Templin (15. bis 18. März 2018)

Am Donnerstagmorgen wurde ich erst einmal von Frau Winter mit einem tollen Frühstück verwöhnt, dass keine meiner Wünsche offenließ. Ich war ihr einziger Frühstücksgast, weil alle anderen Gäste Langzeitgäste und Selbstversorger sind. Neben Kaffee sowie hellen und Körnerbrötchen gab es mehrere Wurst- und Käsesorten, Marmelade, Nuss-Nougatcreme, Obst und eine aufgeschnittene Tomate und Paprika. Ich bin wunschlos glücklich. Danach ist erst einmal Wäsche waschen angesagt. Nachdem diese fertig ist und ich sie in den Trockner getan habe, mache ich mich auf den Weg, Templin zu erkunden. Frau Winter hatte mir geraten, mich zunächst in die Touristeninformation im Rathaus zu begeben, um mich dort mit Informationsmaterial zu versorgen. Die seien gut sortiert.

Dier Touristeninformation ist wirklich sehr gut bestückt und ich nehme mir einen kleinen Flyer, der einen historischen Stadtrundgang beschreibt und eine Broschüre mit Radtouren in der Uckermärkischen Seenlandschaft. So ausgestattet mach ich mich erst einmal auf den Weg durch die Stadt. Das Gesicht der Altstadt von Templin wurde insgesamt insbesondere durch den letzten großen Stadtbrand von 1735 und durch den Luftangriff vom 6. März 1944 geprägt. So sind die meisten historischen Gebäude dann in der Zeit zwischen 1735 und 1750 durch einen entsprechenden Wiederaufbau entstanden. Das gilt vor allem für das barocke Rathaus und die Maria-Magdalenen-Kirche. Durch den Bombenangriff von 1944 wurden etwa zwei Drittel der Altstadt von Templin vernichtet. Während das Rathaus und die Maria-Magdalenen-Kirche wieder saniert wurden, finden sich aber in der Altstadt nun auch zahlreiche Wohnblöcke aus den 50er und 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Sie sind aber nach der Wende recht sensibel und auch farbenfroh saniert und an den fensterlosen Seitenmauern kunstvoll mit Szenen aus dem alten Templin malerisch geschmückt worden, so dass sie sich nun ganz gut in das Stadtbild einfügen.

Hauptsehenswürdigkeit Templins ist aber sicher die alte Stadtmauer aus dem 13. Jhd., die sowohl den Stadtbränden als auch dem Bombenangriff des 2. Weltkriegs wiederstanden hat. Sie ist sicher eine der geschlossensten Anlagen dieser Art in Deutschland, ist also noch mehr oder weniger vollständig erhalten. Lediglich einige Mauerdurchbrüche durch neuere Straßen unterbrechen gelegentlich das geschlossene Bild. Markant sind auch die immer noch vorhandenen drei Stadttore, das Prenzlauer Tor mit seinem Vortor und seinem Zwinger, das Berliner Tor und das Mühlentor. Die Tore sind schöne Beispiele der norddeutschen Backsteingotik. Sehenswert sind auch der Pulverturm und der Eulenturm, der als Gefängnis diente. Praktischerweise befindet sich der Zugang in sechs Meter höhe und war ohne Leiter weder zu erreichen noch zu verlassen.

Nach dem Stadtrundgang stärke ich mich erstmal mit einem Flammkuchen in dem Café und Flammerie in der Altstadtpassage. Die Besitzerin schreibt, dass sie sich durch ein Café auf der Krämerbrücke in Erfurt habe animieren lassen, etwas Vergleichbares in Templin einzurichten. Es ist meines Erachtens gut gelungen. Danach hole ich mein Fahrrad und erkunde erstmals die Uckermark. Ich wähle aus der in der Touristeninformation erhaltenen Broschüre die Glashüttentour aus. Es ist eine etwas hügelige Tour, die sowohl durch Wälder als auch über weite Felder führt. Der Wind ist recht heftig aber meine Fahrtrichtung ist günstig, so dass ich auch häufiger Rückenwind habe.

