Ich habe zwar recht gut geschlafen, fühle mich aber trotzdem nicht sehr ausgeruht. In der Nacht hat es geregnet und nun ist die Luft doch recht schwül geworden. Ein Wetter, dass meine Lust auf Aktivitäten immer schon beeinträchtigt hat. Nach der Schlacht am Buffet im Hotel mache ich mich dann aber doch zügig auf den Weg. Mein Ziel ist nun die Rehaklinik in Trassenheide. Bis Swinemünde kann und sollte ich weiter auf der N 3 fahren. Die Strecke kenne ich schon recht gut. Hier kann man richtig gut Kilometer machen. So habe ich auch nach knapp einer Stunde die 14 Kilometer zum Fährterminal geschafft. Auf dieser Stadtfähre werden übrigens nur ortsansässige Autos sowie Fahrräder und Fußgänger mitgenommen. Die übrigen Autofahrer müssen einen Umweg außerhalb von Swinemünde nehmen, um auf die Insel Wolin oder nach Usedom zu kommen. Von Swinemünde geht es dann durch die Stadt und auf die Uferpromenade bis nach Ahlbeck und Heringsdorf. Wieder bin ich fasziniert von der Bäderarchitektur beider Orte und ich nehme mir vor, dazu noch einmal eine besondere Tour zu machen. Ansonsten wird es nun etwas zäher, weil sehr viele Touristen zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs sind. In Heringsdorf geht es dann auf die Hauptstraße nach Wolgast, die zwar sehr voll ist, weil auf ihr ein großer Teil der Gäste nach Usedom an- und abreist. Sie hat aber einen gut ausgebauten begleitenden Radweg, so dass der Verkehr nur Lärm verursacht, einen aber ansonsten nicht weiter beeinträchtigt. Bei Ückeritz geht dann ganz plötzlich und unverhofft für fünf Minuten ein heftiger Schauer runter. Ich komme aber gerade noch dazu, meine Regenjacke überzuziehen. Nach fünf Minuten ist es aber wieder so warm, dass ich sie auch wieder ausziehen muss. Der Weg führt dann bei Koserow von der Bundesstraße ab und in den Ort hinein Richtung Ostsee. An der Seebrücke von Koserow geht es dann über den Radweg auf dem Deich weiter. Obwohl die Strecke heute sowohl von der Entfernung als auch sonst keine sonderliche Herausforderung darstellt, fühle ich mich zunehmend kaputt. Nur etwa sechs Kilometer vor meinem Ziel Trassenheide in Zempin verspüre ich dann auch so einen Hunger, dass ich beschließe, erst einmal einen Imbiss einzunehmen in Form eines Backfischbrötchens und eines Radlers. Das hilft ein wenig.
Dennoch quäle ich mich die letzten Kilometer ziemlich dahin, freue mich aber nun doch, endlich anzukommen. Auf dem Weg komme ich nun auch noch durch Zinnowitz, das letzte der großen Bäder auf Usedom. Da ich es schon aus der Zeit kurz nach der Wende kenne, bin ich doch beeindruckt, was sich auch hier seitdem entwickelt hat. Auch Zinnowitz ist sicher noch den ein oder anderen Besuch wert. Heidrun kommt mir von der Klinik aus dann auch ein Stück entgegen und filmt meine Ankunft. Wir freuen uns, uns wieder in die Arme schließen zu können. Da ich einen Tag früher als geplant ankomme, darf ich bei ihr im Zimmer gegen einen entsprechenden Aufpreis übernachten. Ein Zusatzbett ist schon bereit gestellt. So bringen wir meine überschaubares Gepäck in Heidruns Zimmer. Nun wird erst einmal meine Wäsche gewaschen. Sie braucht etwa eine Stunde und nachdem wir sie aufgehängt haben möchte Heidrun gerne einen Spaziergang machen. Ich verspüre zwar wenig Lust, möchte ihr den Wunsch aber auch nicht abschlagen und außerdem tut mir Laufen sicher auch gut. So wandern wir durch die Dünen nach Karlshagen und kehren in einem dortigen Café ein. Da es aber inzwischen schon kurz vor 17 Uhr ist und um 17:30 Uhr geschlossen wird, können wir uns nur noch unter den letzten sechs Stückchen Kuchen etwas auswählen. Wir finden aber jeder noch ein Stück und so lassen wir uns bei Milchkaffee und Cappuccino in einem Strandkorb vor dem Café nieder.
