sehr schönes Einzelzimmer, mit allem, was ich brauche: Schreibtisch, Schrank und genügend Steckdosen. Das Hotel Bristol ist übrigens das älteste Hotel in Kielce und strahlt auch heute noch ein recht nobles Flair aus.

Nachdem ich mich eingerichtet habe, gehe ich erst einmal zur nahegelegenen Touristeninformation. Dort bekomme ich einen sehr guten Stadtplan mit den Hauptsehenswürdigkeiten, die auch auf deutsch beschrieben werden und eine kleine Broschüre auf deutsch, die ebenfalls die Sehenswürdigkeiten beschreibt. Danach setze ich mich erst einmal in ein nahegelegenen Lokal, stille meinen Hunger mit Nudeln mit Spinat, Thunfischstücken und einer Sauce und gönne mir dazu ganz gegen meine Art kein Bier, sondern einen Aperol Spritz und studiere dabei die Unterlagen der Touristeninformation.

Was ich mir dann schon mal angeschaut habe, erzähle ich dann morgen.

 

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