5. Tag (9. Juli 2021): Oranienburg

von 13. Juli 2021Aktuelles

Heute wird es wohl ein Regentag werden. Ein großes Regengebiet zieht über Deutschland hinweg. Gut dass ich heute ohnehin in Oranienburg bleiben wollte. So werde ich mir zumindest das Schloss trockenen Fußes anschauen können. Ich vermute der Schlosspark muss dagegen verschoben werden. Vielleicht schaffe ich es ja, ihn zu besuchen, wenn ich im August hier wieder auf meiner Tour entlang der Havel vorbei schaue.

Als ich gestern hier in Oranienburg ankam und die freundliche Dame an der Rezeption fragte, ob sie eine Stadtplan mit den Hauptsehenswürdigkeiten habe, überreichte sie mir zwar sofort einen Plan mit einem entsprechenden Rundgang, meinte dann aber süffisant, dass Oranienburg eigentlich wenig zu bieten habe. Da sei das Schloss, aber vor allem der Schlosspark und die KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen. Nun schauen wir mal.

Die deutsche Besiedlung des heutigen Stadtgebietes von Oranienburg erfolgte im Zuge der zweiten Ostexpansion im 12. Jahrhundert unter Beibehaltung des alten slawischen Namens Bochzowe. An der Stelle, wo sich heute das Schloss Oranienburg befindet, entstand Anfang des 13. Jahrhunderts eine Burg zum Schutz des Gebietes und der wichtigen Flussüberquerungen. Im Jahr 1232 erhielt Bochzowe das Stadtrecht. Die Einwohner der Stadt betrieben Fischfang, Handel mit Fisch und landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Aus Bochzowe entstand 1483 der Amtssitz Bötzow. Mit der Eroberung von Gebieten, die weiter östlich der Stadt lagen, verlor die Burg an Bedeutung, und an ihrer Stelle wurde durch den brandenburgischen Kurfürsten Joachim II. (1505-1571) ein zweistöckiges Jagdschloss errichtet. Im Dreißigjährigen Krieg wurde Bötzow niedergebrannt und geplündert.

Im Jahre 1650 schenkte der brandenburgische Kurfürst Friedrich Wilhelm seiner Frau Louise Henriette von Oranien die Domäne Bötzow. Diese hatte ihn des öfteren bei seinen Jagdausflügen begleitet. Ihr gefiel die Gegend, weil sie sie an ihre holländische Heimat erinnerte. 1652 wurde in Bötzow ein Schloss im holländischen Stil errichtet, das den Namen Oranienburg erhielt. Hier richtete Louise Henriette 1663 das erste europäische Porzellankabinett ein. Der Schlossname wurde nun auch auf die Stadt übertragen.

Louise Henriette war  übrigens die ältere Schwester von Henriette Catharina von Oranien, die wir bereits als als Fürstin von Anhalt-Dessau in Oranienbaum kennengelernt haben und die dort ab 1683 das heutige Schloss Oranienbaum erbauen ließ, aus dem sich das Städtchen Oranienbaum im heutigen Sachsen-Anhalt entwickelte. Ähnliches und angesichts der Bedeutung Brandenburgs sicher noch bedeutender leistete Louise Henriette in Oranienburg. Mit Unterstützung von niederländischen Fachleuten und Glaubensflüchtlingen (Hugenotten, Salzburger, Juden) ließ die Kurfürstin in und um Oranienburg Musterwirtschaften nach niederländischem Vorbild anlegen. Sie schuf damit eine wesentliche Voraussetzung für die rasante Entwicklung Brandenburg-Preußens wie Theodor Fontane in seinen Wanderungen schreibt.

Aus der Ehe des Großen Kurfürsten mit Louise Henriette ging Kurfürst Friedrich III., der später als Friedrich I. der erste preußische König wurde, der das Schloss zum Gedenken an seine geliebte Mutter, die bereits 1667 gestorben war, umbauen und vergrößern ließ. Es entstand ein Gebäudekomplex, der von italienischer und französischer Barockarchitektur beeinflusst war. Höhepunkte waren die Porzellangalerie, das neue Treppenhaus und der Orange Saal. Mit der Errichtung der südlichen Verbindungsflügel zu stadtseitigen Pavillons ab 1709 wurde die Erweiterung der Schlossanlage vollendet. Es entstand ein H-förmiger Grundriss. Mit dem früheren Schloss hatte es nur noch  wenig gemein.

Nachdem das Schloss den Sparzwängen des „Soldatenkönigs“ Friedrich Wilhelm I. geopfert werden musste, zog mit Prinz August Wilhelm, einem Bruder des kinderlosen Friedrichs des Großen und Vater des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm II., noch einmal höfischer Glanz in Oranienburg ein.

