Mein Hektors Design Hotel in Tartu hat mir nicht so gefallen. Das Design war billig und für vier Zimmer eine Waschkammer mit Toilette und WC, die nicht mal vier Qm misst, ist nicht nur eng, sondern wirft nach kurzer Zeit auch hygienische Probleme auf. Aber es war ja nur für eine Nacht und das Frühstück hat dann für einiges entschädigt. Es war wirklich gut.

Um 9 Uhr mache ich mich auf den Weg. Knapp 100 Km liegen vor mir. Ich will heute die Tour durch Estland beenden und habe mir in Valga, rund hundert Meter vor der Grenze zu Lettland, ein Apartment gemietet. Sind wieder mindestens fünf Betten drin. Aber für 18 € nehme ich auch drei Zimmer und fünf Betten in Kauf. Die Fahrt ist weitgehend unspektakulär. Sie führt durch große Waldgebiete und durch eine agrarische Landschaft, wobei hier die Getreidefelder überwiegen, die schon teilweise abgeerntet sind. Ein großer Teil der heutigen Etappe ist auch Teil des Eurovelo 11, der von Athen ans Nordkap führt. Die Fahrt ist aber doch recht anstrengend. Zum einen gibt es in dem südöstlichen Moränengebiet, durch das ich fahre, doch wieder einige Steigungen, die sich recht lange hinziehen. Sie sind zwar relativ sanft und zu bewältigen, reduzieren aber die Geschwindigkeit. Zum anderen hat mir Komoot wieder einige Schotterstrecken eingebaut, die meinem Gleichgewichtsorgan doch ganz schön zusetzen. Schließlich hat der Wind zwar nachgelassen, weht aber dennoch meistens von vorne. Das Wetter verschlechtert sich. Heute ist es überwiegend bewölkt und die Temperaturen gehen nicht über 25 Grad. Am Nachmittag wird es sogar noch kühler und die Temperaturen sinken auf etwa 20 Grad. Ein großes Regengebiet, das sich über das gesamte Baltikum ausbreitet, rückt immer näher. Schließlich habe ich Glück und bin einige Minuten bevor der Dauerregen beginnt, in meinem Quartier eingetroffen.

Ein kleines Highlight hatte ich mir vorher noch gegönnt. Ich las immer den Ortsnamen Sangaste und denke irgendwann, den kennst du doch. Dann taucht das Bild eines neoanglizistischen Schlosses bzw. Gutshauses auf und ich erinnere mich, dass ich vor vierzehn Jahren auch hier gewesen bin und das Schloss sicher zu den kuriosesten aber auch eindrucksvollsten Gutshäusern hier im Baltikum gehört. Deshalb gönne ich mir trotz des schon drohenden Regens den Abstecher. Das Anwesen hat sich wenig verändert und noch immer wird gebaut. Das Schloss selbst war aber schon vor vierzehn Jahren zumindest von außen saniert. Es soll Schloss Windsor in England nachempfunden sein. Beeindruckend ist auch der Landschaftspark, der das Schloss umgibt. Es wurde in seiner heutigen Form zwischen 1870 und 1880 erbaut. Bauherr und Gutsbesitzer war Friedrich von Berg (1845-1938), der auch als Forscher einen Namen hatte. Heute wird das Schloss teilweise als Hotel genutzt und steht sonst für private Feiern zur Verfügung.

Danach trete ich aber in die Pedalen, um noch vor dem Regen in Valga einzutreffen, was mir dann auch gelingt. Unterwegs treffe ich noch ein Ehepaar aus Frankfurt am Main, die von Tallinn über Vilnius nach Klaipeda radeln. Es ist so eine halb geführte Tour. Die Quartiere sind vorbestimmt und das Gros des Gepäcks wird auch jeden Abend ins Hotel gebracht. Aber solche Fahrradtouren machen ja inzwischen schon ziemlich viele und das ist ja auch ein angenehmes Reisen und dennoch bleibt man in Bewegung.

Valga ist übrigens eine zwischen Estland und Lettland geteilte Stadt. Der lettische Teil heißt heute Valka. Der alte deutsche Name ist Walk. Ich will mal sehen, ob ich morgen noch einen Blick auf die Stadt werfen kann.

Tagesdaten: 98,50 Km; 07:48:29 Std. Fz.; 12,61 Km/h; 526 Hm

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