Beim Frühstück war ich heute wieder Selbstversorger. Ich hatte mich gestern noch beim hier in den baltischen Staaten wohl weitverbreiteten COOP mit Müsli, Joghurt und einigen Gebäckstücken versorgt. Kaffee gab es in der Unterkunft. Gegen 10 Uhr mache ich mich auf den Weg. Zunächst fahre ich noch ein kleine Runde durch den estnischen Teil des Ortes mit Fotostopps an der Kirche und dem Rathaus. Interessant ist, dass man nach der Unabhängigkeit von der Sowjetunion Anfang der 90er Jahre hier tatsächlich noch Grenzen und Grenzkontrollen zwischen Estland und Lettland eingeführt hat. So stehen jetzt noch recht moderne Grenzkontrollhäuschen in der Stadt herum, die aber seit dem Beitritt der beiden Länder zur EU und dem Schengener Abkommen funktionslos geworden sind. Übrigens, mit etwa über 10 Tsd. Einwohnern ist Valga die elftgrößte Stadt Estlands.

Als Ziel habe ich mich heute für Smiltene entschieden. Es liegt nur etwa 45 Km von Valga entfernt in Lettland. Das Hotel, dass ich mir über booking.com ausgewählt habe, macht einen sehr guten Eindruck und hat einen vernünftigen Preis. Hauptgrund für dieses nahe Ziel ist aber einmal der vorausgesagte Regen ab Mittag und dass ich im Moment noch Schwierigkeiten habe, passende Quartiere zu finden. Die Alternativen wären einfach zu weit gewesen. Mir fehlt einfach eine Überblickskarte. Ich bin ja im Moment nur auf Technik angewiesen.

Bis nach Smiltene kann man heute weitgehend auf einer Straße fahren. Sie ist zwar keine Straße der obersten Kategorie aber doch eine größere Verbindungsstraße. Hier merkt man übrigens schon einen Unterschied zwischen Estland und Lettland. In Estland wäre eine solche Straße besser gewesen. Die Straße ist sehr gewölbt und hat rechts im Laufe der Jahre eine breite Einwölbung bekommen, so dass man als Radfahrer nur schwer rechts fahren kann und eigentlich immer in die Mitte strebt. Man muss allerdings den Autofahrern zugute halten, dass sie Radfahrer meistens weiträumig überholen. Das war schon in Estland so.

Ansonsten ist es sehr windig. Da der größere Teil der Strecke durch Waldgebiete führt, tobt sich der Wind aber zunächst erst einmal in den Baumwipfeln aus, bevor er dann etwas entkräftet auf einen Radfahrer stößt. Gegen Mittag ziehen dann dunkle Wolken auf und von Ferne kann man schon die Schauer herannahen sehen. Auf der Mitte der Strecke kommt man durch einen kleinen Ort namens Vijciems. Hier gibt es einige hässliche Mietkasernen, die an den Haustüren Vordächer haben. Ich fahre also hin und stelle mich unter. Die Hausbewohner sind sehr freundlich und erlauben mir, mein Fahrrad in den Hausflur zu schieben. Interessant ist es, mal das innere eines solchen Hauses zu sehen. Die Fenster sind saniert und die Wohnungstüren erinnern wirklich an Tresortüren. Zumindest zu einer Wohnung war es eine Stahltür mit Sicherheitsschlössern, die wirklich zu einem Tresor passen würden.

Irgendwie kommt der Schauer dann doch nicht so stark wie erwartet, so dass ich nach einiger Zeit weiterfahre und nach einem Blick auf die Wetter-App hoffe, dass der Kelch an mir vorüberziehen könnte. Aber nach drei Kilometer wird es wieder dunkler und die ersten Tropfen fallen und verheißen Unheilvolles. Ich flüchte mich auf ein nahegelegenes Gehöft, stelle mein Rad unter eine Kastanie und flüchte mich in eine offene Scheune. Ein junges Mädchen kommt aus dem Haus und nimmt schnell die Wäsche von der Leine. Ich signalisiere ihr auf ihren erstaunten Blick ob des ungebetenen Gasts mit den Händen und Blicken, dass ich mich nur unterstellen möchte. Sie versteht offensichtlich mein Anliegen, lächelt und nickt. Es folgt ein ziemlicher Guss und auch ein Donnergrollen. Nach einer Viertelstunde lässt der Regen aber nach und nach intensivem Studium der App komme ich zu dem Ergebnis, dass der Regen gleich aufhören müsste und ich etwa anderthalb Stunden Ruhe hätte. Das müsste reichen, um mein Quartier zu erreichen.

Leider hat es dann doch nicht gereicht. Eine Viertelstunde vor meiner Ankunft geht noch einmal für fünf Minuten ein kurzer aber heftiger Schauer nieder. Ich hatte aber mir schon vorher vorgenommen, auch bei einem Schauer nicht noch einmal anzuhalten. Die empfindlichen Sachen wie Tempotaschentücher, iPhone und Portemonnaie hatte ich regensicher verstaut. So kam ich etwas durchnässt im Park Hotel Bruzis an, das wirklich sehr schön in einem Park gelegen ist. Auch das Hotel macht einen guten Eindruck und ich freue mich schon auf eine heiße Dusche, denn inzwischen sind die Temperaturen auf unter 20 Grad gesunken.

Sehr schön ist auch, dass das Hotel über Prospekte für Radfahrer in Lettland verfügt, so dass ich eine Übersichtskarte für Lettland habe, mit der ich meine weitere Route hier planen kann. Damit bin ich dann nach dem Duschen für anderthalb Stunden beschäftigt. Für das Abendessen hatte ich einen Platz reserviert. Das Abendessen war sehr ordentlich und der Preis war wirklich sehr niedrig. In dem Restaurant saß noch ein Paar. Gelegentlich trafen sich unsere Blicke und im Laufe des Abends stellten wir dann fest, dass wir uns gestern kurz vor Valga getroffen hatten. Es war das Ehepaar aus Frankfurt. Na, beim Abendessen sieht man halt doch etwas anders aus als auf dem Fahrrad. Wir setzen uns dann noch über eine Stunde zusammen und erzählten uns von unseren Erfahrungen. Es war ein sehr angenehmes Gespräch.

Tagesdaten: 45,6 Km, 190 Hm (Mein BC hatte heute einen Defekt, deshalb kann ich die anderen Daten im Moment nich angeben.)

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