Wer hier in den Norden zum Fahrradfahren kommt, weiß natürlich worauf er sich einlässt. Dennoch bin ich erstaunt, wie viele es dann trotz allem sind. Vorgestern das Schweizer Ehepaar, gestern dann noch zwei Schweizer, die ich in der Unterkunft traf als sie gerade ihre Fahrräder aus den Kartons rausholten. Sie waren gerade auch mit dem Flugzeug angekommen und haben eine ähnliche Tour vor wie ich. Allerdings fahren sie auf der russischen Seite. Heute traf ich noch einen Belgier mit etwa genauso viel Gepäck wie ich. Allerdings mit einem Klapprad und 20er Reifen. Auch die beiden Schweitzer, Pirmin und George, hatten etwa genauso viel Gepäck mit wie ich und entsprechend geladen und vor der Perspektive zelten zu müssen graut ihnen genauso wie mir. Das beruhigte mich etwas, dass es anderen offensichtlich genauso geht.

Übrigens gab es in der Unterkunft Sollia Gjestegaard auch sonst einige interessante Begegnungen. So lernte ich ein Ehepaar aus Chemnitz kennen, die mit ihrem Auto die ganze Strecke von Chemnitz bis hier oben gefahren sind. Ein Mainzer war dagegen nach Bodö geflogen und hatte sich dort einen Wagen gemietet, mit dem er nun den Norden von Skandinavien erkundete. Es ist übrigens auffällig, dass der überwiegende Teil der Touristen hier aus der Schweiz oder Deutschland kommen. Bei den Schweizern ist es verständlich, weil sie die hier üblichen Preise von zu Hause gewohnt sind. Wobei Pirmin darauf meinte, er wolle eben auch mal in einem Land preiswert Urlaub machen. Deshalb fahren sie die Strecke über Russland.

Heute wollte ich dann etwa 90 Kilometer bis Svettijärvi in Finnland kommen. Finnland habe ich dann erreicht, Svettijärvi aber nicht. Es war, angesichts des Gewöhnungsprozesses an 30 kg Gepäck, heute einfach zu viel an Steigungen und auch ein ständiger heftiger Gegenwind von über 30 km/h von Westen, also aus der Richtung, in die ich heute fuhr. So kam ich über eine Durchschnittgeschwindigkeit von etwa über 10 Km/h nicht hinaus. Selbst bei Bergabfahrten wurde man durch den Gegenwind teilweise heftig ausgebremst. So brauchte ich dann schon für die 60 Kilometer über 6 Stunden reine Fahrtzeit. Als ich dann die finnische Grenze überquerte fühlte ich mich schon ziemlich kaputt und freute mich darüber, dass in einem Kilometer ein Motel avisiert wurde. Hier bekam ich denn auch ohne Probleme ein Zimmer. Das Zelten hatte ich schon zuvor aufgesteckt, weil ich mir das bei Temperaturen um die 10 Grad doch nicht antun wollte.

Über die Fahrt selbst gibt es heute wenig Interessantes zu berichten. Neben den Steigungen und dem Wind gab es auch noch einige kurze Schauer. Ansonsten ging es etwa 25 Kilometer an einem Ausläufer des Varangerfjords entlang. Hier wurden die Steigungen zwar nicht weniger aber immerhin etwas moderater. Waren es sonst oft 5 bis 7 prozentige Steigungen, waren es entlang des Varangerfjordes nur 2 bis 3 Prozent. Vor Neiden führte dann aber noch einmal eine langgezogene Steigung von 5 bis 7 Prozent über eine Bergkuppe. Neiden war früher mit dem etwa 12 Kilometer entfernten finnischen Näätämö ein Ort, der durch die 1852 erfolgte Grenzziehung zwischen Schweden-Norwegen und dem zu Russland gehörendem Großfürstentum Finnland geteilt wurde.  Diese Grenzziehung behinderte dann die grenzüberschreitende Rentierzucht und Fischerei und machte die traditionelle Wirtschaft der samischen Lokalbevölkerung teilweise unmöglich.

