36.+37 Tag: 14./15. Mai 2019 – Saint-Jean-Pied-de-Port

Ausschlafen, nicht darüber nachdenken zu müssen, ob man alles eingepackt hat und ob man alles richtig geplant hat, nicht darüber nachdenken zu müssen, ob man genügend Proviant verstaut, zu wenig oder zu viel eingepackt hat, ob man die richtigen Klamotten an hat und bei einsetzendem Regen die Regensachen griffbereit hat, das alles hat nach so einer langen Tour schon einen gewissen Erholungswert. Natürlich auch immer wieder die Frage nicht stellen zu müssen, schaffe ich heute die Anforderungen, die Kilometer, erreiche ich mein gebuchtes Quartier usw. und so fort. Dies alles mal wieder eine Woche nicht durchdeklinieren zu müssen, ist schon sehr entspannend.

So genieße ich die ersten beiden Tage hier in Saint-Jean-Pied-de-Port bei sehr schönem Wetter und Temperaturen knapp über 20 Grad. Der Ort ist mit seinen rund 1500 Einwohnern recht klein, hat aber wegen seines Touristen- und Pilgeraufkommens eine sehr gute Infrastruktur. Hier finde ich dann endlich auch eine coiffeur pour hommes, wo mir eine offensichtlich schon über eine lange Berufserfahrung verfügende Friseuse sowohl die Haare als auch den Bart zu meiner Zufriedenheit wieder salonfähig gestaltet.

Übersetzt bedeutet der Name des Ortes übrigens Heiliger Johann am Fuße des Passes und kommt natürlich von seiner Lage hier am Beginn der Passstraße nach Roncesvalles in Spanien. Im Übrigen bin ich hier und das schon seit längerem im Baskenland, wo alles zweisprachig, nämlich auf französisch und baskisch ausgewiesen ist. Auch hier sind die Basken sehr stolz und ich werde oft auf diesen Umstand hingewiesen. Der Fluss, der auch das Stadtbild prägt, trägt den Namen Nive de Béhérobie und vereinigt sich hinter Saint-Jean-Pied-de-Port mit dem Laurhibar und der Nive d´Arnéguy zur Nive, die dann nach 80 Kilometern im Zentrum von Bayonne in den Adour mündet, kurz bevor dieser den Atlantik erreicht.

Was die Touristen hier suchen und finden, ist mir bisher noch nicht klar geworden,  hinsichtlich der Pilger liegt es auf der Hand. Die Stadt macht auch einen etwas zweigeteilten Eindruck, so wirkt eine der Hauptstraßen wie eine Touristenmeile, eine andere wie eine Pilgermeile. Viel mehr Straßen gibt es ohnehin nicht. Die Pilgerstraße, die auch den Namen Chemin de Saint-Jacques trägt, ist dadurch gekennzeichnet, dass sich eine Pilgerherberge an die andere reiht und man ab fünf Euro hier ein Bett bekommt. Ferner findet sich hier dass offizielle Pilgerbüro, wo die Pilger registriert und beraten werden und wo man natürlich auch einen Pilgerstempel für seinen Pilgerpass erhält. Auch gibt es hier noch mehrere Geschäfte, wo man alles kaufen kann, was der Pilger braucht oder meint zu benötigen.

In der Touristenmeile findet man mehrere Delikatessenläden mit Käse, Schinken und Würsten, man findet Cafés und Bars und man findet auch hier Bekleidungsläden, sowohl für Outdoorbekleidung als auch für etwa edlere Anlässe. Übersäht ist der ganze Ort mit Restaurants, deren Speisekarten oft recht günstige Preise ausweisen, die aber halt auch ersichtlich auf den einmaligen Besuch von Touristen ausgerichtet sind. Über dem Ort erhebt sich eine Zitadelle, die ab dem 11. Jahrhundert, damals gehörte der Ort zum Königreich Navarra, als Grenzbefestigung diente. Nach der Verleihung des Marktrechts im 14. Jahrhundert konnte die Stadt Zentrum des grenzüberschreitenden Handels mit Spanien werden.

Ich verbringe die beiden Tage damit, häufiger durch die Stadt zu bummeln und lasse sie auf mich wirken. Hervorzuheben sind sicher das Porte Saint-Jacques (Jakobus-Tor) und der Blick von der alten, vor dem Tor gelegenen Brücke auf die Nive, auf die hier beiderseits des Flusses stehenden mittelalterlichen Häuser. Die Porte Saint-Jacques führt übrigens durch den Fuß des Kirchturms der Kirche Notre-Dame, die nach der Kathedrale von Bayonne als die bedeutendste gotische Kirche im französischen Baskenland gilt. Woran das freilich liegt, kann ich nicht sagen, denn sehr viel Sehenswertes hat sie meines Erachtens nicht aufzuweisen. Sehr schön ist auch der Chemin de ronde, der hinauf zur Zitadelle und als Rundweg wieder in die Stadt führt. Von hier hat man sehr schöne Ausblicke in die Umgebung der Stadt auf die Berge der Pyrenäen und auch auf die umliegenden Ortschaften. Diesen Weg mache ich in den ersten Tagen öfters und dehne ihn immer ein Stück weiter aus. Ein schöner Blick auf die Stadt selbst wird allerdings durch Bäume beeinträchtigt.

Natürlich schreibe ich auch noch meine ausstehenden Berichte und plane vor allem die weitere Tour dann auf dem Jakobsweg. Es ist schon deutlich schwieriger geworden, adäquate Quartiere zu finden. Aber ich denke es gelingt mir. Bis Burgos habe ich inzwischen Quartiere vorgebucht, möglichst natürlich mit Stornierungsmöglichkeit. Es sind zum Teil Pilgerunterkünfte, die auch Einzelzimmer aber mit Gemeinschaftsbad vermieten oder preiswerte Pensionen. Erfreulich ist, dass die Quartiere in Nordspanien deutlich günstiger werden.

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