Tagesstrecke: 44,6 Km; 12,0 Km/h; 290 Hm
Nun liegen sieben Fahrradtage vor mir. Heute geht es weiter nach Rambouillet. Ich habe wieder sehr gut geschlafen und schon früh gefrühstückt. Das lässt mir noch Zeit, an meinem Reisebericht zu arbeiten. Überarbeiten muss ich das Ganze ohnehin noch mal, wenn ich wieder zu Hause bin. Das Wetter ist schlechter als prognostiziert. Am Morgen regnet es noch einmal ordentlich, ab dem späten Vormittag bleibt es dann trocken, aber meistens bedecken dicke Quellwolken den Himmel.
Ich mache mich um kurz nach 9 Uhr auf den Weg. Die Strecke ist auch nicht zu lang und es scheinen auch keine besonderen Herausforderungen anzustehen. Vom Profil her habe ich den Eindruck das ich auf einer relativ flachen Hochebene fahre die von zwei Tälern unterbrochen ist, in denen es ca. 800 Meter runter und wieder rauf geht. Einmal auch recht steil. Ich fahre die meiste Zeit durch den Regionalen Naturpark Haute Vallee de Chevreuse. Es ist keine Metropolregion mehr, sondern eher eine Wald- und Felderlandschaft, die von Kleinstädten und noch mehr von Dörfern ergänzt wird. Auch findet man zahlreiche Kirchen, Abteien, Schlösser und Herrensitze.
Erster herausragender Blick ist dann bei Chevreuse das auf einem Berghang ins Land ragende Schloss de la Madeleine. Auf den ersten Blick sieht es eher wie eine gut erhaltene Burgruine aus, ist aber doch heute vor allem der Sitz der Naturparkverwaltung. Die Burg oder das Schloss hat wohl ihr heutiges Aussehen im 14. Jhdt. erhalten.
Bei der Fahrt durch die Orte fallen auch die Kirchengebäude ins Auge. Hier wurde viel mit Feldsteinen bzw. unbehauenen Steinen Gebaut. Das gilt nicht nur für die Kirchen, sondern auch für viele andere ältere Gebäude.
Einen Abstecher hatte ich zum Chateau de Breteuil (bei Choisel) geplant, dass im 16. Jahrhundert erbaut und im 19./20. Jahrhundert restauriert wurde. Das Schloss liegt im Vallée de Chevreuse. Die Familie des Marquis de Breteuil stellte den Königen von Frankreich drei Minister. Das Schloss befindet sich noch heute im Besitz der Familie de Breteuil. Am 12. März 1881 organisierte der Marquis Henri de Breteuil im Schloss ein geheimes Treffen mit dem Prinzen von Wales, dem späteren König Edward VII., und Léon Gambetta, dem damaligen Präsidenten der französischen Abgeordnetenkammer. Dies soll der Beginn der sogenannten Entente Cordiale (französisch für herzliches Einverständnis) gewesen sein. Daraus wurde ein am 8. April 1904 zwischen dem Vereinigten Königreich und Frankreich geschlossenes Abkommen. Ziel des Abkommens war eine Lösung des Interessenkonflikts beider Länder in den Kolonien Afrikas („Wettlauf um Afrika“). 1907 entwickelte sich die Entente cordiale durch Beitritt Russlands zur Triple Entente, die eine der Kriegsparteien im Ersten Weltkrieg verkörperte.
Leider hat mir meine Navigationssoftware zum Chateau de Breteuil einen Abkürzungsvorschlag gemacht, den ich wider besseres Wissen ungeprüft angenommen habe und dann auf einem matschigen Waldweg landete und schließlich mein Fahrrad auf solch einem Weg dann noch etwa 400 Meter bei einer Steigung von über 10 Prozent den Berg hochschieben musste. Das hat dann die Durchschnittsgeschwindigkeit wieder etwas reduziert. Am Chateau legte ich eine Mittagspause ein. Heute gab es nur zwei kleine Schoko-Cookies ud einen Nuss Früchte Mix. Eine nähere Besichtigung des Schlosses hatte ich ohnehin nicht vor. Was auffällt ist die Größe der hiesigen Schlossanlagen. So bin ich schon vom Tal hinauf einige Kilometer an einer Steinmauer, die mitten durch den Wald lief, entlanggefahren und die sich nachher als Grenze des Schlossparks erwies.
Vom Schloss aus war der Weg nach Rambouillet nicht mehr sehr anspruchsvoll, aber auch nicht sonderlich spannend es ging die restlichen 20 Kilometer überwiegend auf straßenbegleitenden Radwegen entlang und die letzten 5 Kilometer aber dann noch einmal durch den Forst von Rambouillet. Die Strecke ließ sich sehr schön fahren, weil sie weitgehend asphaltiert war.
Mein heutiges Quartier die Villa Rambouillet ist weniger eine Villa, sondern ein ziemlich hübsches auch nicht mehr ganz neues Hotel, mit dem ich sehr zufrieden bin, zumal sich der Preis im Rahmen meines Budgets hält. Zunächst war ich mit Reinigungsarbeiten an meinen Schuhen und an meinem Fahrrad beschäftigt. Zum Glück gab es vor dem Haus einen Wasseranschluss mit Schlauch, den ich nutzen durfte. Dann machte ich mich noch einmal auf den Weg, um mir das Schloss Rambouillet anzuschauen.
Das Schloss Rambouillet wurde es im Jahr 1368 von einem Jean Bernier erbaut. Am 31. März 1547 starb König Franz I. im Schloss als er gerade damit beschäftigt war, eine erneute Invasion der Niederlande und Spaniens vorzubereiten. Ludwig XVI. von Frankreich erwarb das Schloss im Jahr 1783 als Privatresidenz. In seiner Zeit als Kaiser von Frankreich hat sich dann Napoleon das Schloss als Rückzugsort herrichten lassen. Er soll sich dort tatsächlich 60 mal aufgehalten haben. Angesichts seiner rastlosen kriegerischen Tätigkeit ist das schon eine beachtliche Zahl. Von 1896 bis 2009 war es dann die Sommerresidenz der französischen Präsidenten. 1940 bis 1944 waren Soldaten der Wehrmacht im Schloss stationiert. Mit seinem Namen sind heute einige wichtige Konferenzen verbunden: im Juli 1960 legten Charles de Gaulle und Konrad Adenauer das Ziel für einen Deutsch-Französischen Vertrag fest. Der darauf zurückgehende Élysée-Vertrag trat 1963 in Kraft. Er wird umgangssprachlich noch heute deutsch-französischer Freundschaftsvertrag genannt und hat wohl recht erfolgreich die Grundlage geschaffen, auf der die sogenannte Erbfeindschaft zwischen beiden Ländern beendet worden ist. 1975 tagte der erste G6-Gipfel und 1999 begannen hier mit dem Vertragsentwurf von Rambouillet erfolglose Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien des Kosovokriegs. Natürlich fanden sich hier auch zahlreiche Staatsoberhäupter zum Besuch bei den jeweiligen französischen Präsidenten ein. Seit 2009 wird das Schloss vom Centre des monuments nationaux verwaltet und kann besichtigt werden. Auf die Besichtigung habe ich verzichtet.
Ich drehe hier einen Runde um das Schloss und den Park, von dessen Größe ich wieder beeindruckt bin, der aber nach Versailles natürlich nichts Besonderes mehr aufzuweisen hat.