Das Frühstück ist heute nicht so üppig wie die letzten beiden Tage in Kapstadt. Auffälligkeiten der Frühstücke hier in Südafrika sind aber aus meiner Sicht, dass eigentlich immer Müsli angeboten wird, dass es wenig festes Brot gibt, also meistens nur Toastbrot und dass immer frisch gemachte Eier angeboten werden, sowohl als gekochte Eier, als Spiegeleier oder als Rührei und immer mit oder ohne Schinken oder Würstchen, Tomaten und oft auch anderen Leckereien, die auf die Hüften schlagen, aber gut schmecken.
Nach dem geht es mit dem schon einstudierten Ritual weiter und los. Butz verpackt das Gepäck, jeden Tag eine Viertel Tonne Gewicht, die er einmal ein- und einmal ausladen muss und wir füllen unsere Wasserflaschen. Danach wird die jeden Tag neue Sitzordnung im Bus eingenommen, was aber bereits wortlos, ja automatisch und ohne Probleme funktioniert und derjenige, der auf dem Einzelsitz direkt neben der Schiebetür sitzt, hat Türdienst und seine Aufgabe ist es, bei Stopps die Tür zu öffnen und ein kleines Plastikbänkchen zum Ausstieg vor die Tür zu stellen und gegebenenfalls beim Ausstieg Unterstützung zu leisten. Am Ende des Stopps muss er warten, bis alle eingestiegen sind, das Plastikbänkchen wieder in den Bus stellen und hernach die Türe von innen zuschieben.
Heute ist unsere erste Station das nur wenige Kilometer entfernte Township Kayamandi, in dem etwa 25 Tsd. Menschen leben. Kayamandi ist ein hauptsächlich von Schwarzen bewohntes Armenviertel, das sowohl aus den für diese Townships typischen „Shacks“ (Blechhütten und Holzbaracken) , als auch wohl zunehmend aus einer Reihe kleinerer Steinhäuser besteht. Hier wird überwiegend isiXhosa oder kurz Xhosa gesprochen. In dieser Sprache soll Kayamandi „angenehmes Heim“ bedeuten, was man dem Township aus unserer Sicht auf den ersten Blick nicht ansieht. Ich mache keinen Hehl daraus, dass mich dieser Besuch etwas ambivalent berührt. Kritiker solcher Besuche sprechen sicher überspitzt von „Menschensafari“. Befürworter wollen zum Ausdruck bringen, dass sich die Menschen der Townships über solche Besuche freuen, weil sie sie als Wertschätzung und als Interesse an ihrem Leben betrachten. Nun ja, die Wahrheit liegt vielleicht irgendwo in der Mitte.
Empfangen werden wir durch einen freundlichen älteren schwarzen Einwohner des Townships, ich glaube er heißt Madiba und er muss wohl auch eine administrative Rolle in dem Township haben. Er wird uns die nächsten anderthalb Stunden durch das Township führen. Kayamandi ist wohl auch dadurch bekannt geworden, dass hier immer wieder Freiwillige aus aller Welt mit Hilfe verschiedener Organisationen für einen begrenzten Zeitraum in verschiedene Projekte (Kindergarten, Grundschule, High School) geschickt werden. Anders ausgedrückt, Kayamandi ist sicher ein Vorzeige-Township, dass eher die Erfolge von Projekten zeigt, als die tatsächlichen Probleme von Townships, in die sich dann auch kein Weißer mehr hineintraut. Wir sind hier sicher auch, weil unser Reiseveranstalter Chamäleon den hiesigen Kindergarten finanziell unterstützt, wie ein sichtbares Schild an der Frontseite des Kindergartens dokumentiert.
So erfahren wir etwas über die Wasserversorgung, Elektrizität, die Waschgelegenheiten, die Toiletten und die Arbeitslosigkeit, die heute höher sein soll, als noch zu Zeiten der Apartheid. Diese Ausführungen unseres local guides lassen erkennen, dass es inzwischen durchaus Vorbehalte gegen die Regierung gibt, scheint sie doch nicht in der Lage zu sein, ihre Ankündigungen umzusetzen und geweckte Hoffnungen zu erfüllen. Freilich teilt sie da das Schicksal auch anderer demokratisch gewählter Regierungen. Auffallend für uns Europäer ist aber insbesondere, dass die Menschen hier nicht abgerissen herumlaufen, sondern einfach aber ordentlich gekleidet sind. Auch die Hütten sehen innen ordentlicher aus als draußen und so sehen wir in solchen Blechhütten Friseurläden, „Supermärkte“, Werkstätten, Schneidereien und anderes mehr.
Länger verweilen wir an einem Platz, wo ein junger Schwarzer Schafsköpfe bearbeitet, denen offensichtlich bereits dass Fell abgebrannt wurde. Was uns eher fast abstoßend vorkommt, erläutert unser local guide als besondere Spezialität der Townships. So war es seit Alters her wohl üblich, dass den Schwarzen von den Farmern die Köpfe der geschlachteten Schafe überlassen wurden, weil die Farmer damit nichts mehr anfangen konnten oder wollten. Daraus entwickelte sich zunächst ein Arme-Leute-Essen und später eine Spezialität, die nach der Vorbereitung gegrillt und sogar an entsprechenden Grillständen zum Kauf angeboten wird. Da es noch früh ist und die Grills noch nicht angeworfen sind, kommen wir nicht in Versuchung diese Delikatesse ausprobieren zu müssen. Sie wird übrigens Smiley genannt, weil nachdem die Köpfe abgeflämmt werden die Haut sich zusammenzieht und dem Schafskopf angeblich einen lächelnden Ausdruck verleiht. Mir ist das Lächeln bei Ansicht der Schafsköpfe wohl entgangen. Übrigens auch in Norwegen ist Schafskopf sogar eine Weihnachtsspezialität, die allerdings etwas anders zubereitet wird.
