Das Frühstück ist ordentlich und ich lerne dabei nun auch Beata Gaska kennen, die das Frühstück serviert. Im Gegensatz zu ihrem Mann kann man sie sich noch gut als ehemalige Baletttänzerin vorstellen. Die Fahrt nach Aachen ist nun sehr entspannt. Das Wetter wird sehr schön. Ich fahre zwar morgens in Monschau noch bei 1° ab, komme aber bereits mittags in Aachen bei 20° an. Der Weg führt weitgehend sanft bergab. Er ist als Bahntrassenradweg nach wie vor sehr gut ausgebaut und gepflegt.
In Aachen endet der Vennbahnradweg zwar am Hauptbahnhof. Die Vennbahn endete oder begann allerdings am Bahnhof Rothe Erde. In Aachen werde ich nun drei Nächte bleiben und habe mich im Hotel Am Marschiertor einquartiert. Aachen erweckt bei mir natürlich Erinnerungen. 1976 habe ich hier mit einem Studium an der Pädagogischen Hochschule Rheinland begonnen, um schon nach einigen Monaten festzustellen, dass der damit verbundene Beruf des Lehrers zwar in unserer Familie eine gewisse Tradition hat, aber doch nicht unbedingt meinen Vorstellungen entsprach. So verließ ich Aachen schon nach einem Jahr und wechselte zum Jurastudium nach Marburg.
Tagesstrecke 53 Km; 220 Hm
Spaziergang in Aachen
Nachdem ich mich im Hotel eingerichtet habe, mache ich mich auf zu einem ersten Spaziergang durch die frühlingshaft warme Stadt. Meine Erinnerungen sind nur noch schemenhaft. Aber natürlich hat sich auch Aachen in den letzten fast 50 Jahren erheblich verändert. Freilich erkenne ich das Rathaus mit dem davor liegenden Marktplatz, den Dom und den dazwischen liegenden Katschhof wieder. Hier hat sich nicht so sonderlich viel verändert, obwohl mit den Centre Charlemagne auch moderne Bauwerke dazugekommen sind. Da heute Montag ist, sind die meisten Sehenswürdigkeiten geschlossen. Nur das Rathaus hat geöffnet und das ist zweifelsohne auch sehenswert.
Im Rathaus erfahre ich dann auch durch einen Flyer und eine freundliche Dame an der Information, dass es inzwischen in Aachen die sogenannte Route Charlemagne gibt, die bedeutende Orte der Stadt zu einem Weg durch die Geschichte verbindet und aus der Geschichte heraus in die Zukunft verweisen will. So werde ich mir also die Route Charlemagne zum Leitpfad bei meiner Erkundung der Stadt nehmen. Im Zentrum der Route Charlemagne bin ich ja bereits angekommen, weil hier in der ehemaligen Pfalzanlage Karls des Großen mit Rathaus, Katschhof und Dom sich das Zentrum des Reiches mit europäischen Dimensionen befand.
Da das Rathaus heute geöffnet ist, beende ich meinen ersten Spaziergang durch Aachen mit einer Besichtigung dieses ebenfalls historisch sehr interessanten Gebäudes. Immerhin ist das Rathaus auf den Grundmauern der karolingischen Königshalle errichtet worden, die nach dem Vorbild einer römischen Basilika errichtet worden war. Diesem Ursprung trug das spätere Rathaus auch in seinen Räumlichkeiten immer wieder Rechnung.
Nach dem Verfall und weitgehendem Abriss der karolingischen Pfalz im 13. Jhdt. Vereinbarte der Magistrat mit dem Kaiser einen Neubau, der eine doppelte Funktion haben sollte: Verwaltungssitz der freien Reichsstadt und Festsaal für die größten Feste des Reiches: die Krönungsmähler. Als Krönungsmahl bezeichnet man das festliche Mahl, das nach der Krönung der römisch-deutschen Könige und Kaiser und der Thronsetzung den dritten Teil des Krönungszeremoniells bildete. Als der Bau um 1350 vollendet war, galt er als eine der großartigsten und kühnster Leistungen der Profanarchitektur. Die Nordfassade, heute zum Marktplatz hin, war mit rund 60 Figuren geschmückt, die farbig gefasst und teilweise vergoldet waren. Die Wirkung dieses Bauwerks auf die Zeitgenossen war so beeindruckend, dass es zum Vorbild vieler flandrischer Rathäuser wurde, so für Antwerpen, Brügge und Gent.
Dem Stadtbrand von 1656 fielen auch der Dachstuhl und die Turmhelme des Rathauses zum Opfer. Man entschied sich für neue und deutlich höhere Türme im damals modernen Stil des Barocks. Ab 1727 setzte sich der Barockstil dann auch bei der Fassadengestaltung durch. Der kostbare Figurenschmuck wurde abgeschlagen und durch Stuckelemente ersetzt. Die Innenausstattung aus dieser Zeit ist am besten im Weißen Saal und im Ratssaal erhalten. Der große Reichssaal im Obergeschoss wurde in Einzelräume unterteilt und vielfältigen Nutzungen unterworfen. Dies trug sicher auch dem Umstand Rechnung, dass schon ab 1562 die Krönungen und damit die Krönungsmähler nicht mehr hier in Aachen, sondern im Kaisersaal des Frankfurter Römers stattfanden.
Als 1840 der mittelalterbegeisterte Friedrich Wilhelm IV. den preußischen Thron bestieg entschied man sich für eine Regotisierung des Rathauses und des Krönungssaals in historischer Pracht und Größe. Mit dem neuen Figurenschmuck war das Werk der Regotisierung 1901 abgeschlossen. In den Jahren 1943/44 wurde das Rathaus durch Bombenangriffe schwer beschädigt. Schon ab 1944, aber vor allem nach 1946 wurden zunächst die Sicherung und dann der Wiederaufbau vorangetrieben. Schon im Jahre 1950 konnte im provisorisch wieder hergestellten Krönungssaal der erste Internationale Karlspreis verliehen werden. Sein heutige Gestalt erhielt das Rathaus aber erst 1979 mit den neuen Turmhelmen.