1802 wurde das Schloss dann aber durch das königliche Hofmarschallamt an den Apotheker Dr. Johann Gottfried Hempel aus Berlin für 12.000 Taler, mit der Verpflichtung hier für 15 Jahre 50 Webstühle zur Baumwollfabrikation zu betreiben, verkauft. Der Krieg gegen Frankreich brachte die Baumwollfabrikation 1807 zum Erliegen. 1814 gründete der Sohn Dr. Georg Friedrich Albrecht Hempel im Schloss eine Schwefelsäure-Fabrik., die als erste in Preußen nach dem Bleikammerverfahren produzierte. 1832 ging die „Chemische Produkten-Fabrik“ in die Verwaltung der Königlichen Seehandlung über. Die technische Leitung übernahm der namhafte Chemiker Friedlieb Ferdinand Runge, der 1833 das Anilin, und die Karbolsäure im Steinkohleteer entdeckte. Im selben Jahr wurde der Mittelbau des Schlosses durch einen Brand zu einem erheblichen Teil zerstört. Der Orange Saal und weitere prachtvolle Räume fielen den Flammen zu Opfer.

1835 wurden in der Fabrik die ersten Stearinkerzen hergestellt, 1840 die ersten Paraffinkerzen. 1842 wurde der Südostflügel durch ein Feuer zerstört. Seine Überreste wurden abgebrochen und nie wieder aufgebaut. 1848 wurde die Produktionsstätte aus dem Schloss auf das Mühlenfeld verlagert. Auf Initiative Friedrich Wilhelms IV. ging das Schloss mit Garten 1851 wieder in die Verwaltung der Königlichen Schlösser über, die es fünf privaten Mietparteien überließ. Parallel wurden verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten geprüft. Ab 1853 wurde die Nutzung als Lehrerseminar in Erwägung gezogen, allerdings wurde erst ab 1857 an der Umsetzung dieses Vorhabens gearbeitet. Der Umbau des Schlosses erfolgte in den Jahren 1858–1860. Allerdings sollten die ehemaligen Wohnräume Friedrichs I. im Nordwestflügel weiterhin der Nutzung durch den König bzw. deren Familie vorbehalten sein. Das Lehrerseminar bestand bis 1925. Seit dem 18. Juni 1858, ihrem 191. Todestag, steht ein Denkmal für Luise Henriette von Oranien auf dem Schlossplatz Oranienburg, geschaffen von dem Berliner Bildhauer Friedrich Wilhelm Wolff. Anlässlich der Einweihung kündigte König Friedrich Wilhelm IV. an, das Schloss wieder aufbauen zu wollen.

Theodor Fontane berichtet in seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg ausführlich und anschaulich und mit der ihm eigenen Empathie von der wechselvollen Geschichte Oranienburgs. So ist zu verstehen, wenn Theodor Fontane auch schrieb, dass das seinerzeitige Oranienburg eigentlich nichts mehr von dem durch Louise Henriette geschaffenen Oranienburg hat. Aber es ging noch weiter.

Das Schloss Oranienburg war während der Zeit des Nationalsozialismus in den Jahren 1933–37 Kaserne der SS. Von 1935 bis 1937 lagen hier die SS-Totenkopfverbände für das nahe KZ Sachsenhausen. 1937 wurde das Schloss wieder einmal umgebaut, dabei entstand das noch heute vorhandene Haupttreppenhaus. Ab 1937 zog die Polizeischule für Auslandsverwendung ein, die zuvor in Berlin-Tempelhof war. Nördlich des Schlossbaus entstand 1938 ein dreiflügliger Erweiterungsbau. In diesem kam ab 1941 die Kolonialpolizeischule unter. Im Zweiten Weltkrieg entstanden bei den Bombenangriffen auf Oranienburg 1944/45 am Schloss erhebliche Schäden. Die Sprengung der Schlossbrücke im April 1945 sorgte für weitere Zerstörung. Durch die Explosionskraft der Bomben, die die Produktionsstätten der Auerwerke zerstörten, kam es zur Freisetzung und Verteilung des dort verarbeiteten radioaktiven Materials. Oranienburg ist seitdem bundesweit der radioaktiv am meisten belastete Ort und sollte daher wohl zutreffender Uranienburg heißen.

Das Schloss wurde 1948–1954 äußerlich wiederhergestellt. Nach vorübergehender Nutzung durch die Rote Armee war es seit 1952 Offiziersschule der Kasernierten Volkspolizei (KVP) und später bis 1990 Kaserne der Grenztruppen der DDR. Die Orangerie diente nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs als Notkirche für die zerstörte Kirche St. Nicolai.

1997 wurde das Schloss der Stadt Oranienburg übertragen. Es begannen umfangreiche Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten mit einem hohen Anteil an Eigenmitteln sowie Mitteln aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und Landesfördermitteln.

In den Nordostflügel des Schlosses und in den östlichen Bereich des Corps de Logis zog die Stadtverwaltung ein. 1999 wurden mit der großen, auch international beachteten, Ausstellung „Onder den Oranje Boom“ Teile des Schlosses wieder museal zugänglich gemacht.

