Es ist ein trüber aber immer noch recht warmer Tag. Nach dem Frühstück mache ich mich auf den Weg nach Rathenow. Das sind immerhin über 70 Kilometer. Da es unterwegs nicht allzu viel zu sehen gibt, geht das in Ordnung. Zunächst geht es ein Stück auf einem schönen Fahrradweg, den ich vorgestern schon bis Wustrau gefahren bin, am Ruppiner See entlang. Dann geht es Richtung Osten über Buskow und dann wieder südlich über Langen nach Fehrbellin.
In Langen mache ich einen kurzen Stopp bei der Kirche in Langen. Da die Kirche etwas erhöht steht, ist sie weithin sichtbar und ragt für eine Dorfkirche sehr stolz ins Land. Nicht umsonst gilt die Dorfkirche Langen als eine der größten Dorfkirchen Brandenburgs. 1852 vergab die Familie von Hagen den Auftrag zum Neubau der Kirche an den Berliner Architekten Friedrich August Stüler, dem wohl bekanntesten Schüler Schinkels. Die Kirche wurde „im italienisch-romanisierenden Stil“ errichtet. Leider kann ich die Kirche nicht von innen betrachten. Sie gehört nicht zu den offenen Kirchen in Brandenburg. 1972 sollte die Dorfkirche aufgrund ihres schlechten Zustandes abgerissen werden, dies verhinderte die Gemeinde Langen durch Arbeitseinsätze sowie das Sammeln von Spenden. 1997 gründete sich der Förderverein Stüler-Kirche e.V., der sich die Erhaltung und Restaurierung der Dorfkirche zum Ziel gesetzt hat. Durch dessen Initiative wurde die Kirche ab 1998 umfassend saniert. Das sieht man ihr auch an. Soweit ich das von außen beurteilen kann, macht sie einen sehr gepflegten Eindruck.
Weiter geht es nun nach Fehrbellin, was auf mich einen ziemlich tristen Eindruck macht. Obwohl mit knapp 9 Tsd. Einwohnern sicher der größte Ort in einem weiteren Umkreis, scheint hier die Zeit doch weitgehend stehen geblieben zu sein. Auch hier mache ich natürlich einen Stopp und auch hier gibt es die Stadtkirche, die nach Plänen von August Stüler aus gelbem Backstein in neugotischem Stil mit einem 41 Meter hohen Turm 1865–1866 erbaut wurde. Während die Kirche in Langen trotz ihrer Größe eher filigran wirkt, steht die Kirche von Fehrbellin doch recht monumental auf ihrem Platz. In diese Kirche komme ich auch hinein. Sie gehört zu den offenen Kirchen Brandenburgs. Im Gegensatz zu der Außengestaltung wirkt sie innen weniger monumental. Nach verschiedenen Renovierungen wurde 1998 die Innenraumfassung der Bauzeit wiederhergestellt. Die Kirche ist mit ihrer monumentalen Gestaltung eine der bedeutendsten Kirchenbauten einer märkischen Provinzstadt in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Es ist anzunehmen, dass die Beauftragung der königlichen Baumeisters Stüler und die imposante Größe der Kirche an die Bedeutung Fehrbellins für die brandenburgisch-preußische Geschichte erinnern sollte.
Daran soll wohl auch das Denkmal für den Großen Kurfürsten erinnern, das ich im Kurfürstenpark besuche. Allerdings bin ich doch etwas enttäuscht, dass der Große Kurfürst hier modemäßig ziemlich aus der Zeit gefallen ist. Das Denkmal aus dem Jahre 1902 kleidet ihn als habe er im 19. und nicht im 17 Jhdt. gelebt. Das Denkmal wurde der Stadt von Kaiser Wilhelm II. in Erinnerung an die für Preußen so bedeutende Schlacht bei Fehrbellin geschenkt.
Kurz vor Fehrbellin führt dann der Radweg auf einer alten Bahntrasse über fast 20 Kilometer bis nach Paulinenaue. Der Weg trägt den Namen „Stille Pauline“ und still wird es nach Fehrbellin auch, wobei eine Unruhe in Fehrbellin lediglich vom Autoverkehr herrührte, weil ansonsten auch schon hier nicht viel los war. Nun geht es durch das trockengelegte und weitgehend landwirtschaftlich genutzte Havelländische Luch. Es ist eine der großen Leistungen der Könige Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. das ehemals vermoorte Gebiet im Havelbogen westlich von Berlin im 18. Jahrhundert für die Landwirtschaft nutzbar gemacht zu haben. Viele Gräben und Kanäle, sogenannte Vorfluter durchziehen zur Wasserstandsregulierung die meist als Acker oder Grünland genutzten Flächen. Die wichtigsten sind der Große Havelländische Hauptkanal und der Kleine Havelländische Hauptkanal. Ansonsten gibt es auf der Strecke nach Paulinenaue recht wenig zu sehen.
Paulinenaue selbst kann man ebenfalls links liegen lassen. Es macht einen weitgehend heruntergekommenen Eindruck. Etwas besser wird es dann im folgenden Abschnitt der Tour. Hier geht es über die Dörfer Pessin, Senzke, Kriele, Kotzen und Stechow zwar weiter durch das Havelländische Luch, allerdings lockern die zum Teil hübsch restaurierten Orte die Gegend doch etwas auf, obwohl heute der Tag recht trüb ist und dadurch die Stimmung bei einer Fahrt durch das Luch auch eher getrübt wird. Hervorzuheben ist insbesondere Senzke. Das Dortige ehemalige Gutshaus ist inzwischen wieder schön saniert. Es gehört dem Komponisten und Pianisten Friedrich Höricke, der zunächst mit der mit der bekannten Sexualwissenschaftlerin Shere Hite verheiratet war und in New York lebte, aber nach der Scheidung und neuer Heirat nach Senzke – welch ein Kontrast sowohl was die Ehe als auch den Wohnort betrifft! – gezogen ist und für die Renovierung des Ortes wohl einiges getan hat.
Ab Stechow geht es dann wieder auf der alten Bahntrassen nach Rathenow. Wenn man in die Stadt einfährt, macht sie zwar keinen besonderen Eindruck, aber sie wirkt sehr modern und auch umfassend saniert. Hervorstechend ist dann nur die Kirche in der Altstadt. Hier halte ich mich aber nicht auf, sondern steuere gleich erst einmal meine Pension „Am Schwedendamm“ an, die direkt an einem der hier recht zahlreichen Havelarme liegt. Mein Zimmer begeistert mich nicht. Es ist zwar gut und neu eingerichtet, aber recht klein und weder Tisch noch Stuhl. Die muss man sich vom Balkon holen, was ich dann auch tue. Abends gehe ich dann im angeschlossenen Restaurant essen. Hier gibt es eine wunderschöne Terrasse mit Blick auf den Havelarm. Bei einem überbackenen Camenbert, übrigens einer der besten, die ich bisher gegessen habe, einem Salat mit Putenbruststreifen und einem trockenen Rotwein lasse ich den Abend ausklingen.
Tagesstrecke: 73,09 Km