69. Tag: 10.06.2017 Belgrad

Der Infekt scheint bewältigt. Die Toilettengänge haben sich auf jeden Fall wieder normalisiert. Das Frühstück hier ist nicht überwältigend, weil es sozusagen verschiedene Angebote gibt und man nur schwer kombinieren kann. Ich esse nun Müsli mit Joghurt, was mir schmeckt und hoffentlich auch keine Infektmöglichkeiten enthält. Danach mache ich mich auf die Suche nach Behältnissen, ähnlich der großen IKEA Einkaufstaschen. Auf Empfehlung der Rezeption werde ich in einem großen Laden mit offensichtlich Billigtextilien aus China fündig und erwerbe zwei sogar mit Reißverschluss versehene Kunststofftaschen, die durch ein entsprechendes Geflecht an Schnüren im Kunststoff verstärkt sind. Beim Abschätzen der Größe hoffe ich dann, dass ich mit zwei dieser Taschen tatsächlich mein Gepäck von fünf bis sechs auf zwei Teile reduzieren kann.

Nachmittags mach ich einen längeren Bummel entlang der Kralja Milana, einer der großen Geschäftsstraßen von Belgrad. Mein Weg führt mich zunächst zur Kathedrale des Heiligen Sava. Sie ist die größte Kirche Südosteuropas und eine der größten orthodoxen Gotteshäuser der Welt und … sie ist noch überhaupt nicht fertig. Von außen steht sie scheinbar stolz und prächtig dar, was aber, wenn man genauer hinschaut auch nur Schein ist, von innen ist sie noch eine komplette Baustelle. Allerdings wird an ihr wohl auch schon über 80 Jahre gebaut und die Planungen reichen bis 1894 zurück. Gut Ding will halt Weile haben. Mein Weg führt mich zurück zum Alten Schloss, das heute Sitz der Stadtverordnetenversammlung von Belgrad ist und dem direkt gegenüberliegenden Sitz des serbischen Staatspräsidenten im sogenannten Neuen Palais. Dazwischen liegt eine hübsche Grünanlage. Auffällig an beiden Gebäuden ist ihre Integration in das Stadtbild. Es sind keine einzelnstehenden Gebäude, sondern sie sind zumindest von zwei Seiten Straßenanlieger wie andere Gebäude auch. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass ihre Bauphase im letzten Viertels des 19. Jahrhunderts liegt und es keine Vorgängerbauten gibt. Anders sieht wiederum der Palast des serbischen Parlaments aus, der erst zwischen 1907 und 1936 im historisierenden Stil erbaut wurde. Er steht allein und dominiert die Umgebung. Morgen werde ich mir dann noch weitere Bauwerke Belgrads anschauen.

An diesem Samstagabend finden in Belgrad zahlreiche Demonstrationen statt. Die Teilnehmerzahl liegt in der Regel so bei einem Dutzend. Sie machen lautstark von ihren Megaphonen Gebrauch und werden meist von jeweils 20 Polizisten begleitet. Worum es geht bleibt mir weitgehend verschlossen, dass das Thema NATO und NATO Gegnerschaft aber auch EU hier große Themen sind, bekomme selbst ich mit. So findet man sehr häufig Karikaturen, die Merkel mit einem Hitlerbart darstellen und sie offensichtlich als Gefahr für Selbstständigkeit, nationale Identität und Eigenständigkeit verdammen. Man kann also sicher nicht sagen, dass es in Serbien eine überwiegende Sehnsucht nach der EU und der NATO gibt. Letzteres ist natürlich vor dem Hintergrund der NATO Bombardements Ende der 90er Jahre nicht ganz unverständlich.

 

Ein Kommentar

  • Werner Hempel sagt:

    Lieber Herr Kohl,
    mit großer Freude habe ich Ihre Reise als treuer wenn auch manchmal hinterherhinkender Leser verfolgt und auch viel gelernt. Viel Verständnis habe ich für Ihre Entscheidung jetzt abzubrechen und zuhause mit der Pflege und Betreuung Ihrer Frau komplett zu regenerieren. Wenn man für überschaubare 84€ von Belgrad nach Leipzig fahren kann, kann man auch für 84€ von Leipzig nach Belgrad fahren. Und wenn Ihre Sehnsucht nach Black sea anhält und Ihr Terminkalender keine anderen privaten Termine ( wie schön, dass man keine geschäftlichen mehr hat) vorsieht, dann ab in den Bus und in Belgrad geht es weiter.
    Danke für unterhaltsame und lehrreiche Reiseberichte und eine gute und entspannte Rückfahrt im Bus.
    Ihr
    Werner Hempel

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