Als wir unsere Ferienwohnung gegen 10 Uhr verlassen beginnt der Regen. Er wird auch heute den ganzen Tag nicht mehr aufhören. Unser Ziel ist die Cote Granite Rose. Unterwegs disponieren wir erst einmal um und fahren nicht direkt an die Granitküste, sondern zu den sogenannten Pfarrhöfen mit den sehr markanten und wohl einzigartigen Kalvarienbergen, die im westlichen Teil der Bretagne, besonders im Département Finestère, verbreitet sind. Hier zeichnen sie sich dadurch aus, dass unterhalb einer sehr unterschiedlich gestalteten Kreuzigungsszene auf einem steinernen Unterbau sehr szenische in Stein gehauene Darstellungen der Leidensgeschichte Christi präsentiert werden. Sie wurden während der bretonischen Renaissance (zwischen 1450 und dem 17 Jhd.) von Laienkünstlern der Region in eigens geschaffenen und umfriedeten Pfarrbezirken errichtet. Wir besichtigen die im Baedeker besonders hervorgehobenen Kalvarienberge in Saint-Thégonnec, dem mit diesem wetteifernden Guimiliau und dem Nachbarort Lampaul-Guimiliau. Begleitet werden wir von einer Reisegruppe estländischer Touristen, die mit ihrem Bus entweder gerade vor uns oder kurz hinter uns ankommen. Der Regen lässt uns dann nur einige Fotos machen, ein genaueres Studium der einzelnen Werke ist kaum möglich. Zu schnell vertreibt uns die Nässe ins Innere der Kirchen. Aber auch sie sind hier sehr eindrucksvoll mit ihren zahlreichen farbigen holzgeschnitzten Altären und Taufkapellen und den Figuren der lokalen Heiligen. Die Kirchen wirken hier ganz anders als die eher im Inneren schlichten und fast protestantisch anmutenden Kirchen im Osten der Bretagne, so beispielsweise in St-Michel, St-Malo und Dinan.
Nachdem wir so den Nachmittag verbracht haben, streben wir unser vorgebuchtes Quartier in Tregastel. Es ist ein sicher sehr einmaliges Quartier. Es ist Teil einer 400 Jahre alten Bauernkate, die man mit sehr einfachen Mitteln zu einer Touristenunterkunft umfunktioniert hat. Unsere Vermieter sind Helene und Thierry, die uns freundlich in Empfang genommen haben. Thierry, ein ehemaliger Pilot, spricht sehr gut deutsch und weist und gleich in den Ort und die Umgebung ein. Er hat bereits eine halbe Flasche Weißwein getrunken, was aber seiner Redelust keinen Abbruch tut. Markant ist auch etwa fünf Meter oberhalb unseres Quartiers ein etwa 10 mal 10 Meter großer rundlich geschliffener Granitblock, der auf einem anderen liegt und so ausschaut, als könnte er jederzeit zu uns herunterrollen. Wenn er in Bewegung geriete, würde er sicher das Haus und uns unter sich zermalmen. Nun hat er aber bereits über 400 Jahre sich ruhig verhalten, wie der Bestand unserer Kate erweist, wahrscheinlich sind es sogar schon Jahrmillionen. Aber, wie wir später noch sehen können, sind solche wohnstättennahen etwas unheimliche wirkenden rötlichen Granitblöcke durchaus nichts Außergewöhnliches in dieser Gegend.
Den Abend verbringen den Abend in einem netten Lokal am Hafen. Es gibt Muscheln, die ich mit Roquefortsauce und den dazu angebotenen Pommes frites bestelle. Es schmeckt ausgezeichnet. Heidrun erfreut sich an einer Tarte.