Heute ist Karfreitag in Serbien. Das orthodoxe Osterfest findet offensichtlich 1 Woche später als bei uns statt. Merken tut man davon nicht viel. Die meisten Geschäfte sind auch heute geöffnet und der LKW-Verkehr war auch nicht weniger als sonst, zumindest nach meinem Empfinden. Ansonsten brachte der Karfreitag eine aus meiner Sicht sehr unerfreuliche Veränderung. Es regnete, war recht windig und merklich kühler geworden. Ein richtig ungemütlicher Tag zum Fahrradfahren. Über 13 Grad kamen die Temperaturen nicht mehr hinaus. Dies ließ mich auch heute wieder den offiziellen Radweg meiden und dafür, bis auf ein kleines Stück vor Stara Palanka, die ebenfalls als Donauradweg ausgewiesene Straße benutzen. Das erste Teilstück bis Kovin hatte es schon wegen des Straßenverkehrs in sich. Ich musste hier eine bei uns wahrscheinlich als Bundestraße bezeichnete Strecke nehmen. Sie führte mich zunächst über die Brücke bei Smederevo. Die Brücke ist übrigens für viele hundert Kilometer die letzte über die Donau. Meines Erachtens führt die nächste richtige Autobrücke erst bei Rousse wieder über die Donau. Das sind von Smederevo etwa 700 Kilometer bis Rousse. Hier macht sich sicher bemerkbar, dass die Donau hier Grenzfluss ist. Zunächst ab Stara Palanka zwischen Serbien und Rumänien und dann zwischen Bulgarien und Rumänien.

Ich musste unbedingt um 13 Uhr in Strara Palanka sein, weil dort eine Fährverbindung über die Donau ist und der bikeliner für April als für mich in Betracht kommende Abfahrtzeiten nur 13 Uhr und 16 Uhr nannte. Da ich aber heute bis nach Golubac kommen wollte, was noch knapp 40 Kilometer von dem Ankunftshafen Ram entfernt liegt, kam für mich nur 13 Uhr in Betracht und so musste ich mich sputen, weil es auch bis Stara Palanka fast 60 Kilometer waren. Bis Kovin war es sehr anstrengend, weil ich dauernd von schweren Lastwagen überholt wurde, die natürlich nicht wegen mir bei Gegenverkehr bremsten, sondern die Lücke zwischen mir und dem Gegenverkehr auszirkelten und mir doch recht nah auf die Pelle rückten. Dazu verursachten sie Windstöße, die mich schon fast vom Fahrrad geweht hätten. So zog ich es den auch zweimal vor, mich auf den unbefestigten Randstreifen zu flüchten, der Gott sei Dank kein Straßengraben war. Ab Kovin wechselte ich dann auf eine ruhigere Landstraße mit nur mäßigem Verkehr. Hier endete nun auch die Pusztalandschaft und es wurde hügeliger oder sagen wir besser welliger. Jedenfalls erging sich der Blick nicht mehr in unendlichen Weiten. Ansonsten war die Tour bis Stara Palanka nicht sonderlich aufregend. Man fährt durch einige Städtchen und Dörfer, die aber nichts Interessantes zu bieten hatten. Auffallend ist lediglich, der viele Müll, der hier in der Landschaft liegt. Das Umweltbewusstsein scheint in Serbien nicht sonderlich stark ausgeprägt zu sein.  Bald merkte ich dann auch, dass ich es doch ohne Probleme bis 13 Uhr zum Fähranleger schaffen würde.

