Heute stand ein gemütlicher Tag und als Highlight der Rheinfall von Schaffhausen auf dem Programm. Aber es kam ganz anders. Nach dem Frühstück mache ich mich bereits gegen 8 Uhr auf den Weg und freue mich, über die viele Zeit, die ich meinte dadurch gewonnen habe. Eigentlich wollte ich den Bericht von gestern noch auf die Webseite einstellen. Aber irgendwie war ich wieder zu unkonzentriert und habe es irgendwie so versaut, dass ich erst einmal gar nicht mehr auf meine Administrationsseite gelangte. Sie verweigert sich einfach.
Von Waldshut fahre ich über Kadelburg, wo ich mich zum ersten Mal richtig verfahre, weil ich offensichtlich einen Wegweiser übersehen habe, nach Rheinheim und Reckingen. Und dort, nach etwa 20 Kilometern, passiert der GATZ, der größte anzunehmende technische Zwischenfall. Schon gestern hatte ich den Eindruck, dass mit der Gangschaltung etwa passiert ist. In einigen Gängen ließ sie sich nur noch schwer schalten. Und hier in Reckenheim macht es dann „knack“ und ich kann nicht mehr schalten und merke auch sehr schnell, dass der Schaltzug gerissen ist. Man fährt dann im ersten Gang, was bei der Pinion-Schaltung kurz vor Leerlauf ist.
Was tun? Zunächst gucke ich ziemlich blöd aus der Wäsche und sehe wohl auch ziemlich kurios aus als ich so im ersten Gang vor mich hin Schlangenlinien fahre, denn beim ersten Gang der Pinion ist es auf ebener Strecke schon eine Herausforderung, die Spur zu halten. Ein alter Anwohner mit seinem Rollator, an dem ich gar nicht vorbeikomme, guckt mich schon etwas sehr mitleidig an und fragt, ob alles in Ordnung mit mir sei, was ich natürlich bejahe, obwohl gar nichts mehr in Ordnung ist. Nach etwa 500 Metern außerhalb des Ortes setze ich mich erst einmal auf eine Bank und grüble, was ich nun tun könnte. Ich komme darauf, dass ja der bikeline, die Fahrradreparaturwerkstätten dokumentiert. So zieh ich bikeline zu Rate. Ich kann feststellen, dass es die nächsten Fahrradservices in Hohentengen, etwa 7 Kilometer von meinem Standort entfernt gibt. Diese rufe ich nun an. Auf mein Frage teilen sie mir beide mit, dass sie noch keine Erfahrungen mit Pinion-Schaltungen haben und mich auch nicht abholen könnten. Sollte ich aber vorbeikommen, würden sie natürlich ihr Bestes versuchen. Da stand ich nun, ich armer Tor!
Ich fahre also weiter, wobei mir die hügelige Landschaft insofern entgegenkommt, dass bei Abfahrten man sich rollen lassen kann und bei Anstiegen mit dem Getriebe den Widerstand bekommt, dass man begrenzt beschleunigen kann. So bin ich denn in etwa einer Stunde bei dem ersten Fahrradhändler und -service in Hohentengen. Herr Schneider bemüht sich sehr, nimmt auch die Schaltung auseinander, muss aber feststellen, dass er den entsprechenden Schaltzug nicht hat, weil Pinion nicht die gängigen Schaltzüge verwende. Er versucht zwar einige andere Serviceanbieter zu kontaktieren, aber die meisten sind schon in der Mittagspause. Ich hätte dann auch dort hingemusst und einen solchen Schaltzug holen. Aber ich habe doch noch nicht einmal mehr ein Fahrrad! Schließlich kristallisiert sich heraus, dass er Velowerk in Schaffhausen für das Unternehmen hält, dass hier wohl am ehesten den Schaltzug haben könnte. Herr Schneider teilt mir auch gleich mit, dass ich von dem Ort Kaiserstuhl, direkt auf der anderen Rheinseite, mit dem Zug nach Schaffhausen fahren könne. Ich schlage ihm dann vor, dass ich doch gleich mit dem Fahrrad und meinem Gepäck dorthin fahren sollte, damit man dort die Reparatur erledigen könne. Das schien Herrn Schneider einleuchtend und zu erleichtern. Er war wohl mit seinem Latein am Ende.
