4. Tag (17. September 2020): Von Streufdorf nach Bad Königshofen

Tagesdaten: 78 Km

Schon beim Abendessen gestern Abend begann es leicht zu regnen. Heute Morgen ist es merklich kühler und der Himmel ist bedeckt. Das ändert sich allerdings im Laufe des Tages. Die Sonne setzt sich durch und die Temperaturen steigen auch wieder über 20 Grad. Da es aber deutlich unter 30 Grad bleibt wird es eher angenehmer auf dem Fahrrad. Nach dem Frühstück packe ich meine Sachen und radle zurück nach Rodach.

Von Rodach nach Streufdorf

Ich bin etwas skeptisch, ob die nirgends vermerkte Fahrradwerkstadt tatsächlich in der Lage ist, mir meinem E-bike entsprechende Bremsbelege zu montieren. Die Werkstadt im Hinterhof der Kirchgasse 10 hinter einem Keramikladen macht zwar eher den Eindruck einer Rumpelkammer, aber der Monteur hat mich schon nach wenigen Minuten fast überzeugt. Er hat die richtigen Bremsbelege schon griffbereit und merkt auch sofort, dass der Zug meiner Gangschaltung bald erneuert werden sollte. Das weiß ich zwar, dachte aber ich könne noch bis nach der Tour warten. Der Monteur ist da wohl leidenschaftslos. Um nicht wieder die Erfahrung zu machen, mühsam nach einer Fahrradwerkstadt zu suchen, gebe ich ihm aber den Auftrag auch dafür. Nach 45 Minuten soll alles erledigt sein.

Ich mache in der Zeit einen Stadtrundgang durch Rodach und schaue mir insbesondere die Johanniskirche an, deren Innenraum ein schönes Beispiel protestantischer Kirchenarchitektur ist.  Der spezifische Stil wird Ansbacher Markgrafenstil genannt. Ich kann auch bis zur obersten Empore des Langhauses hochsteigen und bin schon sehr beeindruckt von dem Kirchenraum. Nach einigen weiteren Runden durch die Altstadt gehe ich kurz vor 10 Uhr zurück in die Werkstatt und mein E-Bike steht schon startbereit. Ich zahle die geforderten 40 € und der Preis scheint mir nicht zu hoch zu sein. Ich fahre nun wieder die 10 Kilometer zurück nach Streufdorf, dem heutigen Ausgangspunkt für meine Tour. Gebucht habe ich noch kein Quartier, aber ich möchte doch bis Bad Königshofen kommen, was von Streufdorf etwa 60 Kilometer entfernt liegt. Dazwischen liegen aber einige Stationen, wo ich mich dann doch etwas genauer umschauen möchte.

 

Von Streufdorf nach Heldburg

Die heutige Tour führt durch das Grabfeld. Das Grabfeld oder der Grabfeldgau befindet sich im Grenzbereich Südthüringens und Nordbayerns. Es ist eine bis 679 Meter hohe, flachwellige bis hügelige, selten bergige Landschaft, die überwiegend aus Gesteinen wie Muschelkalk und Keuper aufgebaut wird. Der Grabfeldgau liegt im Norden der Mainfränkischen Platten zwischen der Rhön und dem Vorland des Thüringer Waldes. Im Vergleich zur Umgebung herrschen im Grabfeld günstige klimatische Verhältnisse und Bodenbedingungen vor, weshalb über weite Bereiche das Landschaftsbild durch Ackerbau geprägt wird. Mein erstes Zwischenziel ist Heldburg mit der weit ins Land ragenden Veste Heldburg. 1826 wurde die Heldburg Eigentum des Meininger Herzogshauses. Herzog Georg II. (1826 – 1914) ließ sie von 1874 bis 1898 umfassend erneuern und bewohnte sie ab Mai 1877 zeitweise mit seiner Gemahlin Helene Freifrau von Heldburg. Diese war seine dritte Gemahlin. Sie hieß vor ihrer Ehe Ellen Franz (1839–1923), war Schauspielerin, Pianistin und Ausbilderin für Schauspielerinnen und wurde erst vor der Hochzeit 1873 zur Helene Freifrau von Heldburg ernannt wurde. Seit 1868 Georgs Geliebte, verband die beiden das gemeinsame künstlerische Interesse und die Theaterarbeit. Diese morganatische Ehe rief in Adelskreisen Entrüstung hervor. Schwerpunkt der Neugestaltung im Stil des Historismus waren die Innenräume des Französischen Baus und die Freifraukemenate im Kommandantenbau. Durch neue Turmhauben verlieh der Herzog der Veste ihre charakteristische Silhouette im Sinne der Burgenromantik.