Hauptziel unseres Rundgangs ist natürlich der von Chamäleon unterstützte Kindergarten. Er befindet sich in einem befestigten Holzhaus und die Kinder erwarten uns schon. Nun bin ich selten in letzter Zeit in Kindergärten gewesen, aber mein erster Eindruck ist, dass er sich nicht sonderlich von Kindergärten unterscheidet, wie wir sie kennen. Nun werden Gesangs- und Tanzeinlagen vorgeführt und wir klatschen natürlich fröhlich mit. Der Kindergarten wird von der Frau unseres local guides geleitet. Zwar steht in unserem Reiseprogramm, dass wir nicht zögern sollen, uns mit den Einwohnern auszutauschen. Zu Gesprächen kommt es aber auch hier leider nicht. Zum einen sind einige von uns des Englischen nicht so mächtig, um ein Gespräch zu führen. So fühlt man sich hier etwas gehemmt, kritische Fragen zu stellen. Zum anderen habe ich schon den Eindruck, dass man in diesem Vorzeigeprojekt auch nicht allzu viel erfahren würde, weil man natürlich die Unterstützer nicht verlieren will.
Wir schlendern noch eine Weile durch die Straßen. Die meisten Einwohner schauen uns, wie wir sie, eher zurückhaltend an. Als wir dann beginnen, Ihnen zumindest einen Gruß zuzurufen, werden wir meist auch freundlich oder ausdruckslos zurück gegrüßt. So endet unser Besuch in Kayamandi, doch viele Fragen bleiben offen.
Als wir wieder unseren Bus bestiegen haben, geht es nun noch einmal fast zurück nach Kapstadt und dann entlang der Westküste nach Norden zum West Coast Nationalpark. Am Südende der Langebaan Lagune befindet sich das Geelbek Environmental Centre. Hier legen wir eine Mittagsrast ein, denn neben einem Informationszentrum werden auch Speisen und Getränke angeboten. Inzwischen ist es auch deutlich wärmer als in Kapstadt geworden. Die Temperaturen nähern sich der 30 Grad Marke. So können wir in dem hübschen Freisitz unseren Lunch einnehmen, wo in den schattenspendenden Bäumen zahlreiche Maskenwebervögel ihre kunstvollen Nester gebaut haben.
Der Nationalpark ist insbesondere wegen seines Artenreichtum an Vögeln von Bedeutung. Er beheimatet im Sommer etwa 750 Tsd. Vögel, davon viele Zugvögel von der Nordhalbkugel. Die Küste des Nationalparks wird durch den Benguela-Strom immer mit nahrungsreichem Wasser versorgt, was sich in einer großen Anzahl Fischarten äußert, welche die großen Vogelschwärme ernähren. Die Blumenpracht im August und September haben wir wohl gerade verpasst. Vielleicht hat auch die anhaltende Trockenheit das ihre dazu beigetragen.
Nach dem Lunch fahren wir dann weiter entlang der Langebaan-Lagune und machen noch einige Fotostopps. Die Fahrt führt nun erstmals über eine Schotterstraße, aber man gewöhnt sich dran und es ist weniger anstrengend, als ich befürchtet hatte. Bei den Stopps haben wir schöne Blicke auf die Lagune und darüber hinaus auf den Atlantik. Eine besondere Begegnung haben wir mit einer Puffotter, einer der giftigsten Schlangen im südlichen Afrika. Ich glaube Butz sah sie zuerst. Es strebt aber keiner aus dem Auto raus. Die Fotos werden mit Sicherheitsabstand aus dem Fenster heraus gemacht. Gelegentlich kann man auch über Holzstege in die Lagune hinaus wandern und Vögel beobachten. Zur Zeit sind insbesondere die Flamingokolonien sehenswert.
In Langebaan biegen wir dann nach Osten in Richtung Piketberg ab und verlassen den Nationalpark. Wir fahren nun durch weite Ebenen, die durch Getreideanbau genutzt werden und blicken über ausgedehnte Kornfelder. Ab Piketberg fahren wir auf der Nationalstraße 7 durch eine weite Ebene entlang der Cederberge, in der es viele Plantagen mit Citrusfrüchten gibt. Die Landschaft mit ihren atemberaubenden Felsformationen erinnert mich hier zunehmend an den Südwesten der Vereinigten Staaten. Über Citrusdal gelangen wir dann schon bei einbrechender Dunkelheit nach Clanwilliam, wo wir im Blommenberg Guest House (http://blommenberg.co.za) vom Besitzer Nefie de Beer sehr freundlich empfangen werden und für die nächsten zwei Nächte Quartier nehmen. Die Zimmer sind geräumig und im kolonialen Landhausstil eingerichtet und umschließen einen hübschen Garten mit Swimmingpool. Den Abend verbringen wir dann noch in einem nahegelegenen Rerstaurant.