Heute also Ruhetag. Ich fühle mich auch etwas erschlagen, hab aber nicht den Eindruck, dass es von der Radtour kommt. Das Frühstück ist sehr freundlich angerichtet. Es gibt Orangensaft, Kaffee, eine Art Omelett, dessen Name ich allerdings nicht verstanden habe, Brot, Marmelade und einige Scheiben Wurst sowie eine Schüssel mit Tomaten und Gurken. Obst scheint hier in Serbien zum Frühstück nicht so üblich zu sein.

Nach dem Frühstück schreibe ich noch meinen Bericht von gestern zu Ende und um 10 Uhr gehen Bojan und ich in die Stadt. Es ist mal interessant zu sehen, welche Preise es hier gibt. Die Sonnencreme von Nivea, die ich mir als Erstes kaufe, ist mit 11 € so teuer wie eine Übernachtung. Der USB-Hub kostet etwa die Hälfte. Es sind die Preise, die man bei uns auch bezahlen müsste. Für Serben sind das natürlich schon sehr hohe Preise. Eine passende Fahrradkette bekomme ich wie ich leider schon befürchtet habe nicht. Es gibt zwar Fahrradketten aber eben nicht für mein Fahrrad. Es ist übrigens nicht der Fahrradladen, wo wir nachfragen, sondern ein Eisenwarenladen. Der Fahrradladen ist dann ein besonderes Erlebnis. Hier repariert bzw. bastelt der Inhaber mit einfachsten Mitteln Fahrräder zusammen bzw. setzt sie intakt. Etwas Neues gibt es hier nicht. Die Werkstatt sieht aus wie ein Lager alter ausgeschlachteter Fahrräder. Hier hätte ich wahrscheinlich nur eine uralte Kette bekommen und mit Sicherheit nicht die passende für mein Fahrrad. Ich wollte eigentlich auch nur eine Schraube ausgewechselt haben, an der Vorrichtung, die verhindern soll, dass das Vorderrad zu stark einschlägt. Sie drehte inzwischen durch und hielt das Teil nicht mehr fest genug. Nichts Wichtiges also aber praktisch.

Mein Fahrrad machte erst einmal ungeheuren Eindruck bei dem Ladeninhaber, denn eine Pinionschaltung hatte er noch nie gesehen. Auch die übrigen Kunden ließen sich von der Faszination anstecken und ich hatte Mühe ihnen zu erläutern, dass dies kein EBike sei. Die defekte Schraube war natürlich nicht vorrätig und so fuhr der Fahrradmechaniker erst einmal mit seinem Fahrrad zum Eisenwarenladen, um zu schauen, ob er eine solche Schraube bekäme. Ich sollte derweil auf den Laden aufpassen. Letzteres war natürlich insofern schwierig als die nun plötzlich in größerer Anzahl eintreffenden Kunden mit meinen Erläuterungen, dass der Chef gleich wiederkäme, wenig anfangen konnten. Erleichtert war ich dann als ein jüngerer Serbe mich auf Deutsch ansprach und, nachdem ich ihm die Situation erläutert hatte, es mir abnahm den eintreffenden Kunden die Situation zu erklären. Er war in Frankfurt am Main aufgewachsen bei seinen Eltern und bereute es inzwischen sehr, dass er hier nach Negotin zurückgekehrt sei. Nun sei er arbeitslos und habe auch keine Aussicht, einen Job zu bekommen. Ein wohl nicht ganz untypisches Schicksal für die Region.

Als der Fahrradmeister wiederkam hatte er zwar eine neue Schraube, aber auch nicht die Richtige. So schraubte er sie mehr provisorisch ein und war schon recht untröstlich, dass er mir nicht besser helfen konnte. Er wollte auch nichts für seine Bemühungen bezahlt haben. Ich hätte es aber auch etwas daneben gefunden, wenn ich seine Mühen nicht entlohnt hätte. So gab ich ihm einen meines Erachtens angemessenen Betrag, den er dann doch mit Freude entgegennahm.

Inzwischen ging es mir zunehmend schlechter und die Symptome ähnelten doch sehr meinem Infekt, der mich letztes Jahr in Belgrad niedergestreckt hatte. Ich legte mich mittags dann hin, hatte Kopfschmerzen, Bauchschmerzen und Bauchkrämpfe und fühlte mich zunehmend matter. Als ich am späteren Nachmittag dann wieder aufwachte, war mir klar, dass ich so morgen nicht weiterfahren kann. Ich ging also zu Bojan, der auch kein Problem darin sah, dass ich noch ein oder zwei Nächte länger blieb und fragte ihn nach einem Arzt in der Nähe. Da erwies er sich doch gleich wieder als Goldstück, packte mich nach Konsultation mit seiner Familie in sein Auto und fuhr mich zu einer Arztpraxis mit dem heimeligen Namen Poliklinik. Sie hatte leider schon keine Sprechzeit mehr, was Bojan aber nicht davon abhielt, hineinzugehen und den kaum zuordenbaren noch anwesenden Personen mein Leiden zu erklären. Dann wollte mir ein Herr mittleren Alters erst einmal einen Slibowitz anbieten, den ich aber dankend ablehnte. Mit Hilfe des Google-Übersetzungsprogramms schilderte ich dann meine Leiden, was eine sehr blonde Frau mittleren Alters dann zu größeren Aktivitäten veranlasste. Sie löste eine Brausetablette in einem Wasserglas auf und legte mir eine Pille, die wie ein kleiner Bernstein aussah, in die Hand und machte mir über Bojan klar, dass ich die Pille einnehmen und das Glas austrinken solle. Dies solle meine Beschwerden in einer Stunde lindern. Dann schrieb sie noch auf einen Zettel zwei Medikamente auf, die wir uns in der Apotheke holen sollten. So packte mich Bojan wieder ein und fuhr mit mir zur Apotheke. Die Medikamente kosteten dann auch etwa so viel wie eine Übernachtung. Was es ist, weiß ich natürlich nicht, da es auch auf Google keine deutschsprachige Erklärung gab. Unterwegs kaufte ich mir noch ein paar Bananen sowie ein Weißbrot und Bojan kündigte an, dass er seine Frau bitten würde, mir eine Gemüsesuppe mit Kartoffeln und Möhren zu bereiten. So geschah es dann auch und ich muss sagen, die Suppe, die die Frau von Bojan gekocht hatte, war hervorragend. Auch die Medikamente scheinen ihre Wirkung nicht verfehlt zu haben. Mir geht es inzwischen doch deutlich besser. Dennoch werde ich natürlich morgen noch einen Ruhetag einlegen und hoffe dann am Donnerstag weiter nach Bulgarien radeln zu können. Auf jeden Fall hab ich für mich ein neues Krankheitsbild entdeckt: der serbische Virus!

Ein Kommentar

  • Regina Sakowitz sagt:

    Hallo Wolfgang,
    danke für die Reisebeiträge. Nun hoffe ich aber, dass der Ruhetag Wirkung gezeigt hat und der serbische Virus überwunden ist. Schön, dass es nette Menschen wie Bojan gibt, die Dich mit Schrauben, Suppe und allen nötigen versorgen, damit Du weiter radeln kannst.
    Gute Weiterreise und vor allem bei bester Gesundheit.

    Herzliche Grüße aus dem frühlingshaften Sachsen.

    Regina

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