Heute habe ich mir eine Fahrradpause auferlegt. Ich fahre mit dem Bus in das etwa 30 Kilometer westlich von Vilnius gelegene Trakai. Busfahren scheint in Litauen aber auch in den anderen baltischen Staaten sehr beliebt zu sein und es ist auch sehr preiswert. Ich zahle zwei EURO. Man hat feste Plätze und neben mir sitzt eine junge litauische Studentin, die aus Kaunas kommt und in Vilnius studiert. Physikalische Therapie, wenn ich es richtig verstanden habe. Als ich sie auf Englisch anspreche, ob sie mir sagen kann, wann ich aussteigen muss, ist sie ganz begeistert, mit jemandem Englisch sprechen zu können und fängt an, mir Löcher in den Bauch zu fragen. Welche litauische Stadt ich am schönsten finde, welche deutschen Städte am schönsten sind, sie fragt mich nach meiner Reise aus usw. Leider kann mein Englisch bei weitem nicht mit dem ihren mithalten und so verstehe ich leider nur 50 Prozent dessen, was sie erzählt. Jedenfalls scheint ihre ganze Familie über Europa verstreut zu leben. Ich vermute, dass dies nicht ungewöhnlich für die baltischen Staaten überhaupt ist.

Ja, aber warum fahre ich überhaupt nach Trakai. Hier steht nämlich auf einer Insel ein weiteres wichtiges nationales Identitätssymbol der Litauer, die Wasserburg Trakai. Vom Busbahnhof geht man dann mit vielen Menschen zusammen noch etwa eine halbe Stunde bis zur Burg, die über zwei Brücken vom Festland aus erreichbar ist. Sie war in den Anfangsjahren des litauischen Fürstentums im 14. Jahrhundert insbesondere unter Gediminas die Residenz des Fürsten. So hat sie etwas von einer Ursprungsstätte nationaler Identität für die Litauer. Auch der große Vyltautas hat hier während des Konflikts mit seinem Bruder residiert und siedelte hier Tataren und Karaimen als Leibwache an. Nachfahren davon leben wohl immer noch in der Stadt.

Ihren besonderen Wert hat die Burg auch dadurch, dass sie seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts restauriert wurde in einem Stil wie man sich eben damals mittelalterliche Ritterburgen vorgestellt hat. Man muss allerdings zugeben, dass sich das Ergebnis sehr malerisch in die Landschaft einfügt und so ist die Burg Trakai auch die Haupttouristenattraktion von Lettland geworden. So ströme auch ich mit sicher Hunderten von Besuchern dahin und überlege mir schon, ob ich nicht angesichts der Messen auf einen Besuch in der Burg verzichte und mir die Burg nur von außen anschaue. Zunächst kommt mir aber die Abfahrt eines Bootes mit etwa 10 Plätzen entgegen, das eine Runde über die Seen und um die Burg fährt. Kurz entschlossen steige ich dazu und man kann vom Boot aus die Burg schön aus verschiedenen Perspektiven betrachten. Nach der Rundfahrt entschließe ich mich doch zu einem Besuch des Inneren, zumal ich in Litauen als Senior nur die Hälfte bezahlen muss. Das kann man sich doch gar nicht entgehen lassen! Im Hof der Burg ist ein Mittelaltermarkt aufgebaut, auf dem ein buntes Treiben herrscht. Ich gehe dann durch einige der Museumsräume, aber irgendwann kapituliere ich vor den Massen, die sich überall im Wege herumstehen und -laufen. Inzwischen ist es auch schon nach zwei Uhr und ich verspüre Hunger. Die nette Studentin hatte mir eine Spezialität aus Trakai empfohlen, die man Kibinai nennt. Es sind größere Mürbeteigtaschen, die mit verschiedenen Dingen wie Fleisch, Gemüse oder Käse gefüllt werden können und dann offensichtlich gebacken werden. Ich werde auch bei einer entsprechenden Gaststätte fündig und lass es mir bei drei Kibanais und einem Bier schmecken. Danach wandere ich zu Bus zurück und mache mich auf die Heimfahrt. Am Abend mache ich dann noch einen Spaziergang durch die Altstadt von Vilnius. Morgen geht es dann wieder auf das Fahrrad und Richtung Polen.

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