Der Bahnhof von Kaiserstuhl lag nur etwa einen Kilometer weit entfernt. Ich musste also runter an den Rhein und dann wieder etwa fünfzig Höhenmeter hoch bei über 10 Prozent Steigung. Trotz meiner Eingangschaltung war hier mal wieder schieben angesagt. Am Bahnhof ließ ich mich dann von einem jungen Mann in die Geheimnisse der schweizerischen Fahrscheinautomaten einweisen und nachdem ich die Preise für die Bahnfahrt nach Schaffhausen verdaut hatte, wartete ich 40 Minuten auf den Zug. In Eglisau, kennt wahrscheinlich kein Schwein, musste ich dann umsteigen und damit nichts schief gehen kann, kam der Anschlusszug nach Schaffhausen erst 50 Minuten später. Ich hatte mich inzwischen mit einem Ausdruck über Velowerk beschäftigt, den mir Herr Schneider mitgegeben hatte. Das dort über besondere Pinionkenntnisse verfügt wird, konnte ich dem Ausdruck zumindest nicht entnehmen. Außerdem brüstete man sich als Einmannbetrieb und dass man nicht jederzeit zur Verfügung stehe, wenn man keinen Termin habe. Na, das ging ja schon gut weiter. Während des Aufenthalts in Eglisau rief ich daher den Einmannunternehmer von Velowerk, Thomas Lösch, an, erzählte ihm, dass ich auf einer Europareise wäre und eine Panne gehabt hätte und man ihn mir empfohlen hätte. Ziemlich barsch kanzelte mich daraufhin mein Gegenüber ab und erklärte mir, dass er überhaupt keine Fahrradreparaturen durchführe, weil er Fahrräder baue und entwickle. Gott sei Dank wies ich dann auf mein Pinion-Problem hin und das war offensichtlich mein Türöffner, weil er dann schon etwas milder gestimmt meinte, na ja, Pinion sei schon etwas speziell und deshalb könne ich ja, wenn ich schon auf dem Weg sei, vorbeikommen.
So stand ich den gegen 15.30 Uhr vor der Firmentür von Velowerk. Empfangen wurde ich mit einem „Grützi“ und er habe im Moment noch keine Zeit, weil er etwas noch schreiben müsse. Ich fragte, ob ich denn mein Fahrrad schon reinholen dürfe und er antwortete, wenn ich das wolle, aber er müsse sich konzentrieren. Nun überlegte ich draußen vor der Tür erst einmal, ob ich hier richtig sei. Alternative wäre gewesen, mit dem Zug nach Konstanz zu fahren. Dort gibt es natürlich mehrere Fahrradwerkstätten.
Nach einigen Minuten kam ein Schweizer mit seinem Fahrrad und ging schnurstracks in den Laden hinein und verwickelte Thomas Lösch gleich in ein Gespräch. Ich wurde zunehmend galliger. Als der schweizer Kunde dann mit einem Probefahrrad herauskam bat mich auch Thomas Lösch in sein Reich hinein. Er wurde zunehmend freundlicher. Allerdings wurden wir noch mehrmals durch den Kunden unterbrochen, der offensichtlich ein neues Fahrrad für sich erwerben wollte. Erst mal wurde mir klargemacht, dass ich mir schon überlegen müsse, wenn ich solche Fahrradtouren mache wie ich ein solches Problem beispielsweise in Rumänien gelöst bekomme. Dies führte dann dazu, dass ich zunächst „verpflichtet“ wurde, mir das Pinion-Handbuch downzuloaden.