Ein älterer Angestellter, der gerade dabei ist, Stühle und Tische abzuräumen und auch ansonsten aufzuräumen, erkennt dann mein Cochlea Implantat und wird dann sehr mitteilsam. Er zeigt uns sein Hörgerät und will von mir wissen, ob ich meine Batterien auch selber bezahlen müsste. Er ist sehr erstaunt, dass ich das nur teilweise muss und auch unserer Versuch, ihm den Unterschied zwischen einem Hilfsmittel und Prothetik zu erläutern überzeugt ihn offensichtlich nicht. Ist ja auch mit dem gesunden Menschenverstand nur schwer zu verstehen. Wichtig ist ihm aber, uns zu erklären, dass es die preiswertesten Hörgerätebatterien bei Fielmann gibt und die würden auch länger halten als die von Kind. So geht es eine ganze Weile, bist die anderen weiblichen Angestellten ihn recht deutlich darauf hinweisen, dass er mal wieder in die Gänge kommen solle, weil sie pünktlich Feierabend machen wollten.
Auch wenn mich das Gespräch etwas genervt hat, geht es mir nach Kaffee und Kuchen deutlich besser. Vor allem wohl auch, weil es nicht mehr so schwül ist. Zurück fällt mir der Weg dann doch viel leichter als hinzu. Nach einer Pause schwingen wir uns noch einmal auf unsere Fahrräder und fahren in den Ort Trassenheide hinein zur Pommernstube, wo es gute Fischgerichte geben soll. Allerdings ist es gar nicht so einfach einen Platz zu finden. Wir nehmen die Sache dann selbst in die Hand und fragen zwei junge Männer, die an einem Vierertisch mit allerdings lediglich zwei Stühlen sitzen, ob wir, weil sie so sympathisch aussähen, uns dazu gesellen dürften. Die Ironie scheint zu gefallen und so organisieren wir mit Hilfe der Bedienungen noch zwei Stühle und kommen mit den beiden dann sofort in ein amüsantes Gespräch. Wir entscheiden uns für eine Fischplatte für zwei Personen. Dazu gibt es Bier für mich und ein Radler für Heidrun. Den Rest des Abends klönen wir mit den beiden. Sie kommen aus Berlin, heißen Nico und Markus und verbringen ein verlängertes Wochenende hier auf Usedom, um Fahrrad zu fahren. So haben wir natürlich ein Thema. Als sie hören, dass ich mit dem Fahrrad von Leipzig hierher angereist sei, sind sie hin und weg und wissen anscheinend erst einmal nicht, ob sie mich nicht für verrückt halten sollen. Als wir dann auf meine anderen Reisen zu sprechen kommen, sind sie sichtlich fasziniert, was mir natürlich gefällt. Heidrun wird nun gefragt wie sie das aushält und als sie ihnen erklärt, warum sie mir das nicht verwehren wolle, sind sie offensichtlich auch von ihr begeistert, weil sie soviel Toleranz von ihren Frauen wohl nicht erwarten könnten. So wird es ein sehr kurzweiliger, amüsanter und angenehmer Abend und wir kommen überein uns morgen doch wieder hier zu treffen. Gegen 21 Uhr müssen wir ja aufbrechen, weil um 22 Uhr in der Klinik Zapfenstreich ist.
Tagesdaten: 55,56 Km; 04:23:30 Std. Fz.; 12,65 Km/h; 151 Hm