Die letzten fünf Kilometer vor Stara Palanka ging es dann noch mal auf dem offiziellen Donauradweg auf dem Deich entlang des Mündungszuflusses des Donau-Theiß-Kanals. Der Weg war erwartungsgemäß sehr morastig. Es war trotz der Grasnarbe ein penetrant klebriger Lehmboden und schon nach einigen Minuten merkte ich wie die Räder am in den Schutzblechen abgesetzten Lehm schleiften. Ich fürchtete schon, dass die Räder irgendwann blockieren würden. Doch dann kam es noch schlimmer. Plötzlich gab es einen Schlag und ich trat mit der Pedale durch. Mir schwante schon Fürchterliches und als ich hinunterschaute sah ich die Bescherung. Die Fahrradkette war gerissen und das eine Ende lag nun im Morast. Natürlich hätte ich toben können, aber ich konnte noch nicht einmal jemanden in Abwesenheit dafür verantwortlich machen und beschimpfen, denn die Kette hatte ich vor etwa vier Wochen selbst aufgezogen. Sie hatte allerdings seitdem schon über 1000 Kilometer durchgehalten. Ich überlegte also, was ich tun könne und entschied dann, dass ich erst einmal die Fähre erreichen sollte. Es war nun 12:15 Uhr und ich hatte noch etwa 3,5 Kilometer. Das sollte zu schaffen sein. Also löste ich die Kette vom Ritzel und verpackte sie in einem Plastikbeutel. Dann schob ich das Fahrrad so schnell wie möglich Richtung Stara Palanka. Dabei überlegte ich dann, was ich tun könne. Ich machte mir klar, dass ich Gottlob die wesentlichen Werkzeuge wie Kettennieter und auch Ersatzteile wie Kettennieten dabei hatte. So musste ich eigentlich nur meine vor ein paar Wochen erlernten Fähigkeiten richtig anwenden. Ich erreichte den Fähranleger um 12:55 Uhr aber von einer Fähre war weit und breit nichts zu sehen. Da fiel mein Blick auf ein Schild mit den Abfahrtszeiten für April 2018, dem ich dann entnehmen konnte, dass die Abfahrtzeiten nun 11:30, 14:30 und 17:30 Uhr waren. Inzwischen regnete es wieder einmal in Strömen.

Ich fand Gott sei Dank ein Vordach an einem wohl zur Zeit nicht bewohnten Haus, wo ich mich zumindest vor dem Regen geschützt an die Arbeit machen konnte. Also packte ich mein Werkzeug aus und versuchte die Kette erst einmal neu einzulegen. Dabei verhakte sie sich leider und ich bekam sie nicht mehr frei. Schließlich musste ich sogar einen Teil der Kettenabdeckung abmontieren, was bei meinem tout terrain Fahrrad auch nicht so ganz unproblematisch ist. Dann bekam ich die Kette frei und nachdem ich erst einmal den defekten Niet entfernt hatte, klappte es dann besser. Da das entsprechende Kettenglied an der einen Seite auch ziemlich verbogen war, gehe ich davon aus, dass die Kette nicht einfach gerissen ist, sondern dass in dem aufgewirbelten Schlamm ein kleiner Stein war, der sich in der Kette festsetzte und als das Glied dann über das Ritzel gelangte dieses mit dem Stein eine Dehnungswirkung hatte, die das Kettenglied auseinander riss. Der Rest ist relativ schnell erzählt. Mit dem Kettennieter bekam ich den neuen Niet gut eingesetzt. Allerdings fehlte mir zum Schluss eine Zange, weil der Niet so auf gebaut ist, dass man zum Schluss ein Stück mit einer Zange an einer Bruchstelle abbrechen muss. Ohne das überstehende Stück abzubrechen kann man nicht fahren. Nach längerer Überlegung fiel mir ein, dass sich in meinem Werkzeug noch ein Speichenspanner befindet, der zwar nichts mit einer Zange zu tun hat, aber eine Spannungswirkung erzeugen könnte, die zum Bruch an der Bruchstelle führen könnte. Gedacht getan und siehe da, beim zweiten Versuch klappte es. Ich drehte eine vorsichtige Runde auf dem Vorplatz und die Angelegenheit hielt erst einmal. Da ich kein sonderlich großes Vertrauen in meine handwerklichen Fähigkeiten habe, blieb ich aber skeptisch. Aber nun kam die Fähre.

