Die zwei letzten Tage meiner Reise lasse ich mich etwas ausbaumeln. Vormittags schreibe ich an meinen Reiseberichten und gegen mittags mache ich einige Spaziergänge. Ganz in der Nähe habe ich ein hübsches Café entdeckt, dem ich dann jeden Nachmittag auch meine Aufwartung mache. Hier kann ich dann noch etwas recherchieren und lesen. Przemysl ist eine hübsche Stadt und ein kleines Zentrum der Region. Städte mit 60 Tsd. Einwohnern erfüllen hier im Osten Polens schon häufig die Funktion einer Großstadt.
Zunächst bleibt aber noch die Geschichte meiner Rückfahrt zu klären. Aus dem App der Bahn weiß ich, dass ich von Przemysl aus mit einem Umstieg in Prag bis nach Leipzig komme. Also machte ich mich gestern noch auf den Weg zum Bahnhof, um eine Fahrkarte zu erwerben. Meinen Wunsch hatte ich in die Übersetzungs-App eingegeben, so dass die Dame am Schalter es auf polnisch lesen konnte. Nachdem der Text offensichtlich so war, dass sie meinen Wunsch verstanden hatte, kommunizierte sie mit mir erfreulicherweise auf Englisch. Nach einer Weile teilte sie mir mit, dass sie mir leider nur eine Fahrkarte bis Prag ausstellen dürfe. Fahrkarten über ein anderes Land hinaus, dürfe sie nicht ausstellen. Also löste ich diese Fahrkarte und machte mich wieder von dannen. Abends dann stellte ich noch einmal fest, dass man mit einem Fahrrad noch immer nicht vom Ausland nach Deutschland buchen kann. Also rief ich beim Kundenservice der Bahn an und kam nach etwa 10 Minuten auch an einen zuständigen Mitarbeiter. Der tat sich zunächst auch etwas schwer, wurde dann aber zugänglicher als ich ihm vorhielt, dass es doch wohl nicht sein dürfe, dass man von Prag aus nicht nach Deutschland fahren könne, wenn man ein Fahrrad dabei habe. Das leuchtet ihm wohl ein. Das einzige Problem für ihn war, dass er mir keine internationale Fahrradkarte schicken könne, weil dies technisch nicht möglich sei. Ich machte ihm dann klar, dass ich für den 27. Mai bereits im Besitz einer internationalen Fahrradkarte sein, weil die mir ja die Dame hier in Przemysl bereits ausgestellt habe. Nun diskutieren wir darüber, ob das denn reicht, obwohl diese Karte nur bis Prag ausgestellt sei. Ich entgegnete ihm, dass eine internationale Fahrradkarte für 10 EURO eigentlich immer für einen Tag gelte, egal wohin die Reise führt. Als ich ihm dann sage, dass ich dies auch gerne auf meine Kappe nähme, schien ihn das etwas zu beruhigen und er stellte mir nun eine Fahrkarte für die Fahrt von Prag nach Leipzig aus mit Sitzplatzreservierung und der Reservierung eines Standplatzes für mein Fahrrad. Keine drei Minuten später hatte ich nun per Mail alle Karten zusammen, die ich für meine Rückfahrt nach Leipzig benötigte. Jetzt musste alles nur noch klappen. Aber darüber wollte ich mir in den nächsten zwei Tagen noch keinen Kopf machen.
