4. Tag (9. April 2022): Von Clervaux nach St. Vith

Noch vor dem Frühstück mache ich einen kurzen Spaziergang den gegenüber dem Hotel liegenden Hang hinauf, den ich gestern wohl als den Ort mit dem besten Blick auf das malerische Ortsensemble von Clervaux eruiert habe. Und tatsächlich ist der Blick von hier auf den Ort sicher der schönste. Nach einem sehr guten Frühstück im Hotel Koener geht es dann los. Der Morgen ist heiter bis wolkig und recht kühl, nachmittags werden dann noch einige kurze aber heftige Schneeschauer nieder gehen. Allerdings hat der Schnee nur eine sehr kurze Verweildauer auf der Erde.

Zunächst führt die Strecke nicht sehr steil aber stetig bergauf bis in das etwa 12 Kilometer entfernte Troisvierges, dem früheren Ufflingen. Auf dem Weg nach Troisvierges mache ich Halt in Cinqfontaines, am seinerzeitig sogenannten Jüdischen Altersheim Fünfbrunnen. Ursprünglich war es 1903 von den deutschen Herz-Jesu-Priestern gegründet worden. 1941 wurde es von der Gestapo zum Sammellager zur Isolierung und Konzentrierung von nicht arbeitsfähigen jüdischen Einwohnern aus Luxemburg. Es bestand von 1941 bis 1943 im umfunktionierten abgelegenen Kloster Fünfbrunnen unter der euphemistischen fake „Jüdisches Altersheim“. Die meisten Insassen wurden nach und nach mit dem Zug nach Deutschland deportiert und von dort sofort in größeren Deportationszügen nach dem Osten gebracht. Die überwiegende Zahl von ihnen kam ins KZ Theresienstadt. Auf dem Gelände des Klosters Fünfbrunnen erinnern heute ein Denkmal und eine Informationstafel an die Deportation und die Ermordung der Luxemburger Juden.

In Troisvierges beginnt dann der Vennbahn-Radweg, der nach 125 Kilometern in Aachen enden wird und als einer der längsten Bahnradwege gilt. Die Vennbahn ist eine ehemalige Eisenbahnstrecke zwischen Aachen und Troisvierges. Infolge der Grenzziehung und der Gebietsabtretungen nach dem Ersten Weltkrieg wechselte die ursprünglich deutsche Trasse in einigen Abschnitten ihres Verlaufs von Aachen nach Ulflingen von deutschem auf belgisches Staatsgebiet. Die Fahrt auf einem Bahndamm-Radweg ist meistens entspannt. Die Anstiege sind selten über 3 oder 4 Prozent. Es lässt sich also bequem radeln. Die Landschaft ist hügelig und landwirtschaftlich geprägt.

Sankt Vith erreiche ich bereits am frühen Nachmittag. Sankt Vith ist ein Städtchen von etwa 10.000 Einwohnern und liegt in der Eifel an der Schnittstelle zu den Ardennen im Süden der Deutschsprachigen Gemeinschaft (DG). Obwohl St. Vith eine alte Stadt ist, sieht man davon heute wenig. Der Ort wurde im Zweiten Weltkrieg fast vollständig zerstört.

Der Zweite Weltkrieg begann für St. Vith am 10. Mai 1940, als deutsche Truppen einmarschierten und die heutigen Ostkantone Belgiens vom Deutschen Reich annektiert wurden. Die ersten Kriegshandlungen in St. Vith fanden am 9. August 1944 statt, wobei die Sankt-Vitus-Kirche und der Bahnhof von Bomben zerstört wurden. Am 3. oder 4. September wurde die Stadt evakuiert; die meisten Einwohner wurden auf einem Flüchtlingstreck nach Hannoversch Münden und Dransfeld ins sogenannte Altreich geführt. Am 13. September rückten US-Truppen kampflos in Sankt Vith ein. Sie gaben die Verwaltung in belgische Hände.

Die deutsche Ardennenoffensive begann am 16. Dezember 1944 unter anderem mit dem Beschuss St. Viths. Die Stadt wurde von der 2. US-Infanteriedivision unter General Bruce C. Clarke bis zum 22. Dezember verteidigt; dann zogen wieder deutsche Truppen ein. An den beiden Weihnachtstagen 1944 legten alliierte Bomberverbände die Stadt Sankt Vith in Schutt und Asche. Dabei starben 153 Einwohner und über 1000 Soldaten, fast 600 Gebäude (über 90 % des Bestandes) wurden zerstört oder schwer beschädigt. Neun Gebäude blieben unversehrt. Die Schlacht um St. Vith hat den Ausgang der Ardennenoffensive entscheidend beeinflusst, der Wiederaufbau dauerte bis in die 1960er Jahre. Der Neubau der katholischen Pfarrkirche Sankt Vitus wurde fünf Jahre nach Baubeginn am 14. Juni 1959 wieder geweiht. 

Mein Quartier in St. Vith beziehe ich in einer B&B Unterkunft. Abends mache ich noch einen Spaziergang durch die Stadt. Samstagabend sind die meisten Lokale schon früh geschlossen. So bleibt nur ein etwas besserer Imbiss.

Tagesstrecke: 49 Km, 600 Hm

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