Highlights dieser Tour sind das Kirchlein im Grünen in Alt Placht und das Glashüttendorf Annenwalde, das sogar eine Kirche nach Plänen einer ähnlichen Kirche von Schinkel, die in den Jahren zwischen 1833 und 1835 errichtet wurde, aufwarten kann. Das Kirchlein im Grünen ist tatsächlich ein Kleinod der Uckermark. Das Kirchlein wurde um 1700 als Kapelle des Guts Alt Placht in Fachwerkbauweise errichtet. Der Baustil soll nordfranzösischen Fachwerkbauten entsprechen und wird deshalb in die Region eingewanderten Hugenotten zugeschrieben. Etwa ab 1970 verschlechterte sich der Bauzustand der Kirche erheblich. Das Gebäude verfiel und wurde auch mutwillig zerstört. Nach der Wende wurde 1990 ein Förderverein gegründet, um die Kirche vor dem Verfall zu bewahren. Langjähriger Vorsitzender des Fördervereins war von 1997 bis zu seinem Tod 2011 der Pfarrer Horst Kasner, der Vater von Angela Merkel. Mit Hilfe der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, einer AB-Maßnahme und vieler freiwilliger Helfer gelang es bis 1997 die Kirche wieder zu restaurieren. Leider ist auch diese Kirche, über deren ebenfalls ansehnliches Inneres man sich bei Wikipedia erfreuen kann, wie die meisten protestantischen Kirchen verschlossen. Zurück in Templin beschließe ich den Abend in einer gemütlichen Gaststätte mit dem Namen „Grünling“.

Am Freitag kündigt sich dann ein Wetterwechsel an. Es wird zwar immer kälter, aber es wird auch im heller und die Wolkendecke lockert auf. Am Nachmittag will Heidrun dann anreisen. Ich mache mir etwas Sorgen, ob sie rechtzeitig aus Leipzig wegkommt, denn für Mitteldeutschland sind zum Teil heftige Schneefälle angesagt. Vormittags mache ich noch eine Radtour um den Lübbesee. Nichts Aufregendes aber schön zu fahren. Aus heutiger Sicht kurios ist die Siedlung Postheim, die 1908 als Feriensiedlung „erholungsbedürftiger Berliner Postunterbeamter“ errichtet wurde. Heute ist sie nun eine recht adrette Wohnsiedlung. Zum Schluss passiere ich kurz vor Templin noch das etwas heruntergekommene Bauensemble des Joachimsthaler Gymnasiums, das eine 1607 in Joachimsthal gegründete Fürstenschulen für „begabte Knaben“ war und sich seit 1636 in Berlin und ab 1912 in Templin befand. Das Gymnasium in Templin wurde 1956 geschlossen und das Gebäude bis 1996 anderweitig genutzt. Seitdem steht es leer und verfällt leider zunehmend.

Gegen Mittag hole ich meine Sachen aus der Radlerherberge, habe das Zimmer aber noch einmal von Sonntag auf Montag gemietet, weil ich erst am Montag zurückfahren möchte. Für unser Wochenende haben wir dagegen in der Stadtsee-Pension Schade gebucht. Ich fahre also hin und checke ein. Wir haben ein sehr ordentliches Zimmer und vom Frühstücksraum und vom Garten aus hat man einen sehr schönen Blick auf den Stadtsee von Templin.

Heidrun kommt schon gegen 15:30 Uhr. Sie ist gut aus Leipzig weg- und auch trotz des Berliner Rings am Freitagnachmittag gut durchgekommen. Das war übrigens nicht so selbstverständlich, denn nachmittags versank Leipzig förmlich im Schnee, was dazu führte, dass der gesamte Bahnverkehr von und nach Leipzig eingestellt werden musste und viele Gäste der gerade stattfindenden Leipziger Buchmesse das Nachsehen hatten.

Am Nachmittag machen wir dann einen Spaziergang durch Templin, wandern einmal entlang der Stadtmauer um die Stadt und kehren abends im Shanty, einem vorwiegend Fisch anbietenden Lokal ein. Am Samstag ist dann unser Ayurveda-Erlebnistag in der Naturtherme Templin, den wir sehr genossen haben. Das Wetter hat inzwischen gewechselt. Es ist zwar nach wie vor kalt, aber herrlichster Sonnenschein. Nach der Rückkehr in unsere Pension walken wir daher noch ca. 10 Kilometer um den Stadtsee von Templin. Hungrig erreichen wir wieder die Stadt und kehren beim Grünling ein.

