Die erste Nacht ohne Toilettengang. Als ich aufwache ist für mich aber die Entscheidung gefallen: Ich werde meine Tour hier in Belgrad erst einmal beenden. Ich fühle mich einfach zu unsicher, zu schlapp und auch zu wenig selbstbewusst, um die nun vor mir liegenden Herausforderungen zu bewältigen. Die Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen. Sie hat mich einige Tränen gekostet, denn das Ziel, das Schwarze Meer mit dem Fahrrad zu erreichen, war mir schon wichtig und ich habe es erst einmal verfehlt. Aber ich weiß für mich, dass es im Moment die richtige und wohl auch notwendige Entscheidung ist.

Ich mache einen Morgenspaziergang zur fitBar und nehme dort noch einmal ein Frühstück ein. Meinen Immunfitdrink aus Karotten und Äpfeln und dann ein Truthahnsandwich. Es schmeckt und so gestärkt gehe ich zurück in mein Quartier, um meinen Umzug vorzubereiten. Das sieht für mich immer schlimmer aus als es ist. Inzwischen habe ich auch gewisse Routinen entwickelt und zu meiner großen Freude habe ich bisher auch noch keine Verluste auf meiner Reise gehabt. Meine sieben Sachen sind also in einer Viertelstunde verpackt. Danach checke ich aus und bedanke mich bei Jelena und ihren Mitarbeiterinnen für die Unterstützung der letzten Tage. Sie helfen mir dabei, das Gepäck hinunterzutragen. Beim Fahrrad bestehe ich darauf, es allein zu tun. Es ist zwar etwas anstrengend, aber ein Fahrrad zu zweit zu tragen ist meines Erachtens noch komplizierter.

Als ich mein Fahrrad wieder bepackt habe, stehe ich mit großem Respekt davor und traue mich nicht es zu besteigen. Ich bin einfach noch zu unsicher auf den Beinen. Also beginne ich es zu schieben. Da ich die Gegend ja inzwischen ganz gut kenne, weiß ich auch, dass ich erst einmal alle Unterführungen umgehen kann. Und so schiebe ich letztlich meinen Tross den ganzen etwa 2 Km langen Weg bis zur neuen Unterkunft, dem Hotel Manjez Exclusive Villa, ein in die Jahre gekommenes einstmals vornehmes Stadthaus, das unweit des Regierungsviertels liegt. Das Einchecken verläuft unproblematisch, das Zimmer ist schön groß, verfügt über alles, was man so braucht, riecht aber etwas muffelig. Wichtig: Dass WLAN ist sehr gut. Wie ich nämlich feststellen musste hätte das WLAN im Bohemian für meine Reiseberichterstattung nicht ausgereicht. Bunker halt. Allerdings war mein Drang, Reiseberichte zu verfassen in den letzten Tagen ohnehin nicht sonderlich ausgeprägt.

Als ich meine Sachen verstaut habe, bin ich erst einmal ziemlich erschöpft und lege mich zu einem kleinen Spätvormittagsschlaf nieder. Nach einer Stunde wache ich wieder auf und verspüre Hunger. Da unten im Haus ein Restaurant ist, kehre ich also dort ein, lasse mich auf der Terrasse nieder und bestelle mir einen gemischten Salat, Tagliatelle mit Zucchini und Schinken und eine Weißweinschorle. Das Essen ist gut und tut auch gut. Außer, dass die Tagliatelle für eine Vorspeise viel zu viel sind und ich die Hälfte stehen lassen muss. Das Mittagsmahl hat mir noch einmal die nötige Bettschwere gegeben, so dass ich mich noch einmal eine Stunde aufs Ohr lege.

Danach will ich das Thema Rückfahrt angehen. Am besten geeignet scheint mir die Fahrt mit dem Bus und zu meinem großen Erstaunen gibt es sogar eine Direktverbindung zwischen Belgrad und Leipzig. Danach könnte ich am Montag um 18 Uhr in Belgrad losfahren und wäre am Dienstagmorgen um 9:30 Uhr in Leipzig am Flughafen. Das erscheint mir ideal. Der Busbahnhof soll hier in Belgrad am Bahnhof sein und der Bahnhof ist etwa einen Kilometer von hier. Man muss nur die nächste Hauptstraße hinuntergehen. Er liegt direkt an der Save.

Da ich noch nicht weiß, dass mich mein Weg direkt durchs Regierungsviertel führt, kann ich auch mit den merkwürdigen Ruinen zunächst nichts anfangen. Später wird mir klar, dass dies die Ruinen sind, die die Nato-Luftangriffe auf Belgrad 1999 hinterlassen haben. Man hat sie bisher einfach stehen gelassen. Der Bahnhof von Belgrad sieht eher unscheinbar aus. Ich kann auch nicht direkt erkennen, wo hier ein Busbahnhof sein sollte. Ich spreche einen bewaffneten Sicherheitspolizisten an, der mir den Weg weist und sogar mein Englisch verstanden hat. Daraufhin finde ich den Busbahnhof hinter dem Bahnhof. Nun suche ich nach Eurolines. Bei den Repräsentanten der Fernbusse taucht der Name nicht auch. Schließlich spreche ich den Vertreter einer anderen Buslinie an, der mir dann erklärt, dass das Eurolinebüro in einer anderen Straße sei. Wie praktisch! Ich lasse mir den Weg erklären und finde auch tatsächlich das Gesuchte. Allerdings spricht man hier bei Eurolines in Belgrad kein Deutsch und auch nur wenig Englisch. Mir geht es im Wesentlichen um die Frage, welche Punkte für das Fahrrad und das Gepäck wichtig sind.

Schließlich verbindet man mich mit einer deutschsprechenden Mitarbeiterin von irgendwo. Sie erklärt mir, dass ich neben dem Fahrrad nur zwei Gepäckstücke und Handgepäck mitnehmen dürfte. Die Gepäckstücke kosten 4 €. Mehr zuzulassen obliegt dem Ermessen des Fahrers, hänge also von der Belegung des Busses und dem Gepäckaufkommen ab. Ich werde also nun sehen müssen wie ich aus meinen fünf bis sechs Radtaschen zwei Gepäcksstücke formen kann. Danach stellt mir die Mitarbeiterin in Belgrad eine Fahrkarte aus und ich kann damit für umgerechnet 84 € von Belgrad nach Leipzig fahren. Ich finde das einen sehr akzeptablen Preis.

Den Rest des Nachmittags verbringe ich damit meine Berichte nachzuarbeiten und abends lasse ich es mir noch einmal bei gegrillten Champignons und Gemüse Risotto im Restaurant des Hauses schmecken.

 

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