In Neiden befinden sich auch zwei Sehenswürdigkeiten, die ich mir dann noch kurz anschaue. Da ist zum einen die orthodoxe St. Georgs Kapelle, eine kleine, lediglich 13 qm große Holzkapelle, die bereits 1556 errichtet wurde und heute als das älteste Haus der norwegischen Finnmark gilt. Die Kapelle ist umgeben von einem skoltsamischen Friedhof, der an das als Kulturdenkmal anerkannte Skoltbyen grenzt. Skoltbyen ist der ursprüngliche Siedlungsteil von Neiden. Er diente ursprünglich im Frühling und Sommer als temporäres Siedlungsgebiet der ehemals halbnomadischen Skoltsamen. Sie gingen hier in der Gegend dem Lachsfischfang, dem Beerensammeln sowie der Ernte von Riedgras und Schachtelhalmen nach.

Eine weitere Sehenswürdigkeit ist der Skoltefossen, eine Stromschnelle im Neidenelv. Leider ging gerade als ich dort war ein etwas heftigerer Schauer runter, so dass ich nur kurz ein Foto schoss und mich dann schnell in einen Unterschlupf zurückzog. Der Neidenelv gilt als einer der lachsreichsten Flüsse Norwegens.

In Finnland ändert sich die Landschaft dann etwas. Es geht zunächst auf eine Art Hochplateau auf der es dann aber weitgehend eben zumindest bis hier nach Näätämö geht. Auch wird es hier grüner und weniger felsig und auch die Bäume wachsen etwas höher.

Da das Restaurant des Motels heute geschlossen hat, holte ich mir auf Empfehlung der fitten jungen Dame an der Rezeption, die das Motel auch im Übrigen zu managen scheint, vom Buffett des Supermarktes Rippchen und Salat. Leider gab es kurz zuvor schon im Motel, aber wie ich dann feststellen konnte, im ganzen Ort eine Haverie bei der Elektrizitätsversorgung. So musste ich meine Besorgungen imSupermarkt dann im Dunkeln durchführen, weil man nur eine etwas spärliche Notbeleuchtung hatte. Die Haverie hat auch die Wasserversorgung und die Heizung außer Betrieb gesetzt, weil die Pumpen für die Wasserversorgung keine Energie erhalten. So fällt auch der Besuch der Sauna, den ich mir vorgenommen hatte, aus. Auch meinen Bericht werde ich heute nicht veröffentlichen können, denn auch das Funknetz und das WLAN sin von der Haverie betroffen. Die Chefin des Hauses führt das übrigens auf das Gewitter von gestern zurück, dass hier auch sehr heftig gewesen sein muss und schon gestern zu einem Stromausfall geführt habe. Offensichtlich habe aber die Reparatur nicht alle Probleme erfolgreich gelöst. Aber man arbeite dran, sagt die Chefin mit einem etwas genervten Augenaufschlag. So kann ich mich, wenn auch ungewollt, schon etwas auf die Situation bei einer Übernachtung im Zelt einstellen.

Am frühen Morgen ist der Strom dann wieder da und ich kann den Beitrag doch noch zeitnah veröffentlichen.

Tagesdaten: 63,12 km; 06:04:09 Std, Fz.; 10,40 km/h; 658 Hm

2 Kommentare

  • Regina Sakowitz sagt:

    Lieber Wolfgang,
    auch ich wünsche Dir nach dem unplanmäßigen Start in Kirkenes natürlich eine optimale Weiterfahrt. Aber es ist ja alles noch mal gut gegangen. Landschaftlich sicher interessant und wunderschön, aber eben auch sehr bergig, anstrengend und wettermäßig unbeständig. Danke für die Fotos und Berichte.
    Viel Glück auf dem Weg und tolle Eindrücke in Finnland und Russland.
    Herzliche Grüße aus Chemnitz.
    Regina sakowitz

    • Wolfgang Kohl sagt:

      Liebe Regina, vielen Dank für deine guten Wünsche. Heute komme ich ja nun in eine Gegend, die dir von deiner Hurtigruten Reise im letzten Winter zwar im Dunkeln aber bekannt sein müsste. Ich werde heute Inari erreichen. Liebe Grüße nach Chemnitz sendet dir Wolfgang

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