Nach einem ausgezeichneten Frühstück im Schlosshotel Kirchberg an der Jagst mache ich mich auf den Weg. Heute steht kein Besichtigungsprogramm an. Ich habe mir vorgenommen, wieder Kilometer zu machen. Zu meinem Erstaunen fahre ich heute überhaupt nicht durch die Schwäbische Alb, die doch noch erheblich weiter südlich liegt, sondern nach der Hohenloher und der Haller Ebene geht es durch die Schwäbisch-Fränkischen Waldberge und schließlich will ich über den Schurwald bis nach Plochingen am Neckar kommen.

Umgewöhnen musste ich mich hier in Baden-Württemberg etwas bei der Radwegeausweisung. Zwar sind die Radstrecken gut markiert, aber man findet doch weniger ausgewiesene Radwege. So finden sich zwar viele kleine und gut ausgebaute asphaltierte Wege entlang größerer Straßen, allerdings sind diese als Landwirtschaftswege und nicht als Radwege ausgewiesen. Manchmal steht lediglich ein Schild, das Radfahren erlaubt ist. Insgesamt scheint es mir aber nicht verboten zu sein, diese Wege grundsätzlich auch als Radfahrer zu nutzen. Nur hat man dabei gelegentlich das Problem, dass der Weg einen von der geplanten Wegstrecke abbringt, weil er in irgendein Dorf abbiegt und man dann einen Umweg fahren muss, um wieder auf die geplante Strecke zurückzukommen.

Auch wenn es zunehmend bergiger wird, sind die größten Herausforderungen die Flusstäler von Bühler, Kocher und Rems. Hier geht es dann immer 150-250 Meter ins Tal hinab und danach wieder die steilen Berge hinauf.  Auch wenn ich meistens vor solchen Touren und Herausforderungen gewisse Ängste verspüre, ob ich ihnen überhaupt gewachsen bin, geht es dann meistens verblüffend gut. So auch heute. Die größte Herausforderung war dabei von Höhenprofil her gesehen am Ende des Tages die Fahrt vom Remstal über den Schurwald ins Neckartal nach Plochingen. In der Praxis erwies sich diese Strecke jedoch am unproblematischsten. Man hat konstant 5-6 % Steigung, über weite Strecken einen hervorragend ausgebauten begleitenden Radweg und schließlich eine wenn auch steile aber doch recht angenehme Abfahrt. Viel problematischer war die Fahrt von Gaildorf an der Kocher wieder hinauf auf die Höhen der Waldberge.  Hier ging es ohne Radweg entlang der Bundesstraße 298 und auf Ausweichstrecken hatte ich zum Teil 18 % Steigung zu überwinden. Hier musste ich dann natürlich schieben und das ist bei einem 16 Kilo Fahrrad und etwa 20 Kilo Gepäck auch nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig. Sehr unangenehm waren bei dem beginnenden schönen Wetter auch die Motorradfahrer gerade auf den steilen Bergstraßen. Sie legen sich sich mit mindesten 45 Grad in die Kurven und bleiben dabei mit ihrem Knie vielleicht gerade einmal 5 cm über der Straßenfläche. Wenn sie dann mit großer Geschwindigkeit einem entgegen kommen, löst das bei mir schon gewisse Panikattacken aus.

Auf der Abfahrt ins Neckartal wurde es dann immer frühlingshafter.  Die Temperaturen steigen gefühlt auf über 20 Grad. Die Magnolien verblühen bereits und ich sah in diesem Jahr zum ersten Mal voll erblühte Rapsfelder. Für mich sind die blühenden Rapsfelder eine der schönsten Zeiten im ganzen Jahr. Ich liebe dieses Gelb, es erinnert mich an die Gemälde von Vincent van Gogh, obwohl es zu seiner Zeit Sonnenblumen waren, die er malte.

In Plochingen bin ich in einem kleinen Hotel unweit des Marktes abgestiegen. Mein Abendessen nehme im „Grünen Baum“ ein, ein Lokal mit regionalen Gerichten. Was liegt also näher als hier Maultaschen zu essen, die hier übrigens auch Herrgottsbscheisserle heißen, weil sie wohl ebenso wie die Fischotter dazu dienten, das Fleischverbot während der Fastenzeit zu umgehen. Ich nehme gebratene Maultaschen mit Speck und Zwiebeln und dazu Kartoffelsalat. Zum Abschluss leiste ich mir noch ein kleines Cappuccino-Eis und einen Espresso. Nach diesem doch recht anstrengenden Tag meinte ich mir das durch aus verdient zu haben.

Nach den über 200 km in den letzten beiden Tagen, fehlen mir nun bis Mössingen nur noch etwa 50 km. Ich werde mich morgen etwas belohnen und nicht die direkte Strecke, sondern gemütlicher den Neckar-Radweg bis Tübingen fahren. Das sind zwar 8 km mehr aber einiges an Steigungen weniger.

Tagesdaten: 89,01 Km; 07:29:35 Std.Fz.; 11,87 Km/h; 1217 Hm

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