Über einige Spaziergänge möchte ich kurz noch berichten. In dem Carré, in dem ich wohnte gibt es in einem Umkreis von 100 Metern vier recht große katholische Kirchen, davon sind zwei sogar erzbischöfliche Kathedralen. Aber zunächst stolpere ich aus meinem Apartment praktisch schon in die auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehende Kirche der Heiligen Maria Magdalena oder einfacher die Franziskanerkirche am gleichnamigen Kloster. In Ihrer heutigen Form wurde die Kirche 1754 bis 1758 erbaut. Das Innere ist in üppigem barock gehalten, das derzeit restauriert wird. Direkt hinter der Franziskanerkirche erhebt sich die Kathedrale St. Johannes der Täufer, eine griechisch-katholische Erzkathedrale. Sie ging hervor aus der früheren römisch-katholischen Kirche der Jesuiten, die in den Jahren 1626-1632 erbaut wurde. Nach der Aufhebung des Jesuitenordens durch Kaiser Joseph diente die Kirche des Hl. Ignatius von Loyola als Lagerhaus. Verlassen und verfallen, wurde es von der römisch-katholischen Diözese übernommen und 1904 renoviert. Später diente sie als Garnisonskirche. Ab 1957 wurde dort auch die Liturgie im byzantinisch-ukrainischen Ritus gefeiert, und 1991 erhielt die Erzeparchie Przemyśl-Warschau den postjesuitischen Komplex anstelle der Kirche der hl. Theresia Karmeliten, die vor dem Krieg als griechisch-katholische Kathedrale diente. Man sieht, es ging hin und her in den Kirchen Przemysls. Sichtbares Zeichen des byzantinischen Ritus ist die vor Hauptaltar installierte historische Ikonostase der westukrainischen Kirchenmalerei, die in den 80er Jahren des siebzehnten Jahrhunderts geschaffen wurde.
Der Begriff Eparchie ist mir übrigens neu. Er steht für eine Diözese der Orthodoxen Kirchen und entspricht dem Bistum der Lateinischen Kirche. Der Diözesanbischof einer Eparchie trägt den Titel Eparch. Insofern umfasst die Erzeparchie Przemyśl-Warschau umfasst das gesamte Territorium der Republik Polen. Sie gehört zur Ukrainischen griechisch-katholischen Kirche. Ihre Gemeindemitglieder sind vor allem Ukrainer, die in Polen leben, Arbeitsmigranten, Flüchtlinge und Einheimische.
Wie einem Fels gleich steht dagegen die Kathedrale von Przemyśl – die Hauptkirche der Erzdiözese Przemyśl auf dem Domplatz. Der Bau der heutigen Kathedrale im gotischen Stil begann 1452. Im Jahr 1724 beschloss der damalige Bischof, Aleksander Antoni Fredro, der gotischen Kathedrale einen barocken Stil zu geben. Schließlich bleibt noch die Kirche der Hl. Theresia, die zum Kloster der Unbeschuhten Karmeliterinnen gehört. Sie dominiert als höchstgelegene Kirche in Przemysl auch die Blick aus der Ferne auf die Stadt. Der Komplex der Klostergebäude und die Kirche wurden in den Jahren 1620-1630 im Stil der Spätrenaissance erbaut. Auffallendstes Element dieser Kirche ist sicher die barocke Kanzel in Form eines Bootes.
Soviel zu den wichtigsten Kirchen in Przemysl zu denen man sicher noch mehr erzählen könnte, weil sie alle eine interessante eigene Geschichte haben und auch Anteil an den historischen Auseinandersetzungen hatten, die in Polen auch die Kirchengeschichte bestimmte. Einen weiterer Spaziergang führt mich noch zu Burg, die etwas erhöht über der Stadt thront und von wo man einen herrlichen Blick auf die Stadt hat. Gestern machte ich noch auf Empfehlung des Vaters meines Vermieters einen Spaziergang den Berg ganz hinauf. Weil man dort noch einen besseren Blick auf die Stadt habe als von der Burg aus. Um mir das zu empfehlen, zitiert er übrigens telefonisch seinen Sohn heran, damit er mir das auf Englisch erläutern soll. Als ich oben bin, stelle ich aber fest, dass der Blick durchaus nicht so optimal ist wie angepriesen. Die Altstadt ist von inzwischen grünen Bäumen verdeckt. Beeindruckend aber das riesige Kreuz, was hier über dem Tal thront mit einer Christusstatue, die nicht etwa am Kreuz hängt, sondern fast wie ein Tourist hinab ins Tal blickt.
Damit will ich es aber bei der Betrachtung von Przemysl belassen. Die Luft ist inzwischen auch bei mir raus und ich freue mich darauf, morgen nach fast sechs Wochen, genauer nach 40 Tagen wieder nach Hause zu kommen.