Auch die Fähre wäre eine Geschichte wert. Aber vielleicht zeigen ja die Bilder schon genügend. Es ist eher eine Art Pontonfloss, dass von einem uralten kann, der sich an der Seite angetaut hat sowohl angetrieben als auch gelenkt wird. Schon unter mechanischen Gesichtspunkten sicher die komplizierteste Lösung. Aber wahrscheinlich doch die preiswerteste, weil man altes, ausrangiertes Material weiter verwenden kann. So richtig wohl fühlte man sich auf ihr auf jeden Fall nicht. Da kein Auto mitfuhr, wurde ich zur Gewichtsbalance auf die andere Seite gebeten. Die Donau ist hier schon sehr breit. So dauerte die Überfahrt doch eine halbe Stunde, zumal man noch einmal zurückfuhr als eine junge hübsche Serbin sich um etwas verspätet hatte und nicht mehr auf die abfahrende Fähre drauf springen konnte. Der gegenüberliegende Fähranleger ist Ram, das durch eine für diese Gegend typische markante Festung auffällt.

Ich schob mein Fahrrad von Bord ohne in den Zwischenraum von Fähre und Fluss zu fallen und da es zunächst den Berg hinauf ging, schob ich mein Gefährt vorsichtshalber erst einmal nach oben. Ja, nun wird es bergig. Ram liegt an den Ausläufern des Balkangebirges, während man von Stara Palanka nach Rumänien auf die Ausläufer der Karpaten schaut. Oben angekommen setzte ich mich vorsichtig auf meinen Drahtesel und begann in die Pedalen zu treten. Es hörte und fühlte sich wieder an als sei nichts gewesen und ruhig und bedächtig begann ich weiter zu radeln. Es ging sogar recht zügig voran, obwohl der Straßenasphalt nicht gerade sehr eben war und die in Jahrzehnten zusammengekommenen Reparaturen einen doch ganz schön durchrüttelten. Nach zehn Kilometern freute ich mich erst einmal, dass es so lange gut gegangen war. Nach zwanzig Kilometern wurde ich zuversichtlich, dass meine Reparatur doch erfolgreich gewesen sein könnte. Zur Belohnung gönnte ich mir ein Hörnchen aus meinem gestrigen Einkauf beim Bäcker, denn seit dem Frühstück hatte ich noch nichts gegessen. Nach dreißig Kilometern war ich dann richtig stolz auf mich, dass ich das hinbekommen hatte und nach knapp vierzig Kilometern kam ich doch ziemlich erschöpft in meiner heutigen Unterkunft in Golubac an und besorgte mir als Erstes im nebenan gelegenen Markt ein Bier. Danach duschte ich meine Fahrradtaschen und ging erst einmal ins angeschlossene Restaurant essen.

Tagesdaten: 96,40 km; 7:28;31 Std. Fz; 12,89 km/h; 260 Hm

Ein Kommentar

  • Werner Hempel sagt:

    Lieber Wolfgang,
    Wir haben uns über Deine Schilderung des Starts für das Restprogramm des Donauradweges sehr gefreut, sowohl was die Wetterbedingungen angeht als auch die unkomplizierte Anreise. Am meisten schmunzeln mußten wir über die Beschreibung Deiner Unterkunft bezüglich Größe und Preis und des Abendessens und Frühstücks. Da tuen sich ja Welten auf zu deutschen Jugendherbergen sowohl in Bezug auf die Größe des Raumes als auch den Preis.
    Einen ganz großen Respekt haben wir vor Deinen zwischenzeitlich erworbenen und nun praktizierten Fähigkeiten der Fahrradreparatur. Genial, wie man offensichtlich an seinen Aufgaben wächst.
    Nichtsdestotrotz wünschen wir Dir, daß Du von weiteren Pannen größeren Ausmaßes verschont bleibst und das Wetter sich wieder verbessert.
    Herzliche Grüße und viel Spaß auf den letzten Etappen
    Doris und Werner

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