Heute beherbergt die Veste Heldburg das Deutsche Burgenmuseum. Man kann den Besuch in mehrfacher Hinsicht nur empfehlen. Das Museum umfasst 40 Räume, welche sich mit der Bedeutung und Funktion von Burgen beschäftigten. Zudem werden ihre bauliche Entwicklung und das Leben auf Burgen, sowohl in Friedens- als auch in Kriegszeiten, dargestellt. Ich verzichte allerdings auf einen Besuch, weil ich die Gegend hier recht gut kenne und schon mehrfach auch auf der Veste Heldburg war. Aber auch der Besuch von Heldburg selbst ist sehr empfehlenswert. Sehenswert ist auch die Altstadt mit ihren restaurierten Fachwerkbauten aus der Frühen Neuzeit. Sie ist von einer Stadtmauer aus dem 16. Jahrhundert umgeben. Erhalten sind neben Mauerabschnitten fünf der ehemals 14 Türme sowie das Untertor als eines von ehemals vier Stadttoren.

Von Heldburg nach Bad Colberg

Von Heldburg geht es dann weiter nach Bad Colberg. Der Weg führt zunächst über einen Waldweg durch den Heldburger Forst und über den Gerichtsberg. Vom Gerichtsberg geht es hinunter zur Gedenkstätte nach Billmuthshausen. Auch hier handelt es sich um eine Gedenkstätte für ein geschleiftes Dorf. In meiner aktiven Dienstzeit hatte ich in den Anfangsjahren öfter mit ehemaligen Einwohnern zu tun, die sich für diese Gedenkstätte sehr vehement engagierten und versuchten Spenden einzutreiben. Dass ich ihnen dabei wenig helfen konnte, haben sie eigentlich nie verstanden und so blieb es auch bei wenigen Treffen. Allerdings müssen sie von anderer Stelle doch ordentliche Spendengelder erhalten haben, denn die Gedenkstätte Billmuthshausen ich sicher eine der am aufwendigsten gestalteten Gedenkstätten dieser Art.

Von hier ist es dann nur noch ein Katzensprung bis nach Bad Colberg. Schon bevor man den kleinen Ort betritt fällt der Blick auf ein sehr modernes Gebäude. Es könnte auch ein Hotel sein, ist aber eine Reha-Klinik für deren Bau und Betrieb ich viele Jahre Verantwortung hatte, die mir gelegentlich Freude bereitete aber auch viele schlaflose Nächte bescherte. Insofern ist mir die Gegend wirklich gut bekannt und auch vertraut. In meiner beruflich aktiven Zeit war ich sicher mehrere Dutzend Male hier unten im äußersten Süden Thüringens. Der Gartenzaun der Klinik lag unmittelbar an der innerdeutschen Grenze. Da ich hier natürlich emotional berührt bin, gebe ich hier einfach die sachlich sehr ordentliche und kurze Zusammenfassung von Wikipedia zum Klinikbetrieb in Bad Colberg wieder:

„Im Jahr 1907 wurde im Rahmen einer planmäßigen Minerallagerstätten-Erkundung, die das Kaliunternehmen Glückauf Werra in Auftrag gegeben hatte, eine stark salzhaltige Thermalquelle entdeckt. Die Analyseergebnisse der aus einer Tiefe von etwa 470 Meter geförderten Sole waren mit den Werten von Wiesbaden und Karlsbad vergleichbar. Sie weckten aufgrund der Nähe zu den Residenzstädten Meiningen und Coburg Hoffnungen auf den Beginn einer Kurbadtradition. Am 26. Juli 1910 eröffnete eine neu gegründete Badegesellschaft ein Bade- und Kurhaus mit einem 11.000 Quadratmeter großen Kurpark. Der Badebetrieb endete mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Sommer 1914. Während des Kriegs wurde die Klinik als Kriegsgefangenenlager für ranghohe Offiziere genutzt.

