Warum den in die Ferne schweifen, …

Die Wetterprognosen lassen nun auch einen recht trockenen, freundlichen und milden November erwarten. Eine wichtige Voraussetzung, um noch einmal das Fahrrad für eine längere Tour zu besteigen. Schon lange will ich mir mal die Zeit nehmen, die „Straße der Romanik“ durch Sachsen-Anhalt zu fahren. Es ist kein ausgewiesener Radweg, aber man kann sie sicher auch mit dem Fahrrad bewältigen. Wie eine Acht schlängelt sich die „Straße der Romanik“ seit ihrer Eröffnung durch den damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, der wohl auch ein spiritus rector dieser Idee gewesen sein soll, durch Sachsen-Anhalt. Die Acht enthält eine Nordroute und eine Südroute, die sich im geografischen und politischem Zentrum Magdeburg treffen.

Sieht man vom Rheinland ab, ist Sachsen-Anhalt sicher die Region mit dem größten Reichtum an romanischen Bauwerken in Deutschland. Dies ist vor allem auf die Herrschaft der Ottonen zurückzuführen, die im 10. und 11. Jahrhundert römisch-deutsche Könige und Kaiser des Heiligen römischen Reiches waren. So war der beliebteste Aufenthaltsort Heinrichs I. Quedlinburg während es seinen Sohn Otto I. schon bald nach Magdeburg zog. So gründete Otto I. 968 auch das Erzbistum Magdeburg und Magdeburg entwickelte sich unter seiner Herrschaft zum neuen kirchlichen und weltlichen Zentrum des Reiches. Von hier aus setzte man die oft blutige Christianisierung fort. Dabei spielten die Mönchsorden und deren Klöster die bedeutendste Rolle. Neben den Klöstern mussten natürlich möglichst repräsentative Kirchen, aber auch Burgen und Kaiserpfalzen errichtet werden.

Der Begriff der Romanik für den damaligen Baustil ist erst im 19 Jahrhundert in der Kunstgeschichte eingeführt worden. Der Baustil an sich entwickelte sich auch aus Erfahrungswissen hin zu Fachwissen und dem Prinzip von Versuch und Irrtum. In den Klöstern entstanden Werkstätten, in denen eine meist zu kleine Anzahl Bauhandwerker mit Fachwissen und Erfahrung tätig war. Die eigentlichen Baumeister stammten fast ausschließlich aus hohen Klerus-Kreisen. Auf zahlreichen Reisen nach Italien und Byzanz eigneten sich diese Kirchengelehrten das nötige Wissen an, und so gelangten Elemente der weiterentwickelten südeuropäischen Baustile auch ins heutige Sachsen-Anhalt.

Während die Maurer und Steinmetze der Klöster die anspruchsvolleren Arbeiten beim Kirchenbau verrichteten, mussten sich die leibeigenen Bauern unter Aufsicht der Mönche bei groben Erd- und Transportarbeiten schinden. Verständlich, dass diese Arbeiter wenig motiviert waren und wurden sicher auch nicht bestärkt in dem ihnen aufgezwungenen Glauben. Immer wieder kam es, vor allem in der Frühromanik, zu folgenschweren Fehlern bei der Umsetzung der Baupläne. Aus Angst vor Unfällen und Einstürzen, die nicht selten vorkamen, baute man damals mangels statistischer Kenntnisse auch häufig viel zu dicke Mauern. Gegen Ende des 11. Jahrhunderts gründeten sich dann etliche Bauhütten, in denen sich freie Bauhandwerker zusammenschlossen, um sich für Lohn ihre Arbeit aussuchen zu können. Auf diese Weise stieg die Qualität der Kirchenbauten, zugleich auch deren Anzahl.

Zeitlich reicht die Romanik etwa von 950 bis 1250. In der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts trieb Kaiser Otto I. die unter Heinrich I. begonnene Bautätigkeit weiter voran. Der Baustil der Romanik bezeichnet den unter germanischen und orientalischen Einflüssen weiterentwickelten altchristlichen „römischen“ Stil. In diesem Stil entstanden unzählige Burgen und Sakralbauten. In erster Linie erwuchsen diese aus  unbearbeiteten Naturstein später oft auch aus Backstein. Starke, ungegliederte Mauerflächen, die lediglich von kleinen Rundbogenfenstern durchbrochen waren, prägten zunächst die architektonische Landschaft. Nach und nach verfeinerten sich jedoch die Formen. Gliederungsformen wie Lisenen (hervortretende Mauerstreifen), Wandnischen und Rundbogenfriese trugen zur Gestaltung der wuchtigen Bauten bei. Ihr Erscheinungtsbild prägten nicht zuletzt wuchtige Türme sowie massive Säulen und Pfeiler. Etwa in der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts wich dann zunehmends die flache, leicht brennbare Holzdecke der gewölbten Steindecke. Aus der Durchdringung zweier Tonnengewölbe entstand schließlich das Kreuzgewölbe.

Soweit eine kurze historische und architektonische Einführung auf meine Tour. Ich habe sie weitgehend dem inzwischen in 11. Auflage vorliegenden sehr schönen offiziellen Kunstreiseführer „Auf der Straße der Romanik durch Sachsen-Anhalt“ entnommen, der mich auf meiner Tour begleiten wird.

 

Ein Kommentar

  • Regina Sakowitz sagt:

    Lieber Wolfgang,
    eine interessante Tour, die Du wieder ausgesucht hast. Viele tolle Erlebnisse, vor allem noch schöne sonnige Tage und weiterhin gutes Gelingen.
    Herzliche Grüße heute aus Bamberg.

    Regina

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