Am Sonntag muss Heidrun nun leider schon wieder zurück nach Leipzig. Da sie aber bis Mittag noch Zeit hat, machen wir noch eine Fahrt mit dem Auto nach Boitzenburg. Dort ist insbesondere das Schloss sehenswert. Es gilt nach Sanssouci als das größte Schloss in Brandenburg. Das Schloss war über Jahrhunderte Stammsitz der Familie von Arnim. Es beherbergt heute nach der Sanierung ein Kinder- und Jugendhotel. Die Sanierung steht auch für den größten Fördermittelskandal des Landes Brandenburg. Der Investor erhielt 23 Mio. Euro Fördermittel von der Investitionsbank des Landes Brandenburg und sollte den gleichen Betrag noch einmal selbst investieren. Von der Arbeitsagentur Eberswalde und der Landesagentur für Struktur und Arbeit flossen ebenfalls noch einmal 10-12 Mio. Euro. Nachdem das Unternehmen des Investors Insolvenz anmelden musste, stellte der Insolvenzverwalter fest, dass insgesamt nur 18,5 Mio. Euro in die Sanierung des Schlosses geflossen waren. Der Investor hatte daher nicht nur kein Eigenkapital aufgewendet, sondern Fördermittel in Höhe von 14-17 Mio. Euro abgezweigt. So geht es halt manchmal, wenn die Verwendung von Fördermitteln nicht ausreichend kontrolliert wird. Dennoch ist das Schloss sehenswert. Leider scheint die Sanierung des Landschaftsparks rund um das Schloss wegen der abgezweigten Fördermittel nicht so recht vorangekommen zu sein. So verunziert noch ein alter Plattenbau und andere nicht gerade stilgerechte Garagen und Hütten aus DDR-Zeiten das Gelände des Parks.

Einen Besuch lohnt auch der zum Schlossensemble gehörende Marstall. Neben Veranstaltungs- und Gastronomieräumen sind Schaumanufakturen für Schokolade, Eis, Torten, eine Kaffeerösterei und eine Brauerei dort untergebracht. Der Kaffee und der selbstgebackene Kuchen sind sehr empfehlenswert. Wir haben es auf jeden Fall sehr genossen. Anschließend machen wir noch einen Spaziergang in die nahe gelegene Klosterruine des ehemaligen Zisterzienserkloster Boitzenburg. Das Kloster aus dem 13 Jahrhundert ist zeitgleich mit dem Kloster Chorin errichtet worden, wurde aber im Dreißigjährigen Krieg zerstört und hat seitdem nur noch als Ruine überdauert. Die Klosterruine liegt etwa verwunschen in einem Auenwald hinter einer alten Mühle, die heute ein Mühlenmuseum beherbergt.

Zurück in Templin macht sich Heidrun auf den Weg zurück nach Leipzig und kommt auch nach etwa drei Stunden wohlbehalten wieder zu Hause an. Ich nutze das schöne Wetter um nach Lychen zu radeln, wo einst in Hohenlychen eine bedeutende Heilstätte war, die in der NS-Zeit dann vor allem von Nazi-Größen und hohen ausländischen Gästen genutzt wurde. Die Anlage wurde Anfang des 20. Jahrhunderts in der damals für solche Anlagen typischen Architektur errichtet wurde. Die einstmals riesige Anlage sieht nach wie vor sehr heruntergekommen aus, obwohl schon einige Häuser wieder restauriert wurden und für Wohnzwecke genutzt werden. Auf dem Rückweg mache ich noch einen Abstecher zum Waldhof, wo ab den 1950er Jahren ein evangelisches Pastoralkolleg eingerichtet wurde, was Horst Kasner, der Vater von Angela Merkl, geleitet hat. Hier verbrachte Angela Merkel also ihre Kindheit und Jugend. Seit den 1970er Jahren wurde hier auch von der Stephanus Stiftung die Fürsorge für geistig behinderte Menschen eingerichtet und erweitert. Heute ist es eine große Anlage mit einer Mischung aus modernen und älteren Gebäuden.

Zurück in Templin lasse ich den Abend noch einmal im Grünling ausklingen, weil mir die Speisekarte dort sehr zugesagt hat. Morgen beginnt dann die Rückfahrt nach Leipzig.

Stadtrundgang durch Templin

Die Glashüttentour

Um den Lübbesee

 

Abend in Templin

… und am Morgen

 

Fahrt nach Boitzenburg

Mit dem Fahrrad nach Lychen und Abschied von Templin

 

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