Das Wetter ist recht freundlich. Die Sonne scheint oft zwischen den Wolken hindurch und es verspricht relativ trocken zu bleiben. Nach unserem ausgiebigen Frühstück, wir haben uns an Baguette gewöhnt, dass es in sehr unterschiedlichen Arten gibt und den Franzosen ja als Grundnahrungsmittel dient, fahren wir in das knapp 30 Kilometer entfernte Cancale. Cancale ist die selbsternannte Austernhauptstadt der Bretagne. Hier werden jährlich mehrere Tausend Tonnen Austern geerntet und auch feilgeboten. So befindet sich am Ende des Hafens ein kleiner Markt mit fünf bis sechs Ständen, in denen man ein Dutzend Austern auf einem speziellen Teller mit einem Plastikmesser und einer halben Zitrone für ca. 6 bis 8 € angeboten bekommt. Da ich noch nie Austern gegessen habe, mache ich den Versuch. Heidrun lehnt ab, weil sie schon einmal Austern essen musste, dies aber offensichtlich kein Genuss für sie war.

Ich kann nicht sagen, dass die Austern mein Lieblingsgericht werden könnten, vor allem kann ich nicht ganz nachvollziehen, was so Besonderes an Austern seien sollte, um ihr die Bezeichnung „Königin der Muscheln“ zu geben. Dennoch finde ich es ganz witzig, die glibbrige fast geschmacksneutrale Masse aus den gewaltigen Muschelschalen zu schlürfen. Heidrun hält das Ganze im Bild fest und gemeinsam sind wir uns einig, dass man bei Austernschlürfen nicht gerade den intelligentesten Gesichtsausdruck hat. Das Gelände um den kleinen Markt ist übrigens inzwischen meterhoch mit Muschelschalen überzogen, weil man diese einfach an Ort und Stelle des Imbisses fallen lässt. Aufgrund der hohen Nachfrage waren übrigens Ende des 18. Jahrhunderts die natürlichen Austernbänke entlang der bretonischen Küste erschöpft. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts werden die Austern daher in Austernparks gezüchtet. Bis zur Ernte dieser gezüchteten Austern dauert es immerhin drei bis vier Jahre. Die heute in der Bretagne gezüchteten Austern sind weitgehend aus Kanada bzw. Japan importiert. An diesem Sonntag ist Cancale übrigens völlig überlaufen. Wir brauchen etwa eine dreiviertel Stunde, um überhaupt in die Stadt hinein zu kommen und einen Parkplatz zu finden. Entlang der Küstenpromenade in Cancale gibt es Dutzende Restaurants, die auch Austern feilbieten und nun um die Mittagszeit an einem Sonntag scheint es eine besondere Leidenschaft sowohl der Franzosen als auch der Touristen zu sein, sich dem Luxus der Austern hinzugeben. Die Stadt und die Lokale sind gerammelt voll.

Insofern entfliehen wir bald den Massen und fahren an den Pointe du Grouin, eine der zahlreichen Landzungen, die hier ins Meer hineinragen und von der Brandung umspült werden. Nur wenige Meter vorgelagert finden sich hier einige Inseln, die wieder zahlreichen Vogelarten als Nistplatz dienen. Auch hier ist an diesem Sonntag ein unheimlicher Auftrieb, obwohl der Pointe du Grouin, übrigens der westlichste Punkt der Smaragdküste, nicht mit dem viel eindrucksvolleren Cap Frehel mithalten kann. Wir schlendern etwa eine Stunde die Klippen entlang und brechen dann wieder auf.

Nun haben wir eigentlich nur noch eine der großen Sehenswürdigkeiten hier in der Umgebung unserer Ferienwohnung noch nicht angeschaut und das ist die schöne Mittelalterstadt Dinan. Wir fahren also die dreißig Kilometer nach Süden. In Dinan angekommen, sehen wir an den nur noch gering vorhandenen freien Parkplätzen bei einem eigentlich recht großen Angebot, dass auch hier heute viel Betrieb ist. Nachdem wir uns zunächst in einem kleinen Café mit Milchkaffee und etwas Gebäck gestärkt haben, schlendern wir durch die Stadt. Eine größere Zahl an Fachwerkhäusern, insbesondere um die Place des Merciers, sind ein besonderes Kennzeichen von Dinan. Sie haben übrigens eine völlig andere Struktur als deutsche Fachwerkhäuser. Während bei uns das das Fachwerk haltende Holzgerüst durch senkrechte, waagerechte und schräge Balken miteinander verzahnt ist, zeichnen sich die Fachwerkhäuser in der Bretagne durch überwiegend senkrechte Balken aus. Wir besichtigen dann die Kirche St-Malo, die 1490 begonnen aber erst 1865 vollendet wurde. Auffällig sind hier die Glasmalereien von 1925 mit Szenen aus der Stadtgeschichte.

Nicht entgehen lassen sollte man sich einen Besuch und Aufstieg des Uhrenturms. Von hier aus bietet sich ein wirklich eindrucksvoller und herrlicher Blick auf die Stadt. Wir waren auf jeden Fall froh, dass wir uns das gegönnt haben. Wer des Französischen mächtig ist, kann sich auch auf den unteren Etagen des Uhrenturms durch Filme und andere Erläuterungen über die interessante Stadtgeschichte von Dinan informieren lassen. Eindrucksvoll ist auch die Kirche St-Sauveur, die von außen ihre Größe zunächst gar nicht erkennen lässt. Kommt man in die Kirche hinein, ist man erst einmal von ihrer Größe aber auch von einigen nicht zusammenpassenden Architekturstilen beeindruckt. So ist die Kirche zweischiffig und es sieht so aus, als ob das dritte Seitenschiff einfach vergessen wurde. Das Mittelschiff zeichnet sich dann noch dadurch aus, dass die eine Seite gotisch und die andere romanisch ist. Der gotische Chor ist dann so hoch, dass er kaum zum Mittelschiff passt. Der barocke Hochaltar wirkt dann auch wie ein Fremdkörper für die gesamte Kirche. Es ist also eine Patchworkkirche, die Ihren Eindruck gerade durch diese Eigenschaft erhält.

Nicht entgehen lassen sollte man sich in Dinan auch nicht einen Spaziergang runter zum Hafen am Fluss Rance. Dinan liegt auf einer Anhöhe etwa 75 Meter oberhalb des hier engen Rancetals. Durch die Port du Jerzual, wohl das eindrucksvollste Stadttor der noch auf 3 Kilometern erhaltenen Stadtbefestigung, gelangt man auf einer steilen kopfsteingepflasterten Gasse, die Rue du Jerzual, hinunter an die Rance. Dieses wohl idyllischste Gässchen von Dinan ist gesäumt von blumengeschmückten Fachwerkhäusern aus dem 15. Und 16. Jahrhundert, in denen sich Glasbläser, Weber, Töpfer und Souvenirläden eingerichtet haben. Die Gasse führt direkt auf eine alte Steinbrücke über die Rance, die hier von Gaststätten und Restaurants und Hotels gesäumt wird. Eindrucksvoll ist der Blick über den Fluss aber auch auf das Viadukt was sich in schwindelnder Höhe über das Tal erstreckt.

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