Was dann aber geschah, waren für mich zwei Lehrstunden in Fahrradtechnik, die ich so noch nie erlebt habe. Thomas Lösch legte offensichtlich Wert darauf, dass ich verstand, was er da machte, und er hat im Gegensatz zu seinen sonstigen Berufskollegen ein ausgeprägtes pädagogisches Talent. Er analysierte die Mängel des Zusammenbaus meines Fahrrads und warum letztlich der Schaltzug gerissen war, was eigentlich gar nicht vorkommen dürfe. Dabei erwies er sich schon fast als Velophilosoph (Fahrräder heißen übrigens in der Schweiz Velos) insbesondere in Detailfragen und nahm schon analytisch die Pinion-Schaltung auseinander, was er dann danach auch ganz praktisch tat. Ich habe an diesem Nachmittag wirklich sehr viel über Fahrräder gelernt und trotz meines Frusts über dieses Ereignis hat das Erlebnis mit Thomas Lösch doch einiges wettgemacht. Ich weiß nicht, ob ich es nun tatsächlich selbst hin bekäme einen gerissenen Schaltzug zu erneuern. Wahrscheinlich fehlte dazu schon einiges an Werkzeug, aber zumindest weiß ich auf welche Schritte man achten sollte, wo Fett, das teurer ist als Champagner ist, hingehört, warum es ziemlich absurd ist, dass Pinion immer noch eine Art Lüsterklemmen verwendet, um die Schaltzüge zu fixieren usw. Als ich ihm zum Schluss sagte, dass ich viel gelernt habe, meinte er etwas süffisant, er auch, nämlich warum er kein Fahrrad von tout terrain empfehlen würde. Natürlich hatte die Reparatur ihren Preis, aber ich habe mich danach noch nicht einmal schlecht gefühlt. Wir verabschieden uns herzlich. Um mich finanziell etwas zu entlasten bin ich dann ein Stück zurück nach Deutschland gefahren und habe ein Zimmer in einem Hotel in Jestetten genommen. Na ja, das wäre noch einmal eine andere Geschichte. Aber für heute reicht es erst einmal.
Tagesdaten: 40,79 km/4:00:38 Std. Fz/10,17 km/h/307 Hm aufwärts/ 249 Hm abwärts
Eigentlich wollte ich ja anbieten, dass Rotor-Fahrrad mit der Rohloff-Schaltung am Wochenende nach Baden-Württemberg mitzubringen. Das wäre für diese Reise wahrscheinlich das robustere und stabilere Reise-Gefährt. Aber ich habe es mir mit meinem Angebot doch wieder anders überlegt. Erstens wäre ich wahrscheinlich ohne Unterstützung der deutschen Bahn erst in Wochen angekommen und zweitens hätte ich Probleme beim Transport meiner doch recht vielen Reiseutensilien auf dem Fahrrad. Also lasse ich das Fahrrad im Keller und komme mit dem Auto!
Lieber Wolfgang,
einfach Pech gehabt! Der Schaltzug ist ein Teil, das immer in Gebrauch ist. Und deshalb auch mal reißen kann. Glück, dass es schon jetzt in „zivilisierter“ Umgebung passiert ist. Übrigens, ich hatte auch bei der Rohloff-Schaltung schon mal einen Riß des Schaltseiles. Das war allerdings zu Hause in Leipzig, zum Glück. So nach 20000 km Einsatz. Auf Reisen wäre auch dies nicht so einfach gewesen.
Nebenbei: Pinion hat die Schaltzugtechnik verändert. Die Schaltungen ab (Mitte?) 2015 haben jetzt veränderte Schaltzüge. Falls du dir vorsorglich einen Schaltzug mitnehmen willst, dann kann Pinion dir anhand der Schaltungs-Seriennummer sagen, welcher der richtige ist.
Ich wünsche dir, dass deine weitere Reise ohne größere Pannen verlaufen wird. Euch einen schönen Aufenthalt am Bodensee !
LG Wolfgang
Lieber Wolfgang,
natürlich wünscht man sich immer nur die schönen Erlebnisse im Leben. Dass es manchmal nicht ganz so läuft, musstest du nun leider erfahren.
Respekt, du hast es gemeistert! Was dich nicht umhaut, macht dich stärker!
In diesem Sinne weiterhin eine tolle Tour mit ganz vielen schönen Erlebnissen. Auf dass du uns weiterhin so interessant berichten kannst.
LG Evi