40. Tag (29. Juli 2018): Sankt Petersburg – Tag der Kriegsmarine

Wir hatten uns die letzten Tage schon gewundert, dass am Ufer der Newa eine große Tribüne aufgebaut wurde. Gestern ankerten dann ein U-Boot und einige andere größere Kriegsschiffe vor der Tribüne auf der Newa. Die Recherchen über Google ergaben dann, dass an jedem letzten Sonntag im Juli in Sankt Petersburg der Tag der Kriegsmarine begangen wird. Das wollten wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Wir fuhren daher nach dem Frühstück auf die gegenüberliegende Seite der Newa und ließen uns sozusagen durch die Massen treiben. Denn es waren Massen unterwegs. Ich glaube, dass es nicht übertrieben war, dass sich auf beiden Seiten der Newa Hunderttausende tummelten. Diese schienen aber nicht hierher beordert zu sein, sondern das Ganze hatte eher einen Volksfestcharakter. Oft waren ganze Familien mit Kinderwagen oder Kinder mit Rollern oder Fahrrädern mit von der Partie. Es herrschte auch eine entspannte Atmosphäre, auch wenn es einige Sicherheitskontrollen gab, die aber eher dezent und nicht martialisch durchgeführt wurden und an denen sich auch niemand störte. Ja, die Sicherheitskräfte sind zwar als solche zu erkennen, tragen auch Waffen, treten aber bei weitem nicht so martialisch auf mit schusssicheren Westen und Knüppeln wie wir das von einigen Veranstaltungen bei uns kennen. Sie machten Ihren Job und drängten sich ansonsten nicht in den Vordergrund. Wie gesagt, es herrschte eher Volksfeststimmung.

Natürlich gab es auch einen offiziellen Teil. Zunächst gab es eine Flaggenparade, als etwa zwei Dutzend Angehörige der Kriegsmarine mit einer Riesenflagge der Kriegsmarine an der Tribüne und dem davorstehenden Präsidenten der Russischen Föderation vorbeidefilierten. Danach hielt Putin einer Rede, in der er die Kriegsmarine würdigte und von ihrer Aufgabe der „Wahrnehmung russischer Interessen“ und der „Verteidigung des Landes“ sprach. Dieser offizielle Teil wurde auch auf Public Viewing Leinwände übertragen. Dabei schenkten aber die meisten Menschen diesem offiziellen Teil kaum sichtbares Interesse. Das wirkte aber nicht etwa wie Ablehnung, sondern eher wie die durchaus unkritische Hinnahme eben als Teil einer solchen Veranstaltung. Mehr Interesse erweckte dann eine Flussparade mit mehreren Kriegsschiffen. Das Ganze wirkte aber wenig martialisch, sondern eher unterhaltend. Auch die abschließende Flugshow fand natürlich reges Interesse. Anschließend begab sich Putin dann auf ein kleineres Boot und verließ das Geschehen Newa abwärts. Es gelang mir sogar, einige Fotos mit dem Tele zu schießen.

Mit der Wegfahrt Putins war zwar der offizielle Teil beendet, aber man hatte nicht den Eindruck, dass nun alle nichts Eiligeres zu tun hätten, als wieder zurück an Heim und Herd zu kommen. Sondern man schlenderte gemütlich am Newaufer entlang. Legte sich bei dem herrlichen Wetter auch auf die vielen Rasenflächen und stadteinwärts, insbesondere am Newski-Prospekt ging die Feier weiter. Zahlreiche Bands hatten ihre Anlagen aufgebaut und machten Musik. Auch sie waren nicht offiziell bestellt, sondern sind der Ausdruck einer höchst lebendigen Stadt. Viele Menschen blieben stehen und hörten eine Weile zu und warfen auch recht häufig einige Rubel in die aufgestellten Hüte, Kästchen oder dafür ausgelegten Deckchen. Es gab auch, anders als gelegentlich bei uns, wenig Betrunkene, Penner und Bettler. In Russland ist wohl offiziell verboten, Alkohol in der Öffentlichkeit zu trinken. Man sieht zwar gelegentlich insbesondere Männer mit braunen Papiertüten herumlaufen, aus denen verdächtige Flaschenhälse oder Flaschenöffnungen hervorlugen. Aber weit verbreitet ist das offensichtlich nicht.

So erlebten wir heute wieder einen sehr spannenden Tag für das Verständnis von Russland. Ihnen gelingt es mit der Verbindung von offizieller Würdigung staatlicher Institutionen und Volksfeststimmung sicher auch eine stärkere Identität zwischen den Regierenden und den Regierten zu schaffen. Der Tag der russischen Kriegsmarine wurde natürlich in den heimischen Medien nicht sonderlich erwähnt. An prominenter Stelle wurde aber berichtet, dass in den großen Städten Russlands, unter anderem auch in Sankt Petersburg, Tausende auf die Straße gegangen seien, um gegen Putins beabsichtigte Rentenreform zu demonstrieren. Nun, Sankt Peterburg ist groß und wir waren sicher nicht überall. Tatsache bleibt, von irgendwelchen Protesten haben wir nichts mitbekommen. Auch war der Auftritt von Putin nicht von Protesten begleitet. Da Putin allerdings auch nicht wie der große Volkstribun auftritt, riss er die Menschen auch nicht mit sich. Aber man hatte nicht den Eindruck, dass sie ihrem Präsidenten nicht mit Respekt begegneten. Als er dann über die Newa fuhr, bemühten sich sehr viele Menschen, einen Blick auf ihn zu erhaschen.

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