Die politischen Veränderungen nach dem Krieg, vor allem der Anschluss des Freistaats Coburg an den Freistaat Bayern, verhinderten die erhoffte weitere Entwicklung. 1921 erwarb die Thüringische Landesversicherungsanstalt die Anlage. Sie ließ 1927 eine fluoridhaltige Natrium-Chlorid-Thermalquelle in 632 Meter Tiefe erschließen und baute die Kuranlagen bis 1930 in neubarocken Formen mit hufeisenförmigem Grundriss und einer 170 Meter langen Wandelhalle aus. Einen Sanatoriumsbetrieb mit 180 Betten gab es bis 1939. Im Zweiten Weltkrieg folgte eine Nutzung als Lazarett und Kinderheim.

Von dieser Infrastruktur zehrte die Gemeinde bis zur Wende, denn in der DDR-Zeit war Bad Colberg nur mit einer Sondererlaubnis erreichbar, da es im Sperrgebiet lag. Genutzt wurde die Kurklinik in der Zeit von 1950 bis 1990 als Sanatorium für die Angehörigen des damaligen Ministeriums des Innern der DDR. Nach dem Erbohren einer magnesiumhaltigen Calcium-Sulfat-Thermalquelle in 920 Meter Tiefe im Jahr 1974 wurden im selben Jahr eine Trinkhalle und ein Schwimmbad errichtet. 1976/1977 folgte der Bau einer Sporthalle und 1978/1979 der Bau zweier Wohnhäuser für das Personal sowie ein Einfamilienhaus für den leitenden Arzt. Ab 1984 trug das Sanatorium des Ministeriums des Innern den Namen „Dr. Kurt Fischer“.

Nach der Rückübertragung an die Landesversicherungsanstalt Thüringen im Februar 1991 veranlasste diese im Jahr 1994 Bohrungen, die in 1400 Meter Tiefe auf eine schwefelhaltige Thermalsole trafen. Damit begann der Ausbau Bad Colbergs zu einem modernen Kurort. Ein Klinikneubau mit 300 Betten und einer Terrassentherme wurde ab 1994 errichtet und am 31. Mai 1997 in Betrieb genommen. Die alten Kureinrichtungen wurden dem historischen Vorbild entsprechend saniert. 2005 pachtete die Dengg Kliniken Consult GmbH die Rehabilitationsklinik und setzte ab 2007 Gebäudeteile in Stand. 2016 übernahmen die Median Kliniken die Klinik.“

Für die im letzten Absatz genannten Ereignisse habe ich weitgehend die Verantwortung gehabt. Ich bin aber heute inkognito hier und bleibe das auch. Dennoch weckt der Besuch hier in Bad Colberg viele Erinnerungen – gute wie schlechte. Da ich mich aber recht gut auskenne schaue ich mich doch recht gezielt und natürlich nach wie vor interessiert um. Ich gelange sogar in die prachtvoll sanierte frühere Sprudelhalle, die nach wie vor in einem deftigen Jugendstil erstrahlt. Sie wird heute nur noch als Versammlungsraum bei größeren Veranstaltungen genutzt. Ohne den ca. 140 Einwohnern Bad Colbergs zu nahe treten zu wollen, kann man wohl schon sagen, das Bad Colberg sonst wenig zu bieten hat und ein ziemlich gesichtsloses Dorf ist. Insofern zieht es mich doch, nachdem Rundgang über das Klinikgelände und nachdem ich meinen Mittagsproviant bei einer die Vergangenheit reflektierenden Pause im Kurpark verzehrt habe, bald weiter.