Die wesentliche Umgestaltung und die Rückkehr zu altem Glanz erfolgte aber in Vorbereitung der Landesgartenschau 2009. Oranienburg richtete 2009 unter dem Titel Traumlandschaften einer Kurfürstin die vierte brandenburgische Landesgartenschau aus. Das zentrale Projekt zur Vorbereitung war die Umgestaltung der Militärbrache hinter dem Schloss in eine Parkanlage und damit die Wiederherstellung des Schlossparks. Dazu wurde u. a. ein neuer Schlosshafen und eine Havelpromenade angelegt. Zusätzlich wurde die Straßenführung der Hauptstraße geändert und die bis 1901 genutzte Brückentrasse mit einer neu gebauten Schlossbrücke wiederhergestellt. So wurde dem Schlossplatz seine zentrale Bedeutung für die Stadt zurückzugeben. 

Nun ist es bei meiner Darstellung wieder etwas viel mit der Sicht auf Schloss und Stadt Oranienburg geworden. Ich selbst war schon bei meinen letzten Besuchen immer sehr angetan von dem Schloss-, dem Schlossplatz- und dem Schlossparkensemble, nicht wissend, dass es erst wieder so jungen Datums ist und welche Schäden es kompensiert hat. Insofern gehe ich mit Interesse in das Schloss und bin auch sicher, dass mir ohne die angelesene Vorkenntnis vieles gar nicht aufgefallen wäre.

So fällt mir nun doch sehr schnell auf, dass dem Inneren des Schlosses kaum bauliche Pracht inne wohnt. Hier findet sich kaum Stuck an den Wänden und Decken und auch nur ein Deckengemälde in der Porzellankammer. Dennoch hat man hier eine sehr schöne und interessante Ausstellung geschaffen, die vor allem Gemälde aus der Zeit des Großen Kurfürsten zeigen. Darüber hinaus sind hier die Wandteppiche, die in hoher Qualität seinerzeit in Berlin gewebt wurden, zu sehen. Ihr Schöpfer war freilich ein Franzose, Pierre Mercier, der aus Glaubensgründen Frankreich verlies und sich in Berlin niederließ. Solche Qualität war damals in Brandenburg noch nicht möglich. Sie zeugen insbesondere von den großen Taten des Großen Kurfürsten. Und schließlich sind da noch die Porzellansammlungen, von denen allerdings ein großer Teil verschollen ist, die aber zeigen, dass man damals Porzellan eher als Schmuck- und Zierstücke denn als Gebrauchsgegenstände ansah.

Eingebunden in diese Dauerausstellung ist eine Ausstellung zum 400 Geburtstag des Großen Kurfürsten unter dem Titel „Machtmensch. Familienmensch. Der Große Kurfürst“. Macht- und Familienpolitik laufen im Krieg, der Dynastie, dem Handel und der Repräsentation zusammen und offenbaren in den Ausstattungen der Schlösser, wie Friedrich Wilhelm seine Herrschaft festigte und entfaltete. Nicht nur hier in Oranienburg wird die Ausstellung gezeigt, sondern passender Weise an den Wohnorten seiner beiden Frauen. Denn nach dem frühen Tod von von Louise Henriette (1627-1667) heiratete er noch einmal nämlich Dorothea von Holstein-Glücksburg (1636-1689), mit der er auch noch sieben Kinder hatte. Ihr Wohnort war das Schloss Caputh, an dem ich auf meiner Tour auch noch vorbeischauen werde.

Diese Ausstellung ist übrigens mit sehr einfachen Mitteln in die Ausstellung im Schlossmuseum integriert, in dem nämlich an verschiedenen Stellen lichtdurchlässige, beschriftete Banner vorwiegend an den weißen Wänden und in den Fenstern angebracht sind, die eine Beziehung des Gesehenen zum Thema Machtmensch und Familienmensch beschreiben.

Als ich nach dem Rundgang durch das Schlossmuseum wieder den Schlossplatz betrete regnet es immer noch. Für den Schlosspark ist das sicher kein geeignetes Wetter. So kehre ich erst einmal in meine Unterkunft zurück. Für heute Nachmittag hat sich mein Sohn Alex aus Berlin angekündigt. So treffen wir uns am Bahnhof in Oranienburg, wo er mit der S-Bahn aus Berlin ankommt. Da es immer noch regnet suchen wir erst einmal ein Café auf, dass ich heute Morgen entdeckt habe und anschließend essen wir noch im Blumenthalhaus bei einem Italiener zu Abend. Es war schön sich nach inzwischen Pandemie bedingt längerer Zeit mal wieder zu sehen, sich in die Arme zu nehmen und interessante, spannende und auch wichtige Gespräche miteinander zu führen.

 

 

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