5. Tag: 25.03.2017 Zell im Fichtelgebirge-Bayreuth

Als ich heute Morgen aus dem Fenster blicke empfängt mich zum ersten Mal auf meiner Tour ein strahlend blauer Himmel. Allerdings liegen die Temperaturen noch bei null Grad. Angesichts der Lage von Zell auf etwa 620 Meter Höhe kein Wunder. Ich habe mir aber sagen lassen, dass es in Leipzig nicht wärmer war. Das Frühstück, das ich Gasthof zum Waldstein erhielt, war nicht der Renner und fiel deutlich gegenüber dem gestrigen Abendessen ab. Besonders geärgert hat mich dann noch der Aushang, dass man aus dem Frühstücksraum nichts mitnehmen dürfe, es andernfalls mit 5,50 € berechnet würde. Das war neu. In den anderen Gasthäusern hatte man mir das geradezu angeboten und ich habe mich dann mit zwei Brötchen über den Tag retten können. Das wirklich Schlimme daran war, dass es auch in den beiden Läden von Zell keine belegten Brötchen gab.

So packte ich meine Sachen zusammen und vertraute auf die drei Äpfel als Tagesration, die ich noch von zu Hause mithatte. Ich packte mein Gepäck wieder auf dem Fahrrad und ließ es so in der Garage des Gasthofs stehen. Der Wirt meinte, da würde nichts passieren. Dann machte ich mich zu Fuß auf zur Saalequelle. Es war ein sehr schöner Spaziergang hinauf zum Großen Waldstein und es tat auch gut, sich mal etwas anders zu bewegen als nur auf dem Fahrrad. Nach etwa einer halben Stunde erreichte ich die Saalequelle und sah aus ihr das Bächlein entstehen, dass zu einem Fluss werden soll. Wie viele dieser Quellen in Deutschland ist sie mit Natursteinen eingefasst und enthält eine Tafel auf der die Finanziers genannt sind. Hier sind es zahlreiche Städte durch die die Saale fließt, so etwa Halle und Weißenfels aus dem mitteldeutschen Raum allerdings weder Merseburg noch Naumburg oder Saalfeld. Einen Erkenntnisgewinn hatte ich dann auch noch als ich auf ein Schild zur Egerquelle stieß. Die Nachprüfung ergab, dass etwa 6 km entfernt tatsächlich auch die Eder entspringt.

Nachdem ich zurückgekehrt war, stand mein Fahrrad mit Gepäck noch unberührt da und gegen 11.30 Uhr machte ich mich auf den Weg. Ziel war heute Bayreuth. Insofern wende ich mich von der Saale ab und dem Main zu. Der Weg nach Bayreuth betrug nur 34 km allerdings wies das Streckenprofil meines Navis doch einige unangenehme Steigungen aus. So war es dann auch, wenn auch weniger schlimm als befürchtet. Drei Schiebestrecken musste ich einlegen. Die heftigste kam kurz hinter Gefrees mit noch einmal 12 Prozent. Aber ich bin es ja inzwischen gewohnt. So kam ich dennoch gut voran und war schon kurz nach 15 Uhr im Gasthof Kolb in Bayreuth. Erwähnenswert ist noch Bad Berneck. Die Fahrt in den Ort gleicht eher einem Absturz als einer Abfahrt. Der Ort selbst ist aber sehr adrett und durchaus sehenswert.

Der Gasthof Kolb macht einen sehr guten Eindruck. Die Zimmer sind recht neu renoviert und insofern fühle ich mich gleich sehr wohl. Ich habe inzwischen festgestellt, dass ich doch lieber in Pensionen oder Gasthäusern Quartier nehmen werde als in Jugendherbergen. So stark sind die Preisunterschiede heute auch nicht mehr und ein Einzelzimmer ist mir doch recht wichtig. Und auch Schlafräume mit vier bis sechs Betten, die ich derzeit in Jugendherbergen bekommen könnte, finde ich auch nicht so heimelig, obwohl sie genügend Ablagefläche haben.

Auf der Herfahrt habe ich gesehen, dass der Gasthof nur unweit des Festspielhügels von Bayreuth liegt. Auch wenn ich nun wirklich kein Opernfreund bin, weil ich zum einen ohnehin nichts verstehe und zum anderen die meist dürre Handlung doch zeitlich recht strapaziös ausgedehnt finde und auch wenn ich erst recht kein Wagnerfan bin, bot es sich natürlich bei der Konstellation an, sich mal diesen Musentempel anzuschauen. Um es vorwegzunehmen: Ich war doch ziemlich beeindruckt. Das macht mich nun weder zum Wagnerfan noch zum Opernfan. Aber das Festspielhaus ist schon ein architektonisches Kleinod, das seinesgleichen sucht. Ein roter Ziegelbau mit Natursteinfundament von riesenhaften Ausmaßen, der aber dennoch eher verspielt, denn bombastisch wirkt in einer wunderschönen Parkanlage. Alles ist ausgesprochen gepflegt. Der Unterhalt muss sehr kostspielig sein. Aber die Festspiele scheinen ja auch mal wieder zu boomen.

Was mich besonders beeindruckt hat, direkt unterhalb des Festspielhauses hat man in einer Rabatte des Festspielparks und die Porträtbüste Richard Wagners ausgerechnet Arno Brekers flankierend eine Dauerausstellung unter dem Thema „Verstummte Stimmen – Die Bayreuther Festspiele und die „Juden“ 1876 bis 1945“ installiert. Hier wird der Rolle der Familie Wagner für den Antisemitismus und den Aufstieg des Nationalsozialismus nachgegangen und auf mehreren Dutzend Schau- und Lesetafeln wird über die Opfer dieses Antisemitismus der Familie Wagner berichtet. Dabei spielten die angeheirateten Frauen Cosima und später Winifred eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die Ausstellung zieht die Bilanz: „Die Schutzbehauptung, Richard Wagner sei durch die Nationalsozialisten missbraucht worden, ist nur bedingt richtig. Sowenig es direkte Verbindung zwischen Wagner und Hitler gibt – er war für diesen ein wichtiger Stichwortgeber. Aber erst seine Erben haben einen direkten politischen Zusammenhang hergestellt: Durch die Diffamierung und Ausgrenzung jüdischer Künstler, durch den Missbrauch der Festspiele wie durch die Mitwirkung in den wichtigsten antisemitisch-antidemokratischen Organisationen nach 1914 haben sie den Boden vorbereiten für die Dritten Reich staatlich durchgeführte Vertreibung jüdischer und politisch untragbarer Künstler“. Ebenso wie ich finde, dass das Holocaust-Denkmal in Berlin ein Zeichen für die Größe unseres Gemeinwesens und nicht als Schandmal diffamiert werden darf, finde ich es auch, dass es für eine gewonnene Größe zeugt, dass so eine Ausstellung am Fuße des Festspielhauses in Bayreuth inzwischen möglich ist. Ich verlasse das Gelände doch relativ beeindruckt.

 

Tagesdaten: 34,92 km/3:01:10 Std. Fz/11,56 km/h/413 Hm aufwärts/686 Hm abwärts

 

Ein Kommentar

  • Regina Sakowitz sagt:

    Lieber Wolfgang,
    es ist schön, dass auf der Reise auch noch Zeit für Kultur bleibt. Das Wetter hat sich ja nun gebessert, könnte aber noch etwas wärmer sein.
    Ich wünsche weiterhin eine interessante Reise mit vielen tollen Eindrücken und Erlebnissen und vor allem auch „treppenlosen Brücken“.
    Herzliche Grüße mit Respekt

    Regina

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