Von Bad Colberg nach Ummerstadt

Ganz anderes gilt für das nur 2,5 Kilometer entfernte Ummerstadt. Ummerstadt ist mit 463 Einwohnern die kleinste Stadt Thüringens, die kleinste der Region Franken und die zweitkleinste in Deutschland und Ummerstadt ist ein Kleinod der frühneuzeitlichen Fachwerkarchitektur. Die Altstadt verfügt noch über ein geschlossenes Fachwerkensemble. Die gesamte historische Ortslage von Ummerstadt steht unter Denkmalschutz, daneben gibt es zahlreiche Einzeldenkmale. Besonders sehenswert sind der Marktplatz mit dem historischen Rathaus, nach einem im Sockelgeschoss befindlichen Stein soll es 1558 erbaut worden sein. Es wurde 1682 nach dem „Schwedenbrand“ erneuert. Die zuvor aus Furcht vor weiteren Stadtbränden verputzte und reich geschmückte Hausfassade wurde erst 1929 wieder freigelegt. So verwundert es auch nicht, dass Ummerstadt 2002 als vielseitige Filmkulisse für den Film „Luther“ dienen konnte.

Zur Fränkischen Saalequelle und nach Bad Königshofen

Da ich auch in Ummerstadt schon häufiger gewesen bin, verweile ich auch hier nur kurze Zeit. Dennoch strahlt die Stadt immer wieder einen Liebreiz aus, der zum Verweilen einlädt. Weiter geht es dann durch die beschaulichen Dörfer Lindenau, Gleichmuthhausen, Poppenhausen, Hellingen und Rieth. Danach geht es wieder über die Grenze nach Bayern, wo neben noch erhaltenen Grenzanlagen ein Stein 1990 von der bayerischen Gemeinde Zimmerau und der thüringischen Gemeinde Rieth errichtet wurde, der „Zur ewigen Mahnung an die Teilung unseres Deutschen Vaterlandes“ aufruft. Von Ferne sieht man hier schon den Bayernturm in Zimmerau in den Himmel ragen. Auch dies ein in den 1960er Jahren erbauter 38 Meter hoher Aussichtsturm, von dessen Aussichtsplattform man insbesondere die Grenzanlagen der DDR betrachten konnte. Inzwischen ist der Bayernturm geschlossen, weil er dringend sanierungsbedürftig ist. Die bayerische Staatsregierung hat dafür die notwendigen Mittel bereit gestellt. Der Zeitplan für die Sanierung ist allerdings noch nicht bekannt.

Von Zimmerau sind es dann nur noch wenige Kilometer bis zur Quelle der Fränkischen Saale, die ebenfalls unweit der ehemaligen Grenze kurz vor Alsleben entspringt. Davor kommt man aber noch an einem sehr markanten Kreuz direkt auf dem ehemaligen Grenzstreifen vorbei, der aus dem Material des ehemaligen Streckmetallzaunes gebildet wurde und dem Gedenken an die Toten an der Grenze gewidmet ist. Nur wenige hundert Meter weiter geht dann ein ein Weg ab. Mitten auf einem Feld aber umgeben von Bäumen und solide eingefasst und mit einigen Erläuterungstafeln versehen entspringt hier die Fränkische Saale. Sie ist ein rund 140 km langer Fluss und fließt  über Bad Königshofen, Bad Neustadt und Bad Kissingen bis nach Gemünden, wo sie in den Main mündet. Hier mache ich eine kleine Rast und träume in dieser ruhigen Landschaft ein wenig vor mich hin.

Dann geht es über Alsleben nach Eyershausen. Dort biege ich vom deutsch-deutschen Radweg ab und fahre die wenigen Kilometer nach Bad Königshofen. Hier hatte ich mich schon heute Mittag im Hotel Ebner eingebucht. Das Hotel macht einen guten Eindruck, das Zimmer ist sehr ordentlich und auf der gegenüberliegenden Straßenseite kann man in einem geschützten Biergarten ein Abendessen a la carte einnehmen. Da es aber heute kühler geworden ist, merkt man als die Sonne mit ihren wärmenden Strahlen untergegangen ist. So halte ich es nicht mehr lange aus und begebe mich bei Einbruch der Dunkelheit auf mein Zimmer.

 

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