Ich habe trotz eines hervorragenden Boxspringbettes nicht sonderlich gut geschlafen. Inzwischen habe ich schon den Eindruck, dass meine Kräfte nicht unerschöpflich sind. Die inzwischen fast 2.000 Kilometer und vor allem die 20.000 Höhenmeter haben schon Kraft gekostet. Vielleicht muss ich auch auf meinen Vitamin- und Mineralienhaushalt mehr achten. Man schwitzt ja auf so einer Tour schon gewaltig was raus. Meine Funktionskleidung ist auf jeden Fall jeden Abend bei meiner Ankunft immer völlig durchnässt, auch wenn es keine Niederschläge geben hat. So denke ich darüber nach, ob ich nicht in Saint-Jean-Pied-de-Port, was noch drei Tagesetappen entfernt liegt, doch eine längere Pause einlege, als die beiden Tage, die ich ohnehin schon geplant habe, zumal das dortige Apartment, dass ich bereits vor ein paar Tagen gebucht habe, einen sehr schönen Eindruck macht. Sicher würde ich mich damit besser auf den dann vor mir liegenden Jakobsweg einstellen können.

Beim Frühstück werde ich erst einmal von Madame und Monsieur verwöhnt. Der Kaffee und auch die ausgezeichneten Marmeladen tun mir dann doch gut. Mein heutiges Ziel ist eigentlich Labrit. Ich fand diesen Ort auch deshalb interessant, weil es wohl der Stammsitz der Familie Albret war und hier Jeanne d´Albret geboren wurde, die als Nachfolgerin ihres Vaters Königin von Navarra und deren Sohn später der französische König Henry IV. wurde. Sie galt als eine der einflussreichsten Frauen Frankreichs im 16. Jahrhundert. Wobei sie zum Calvinismus bekehrt als Königin von Navarra die Ausrottung der katholischen Lehre in ihrem Königreich betrieb, was zu erheblichen Spannungen mit dem französischen Hof führte. Sie starb wenige Tage vor der Bluthochzeit ihres protestantischen Sohnes mit der gläubigen Katholikin Marguerite de Valois. Diese Bluthochzeit ist in die Geschichte als Bartholomäusnacht eingegangen und war ein Pogrom an den französischen Protestanten, den Hugenotten, die, was die Adeligen des Königreichs von Navarra betrifft, anlässlich der vermeintlichen Versöhnung dienenden Hochzeit in Paris versammelt waren. In derselben Nacht wurden weitere Tausende Protestanten in Paris und in den nächsten Tagen frankreichweit ermordet.

Da ich bei booking.com in Labrit keine Unterkunft angezeigt gesehen hatte, bat ich Monsieur für mich in einem bei Google angegebenen Hotel anzurufen. Leider stellte sich heraus, dass dieses Hotel inzwischen geschlossen ist. Nun ja, auch der Stammsitz der Albrets ist inzwischen nur noch ein Ruine. Monsieur schlug mir dann als Alternative Sabres vor, wo eine Auberge zu einem recht hohen Preis angeboten wurde, die aber einen guten Eindruck machte. Da es aber wenig Alternativen in dieser offensichtlich dünn besiedelten Gegend gibt , habe ich zugestimmt und Monsieur buchte das Quartier für mich. Damit lagen aber wieder über 100 Kilometer vor mir.

Leider brachte der Tag nun auch nicht den prognostizierten Wetterwechsel zum Schöneren. Es wurde wieder kühler, der Tag blieb grau und immer wieder gingen sehr kurze, dann aber auch etwas kräftigere Schauer nieder. Nach Branne wurde es wieder recht hügelig. Der Weg führte auf den nächsten 40 Kilometern weiter durch das hügelige Weinbaugebiet des Bordeaux zwischen der Dordogne und der Garonne, die ich bei Langon überquerte. Kurz vor Langon passiere ich den Ort Saint-André-du-Bois mit dem Schloss Malromé, dass 1883 die Mutter von Toulouse-Lautrec erwarb und in dem 1901 ihr berühmter Sohn verstarb.

Nach Langon wurde es zunehmend flacher. Etwa 10 Kilometer nach Langon machte ich in einer hübschen öffentlichen Anlage meine Mittagspause in dem kleinen Ort Uzeste, aus dem eine architektonisch etwas eigenartige Kirche hervorragt. Das Langhaus ist noch romanisch, der Chor und der Glockenturm sind gotisch, allerdings ist der Glockenturm fast solitär stehend an den Chor angegliedert. Urheber diese Umbaus war Papst Clemens V. (1305-1314 Er wurde übrigens erst nach einem elfmonatigen! Konklave zum Papst gewählt), der in dem nahegelegenen Villandraut geboren und hier in der Kirche von Uzeste seine letzte Ruhestädte fand.

Danach geht es weiter und die Landschaft verändert sich noch einmal völlig. Ich fahre nun die letzten 40 Kilometer durch ein Waldgebiet auf völlig ebener Strecke und über schnurgerade Straßen. Über eine so lange Strecke ohne jegliche Steigungen zu fahren, habe ich bisher selten erlebt. Das einzige, was heute hindert hier richtig flott Kilometer zu machen, ist der doch recht heftige Gegenwind. Dennoch komme ich natürlich schneller voran als in der Hügellandschaft.

Gegen 18 Uhr erreiche ich die Auberge de Pins in dem hübschen kleinen Ort Sabres. Ich beziehe das sehr schöne Zimmer und genieße das Abendessen in dem noblen Restaurant und gönne mir ein französisches Drei-Gänge-Menü mit wunderbaren Jambon als Vorspeise, einem kandierten Entenschenkel mit Kartoffelgratin und grünem Salat als Hauptgericht und einer Creme Brûlée als Dessert. Es hat wirklich ausgezeichnet geschmeckt.

Inzwischen habe ich auch herausbekommen, was es mit dem Wald auf sich hat. Er trägt den Namen „Landes de Gascogne“, was soviel wie Heidelandschaft der Gascogne bedeutet und ist das größte zusammenhängende Waldstück Westeuropas. Eine genaue Größenangabe habe ich aber bisher nicht gefunden. Ich denke jedoch es müsste sich um eine Fläche von mehr als 10.000 Quadratkilometer handeln. Der Wald besteht wohl vorwiegend aus Seekiefern, wobei ich auch einige Regionen mit Eichen und anderen Laubbäumen durchfahre. Der gesamte Wald wurde im 18. Jahrhundert von Menschen angelegt, insbesondere um die Wanderdünen aufzuhalten und die Moore und Sümpfe trocken zu legen. Diese Monokultur weist inzwischen aber erhebliche Probleme auf.

Tagesdaten: 103,46 Km; 08:04:09 Std. Fz.;  12,82 Km/h; 646 Hm

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