Nach einem inzwischen doch recht vielfältigem Frühstück geht es für mich wieder los. Das Wetter ist auch heute sehr angenehm, sonnig und nur wenige Wolken und Temperaturen um die 25 Grad. Auch heute liegen wieder über 100 Kilometer vor mir. Eigentlich wollte ich nur bis nach Wolin im Südwesten der gleichnamigen polnischen Nachbarinsel von Usedom fahren. Allerdings war dort kein Quartier mehr zu bekommen. So wird mein heutiges Ziel wieder einmal Miedzyzdroje sein, wo ich ja schon vor einigen Wochen mit Heidrun einen Urlaub verbracht habe. Hier habe ich in einem der großen Massenhotels noch ein Zimmer bekommen. Aber auch dort scheint inzwischen weitgehend alles ausgebucht zu sein und bei dem, was man sonst noch bekommt, müsste man schon sehr tief in die Tasche greifen.
Die Fahrt aus Stettin heraus ist inzwischen sehr unproblematisch. Entlang der großen Ausfallstraße über die Oderarme verläuft ein gut ausgebauter Radweg bis Dabie. Von dort geht es dann aber auf einer engen und von vielen Lastwagen befahrenen Straße etwa 6 Kilometer bis Pucice. Hier biegt man dann nach Westen in Richtung des Haffs ab und fährt auf einer ruhigeren Straße bis nach Lubczyna. Allerdings bekommt man auf der ganzen bisherigen Strecke das Haff überhaupt nicht zu sehen. Man fährt durch eine Weide- und Wiesenebene und ich muss dann schon in Lubcyna zum Hafen und zum Strand fahren, um einen ersten Blick auf das Haff zu bekommen. Lubczyna ist einer der kleinen Orte auf der polnischen Seite des Stettiner Haffs, die sich wohl zum Naherholungsgebiet für Stettiner Badefreudige entwickelt haben und deren Sandstrände mit der entsprechenden Infrastruktur die Städter anlocken.
Von Lubczyna geht es dann durch einen Wald auf einem ganz neuen hervorragenden Radweg entlang einer allerdings wenig befahrenen Landstraße nach Goleniów. Der Radweg ist aber qualitativ erheblich besser als die Straße. Goleniów ist eine alte Hansestadt von heute etwa 22 Tsd. Einwohnern. Einige alte Bauwerke sind noch sichtbar. Ansonsten ist aber die Innenstadt durch sozialistische Plattenbauten weitgehend ihres historischen Aussehens beraubt. Ich verweile hier nicht lange, sondern fahre auf der vielbefahrenen Landstraße in Richtung Stepnica. Bei Krepsko mache ich dann vor einem kleinen Konsum halt und lege eine Mittagspause ein. Stepnica ist ein kleines Städtchen direkt am Stettiner Haff und mit einem schönen Sandstrand, der inzwischen wohl der Hauptwirtschaftsfaktor ist und polnische Touristen anzieht. Begründet wurde der Ort wohl durch deutsch Siedler im 12./13. Jahrhundert. Neben der Land- und Forstwirtschaft waren wohl von Anfang an Fischfang und Fischzucht der wichtigste Wirtschaftsfaktor. 18. Jahrhundert kam dann der Schiffsbau als Wirtschaftszweig dazu. Es gab eine Kahnwerft, in der hauptsächlich Haffkähne, also ca. 40 Meter lange Holzkähne mit Flachboden gebaut wurden. Ganz sehenswert ist die Pfarrkirche St. Jacek Odrowaz, ein verputzter Fachwerkbau mit einem Grundriss in Form eines griechischen Kreuzes.
Nach Stepnica geht es dann auf einer recht ruhigen Straße nach Norden in Richtung Wolin. Auch hier sehe ich auf der ganzen Strecke kein einziges mal das Haff und die Fahrt ist dann doch recht eintönig. Auch Wolin hat wenig zu bieten, außer vielleicht dem Zentrum der Slawen und Wikinger in der Art eines Freilichtmuseums mit nachgebauten Hütten aus der betroffenen Zeitspanne. In Wolin verlasse ich dann den Radweg um das Stettiner Haff und nutze die auch von Bikeline vorgeschlagene Alternativroute über die N 3, die Hauptverbindung zwischen Stettin und Swinemünde. Der Radweg entlang des Stettiner Haffs ist praktisch nur für Mountainbiker zumutbar. Er ist sehr sandig, so dass man oft stecken bleibt und führt auch über sehr holprige Waldwege, so dass man nach einer solchen Tour leicht an parkinsonschen Symptomen leidet. Ich habe vor einigen Wochen schon einmal Teile der Strecke ausprobiert, so dass ich nicht lange überlegen muss, ob ich tatsächlich nicht besser die Alternative nehme. Die N 3 ist zwar vielbefahren, verfügt aber wie die Nationalstraßen in Polen sehr oft über einen breiten Randstreifen, der auch Radstreifen genannt werden könnte und sehr gut als Fahrradweg genutzt werden kann und wohl auch so gemeint ist. So komme ich die letzten 17 Kilometer sehr schnell nach Miedzyzdroje und habe auch das Vergnügen, von dieser Alternativroute zum ersten Mal an diesem Tag das Stettiner Hafff sehen zu können.
In Miedzyzdroje liegt das Hotel Wolin, in dem ich ein Zimmer gebucht habe, sehr günstig für die morgige Weiterfahrt am Rande der Stadt. Mein Zimmer ist in Ordnung, auch wenn mich die Massen, denen man in einem solchen Hotel begegnet, nicht gerade erfreuen. Vom Aussehen und Auftreten mancher Touristen ganz zu schweigen. Als erstes gehe ich zu dem mir bekannten Lidl in der Nähe und kaufe mir zwei Dosen Bier und eine Tafel Schokolade. Danach dusche ich mich und laufe in die Stadt in ein mir bekanntes Lokal. Anschließend wollte ich noch einen Promenadenspaziergang machen, aber ich entfliehe angesichts der Massen zurück in mein Hotelzimmer. Nach 100 Kilometern fällt es dann auch nicht schwer, bald einzuschlafen.
Tagesdaten: 106,03 Km; 07:03:43 Std. Fz.; 15,01 Km/h; 196 Hm