Ich will heute mal eine andere Form des Berichts machen und die Fotos gleich hinter den Absätzen, auf die sie sich beziehen einfügen. Wem das besser gefällt, bitte melden. Wem nicht, bitte auch.

 

Nach einem guten Frühstück am Samstagmorgen mache ich mich auf, die Stadt Ulm zu erkunden. Als ich aus dem Hotel heraustrete sieht der Münsterplatz ganz anders aus als gestern. Es ist Markttag und der wirklich nicht sehr kleine Platz ist dichtgestellt mit Marktständen und Marktfahrzeugen. In einem Tweil gibt es Pflanzen und Blumen, dann gibt es Wurst- und Fleisch-, Obst- und Gemüse-, Käse- und Teigstände usw. Es herrscht ein reges Treiben. Die Innenstadt ist brechend voll mit Menschen, die für das verlängerte Wochenende einkaufen. Ich suche zunächst zwei Hörgeräteakustiker auf, die mir allerdings bei meinem CI-Gerät nicht helfen können. Also muss ich nächste Woche erst einmal mit meinem Hörgeräteakustiker Kontakt aufnehmen, um zu sehen, was zu tun ist. Während der eine sich etwas intensiver mit meinem CI befasst, schaue ich noch einmal in das Münster und finde insbesondere an einem Pfeiler des Mittelschiffs das das Gründungsrelief, dass die Grundsteinlegung am 30. Juni 1377 beschreibt. Das Gründungsrelief zeigt aber auch wie der Altbürgermeister Lutz Krafft gemeinsam mit seiner Frau dem ersten Münster-Baumeister Heinrich II. Parler das Bauprojekt sehr bildhaft auf die Schulter bürdet. Es gleicht schon fast einer Karikatur, wenn man sieht, wie der Baumeister darunter in die Knie geht. Etwas intensiver betrachte ich mir dann auch noch das für eine protestantische Kirche ungewöhnliche Chorgestühl. Dieses hatte der Rat aber nach der Reformation unter seinen Schutz gestellt, um es davor zu bewahren, dass es eventuell ebenso verfeuert würde wie einige der Altäre, die für die Besitzer keinen Nutzen mehr hatten. Es ist schon ein eindrucksvolles Gesamtkunstwerk mit seiner Darstellung griechischer und römischer Künstler, Gelehrter und Sibyllen, die zwischen 1468 und 1474 in der Werkstatt eines Ulmer Schreinermeisters entstanden.

Danach geht es am Rathaus vorbei. Dennoch bedarf auch dieses sehenswerte Bauwerk einer kurzen Ansicht und Beschreibung. Es wurde etwas früher als das Münster begonnen und zeichnet sich insbesondere durch seine Freskenbemalung aus, die auf die Zeit der Frührenaissance zurückgeht. Damit gehört das Rathaus sicher zu den herausragenden Baudenkmälern in Ulm. Danach geht es auf die noch gut erhaltene und zu großen Teilen begehbare Stadtmauer, von der man wiederum einen guten Blick in die alten an der Donau gelegenen Viertel hat, die zum Teil noch sehr gut erhalten und auch sehr schön renoviert sind. Da sind vor allem das an der Mündung der Blau gelegene Fischer- und Gerberviertel, das nicht zu Unrecht als das bedeutendste Altstadtensemble Ulms gilt. Geprägt ist dieses Viertel durch viele kleine Fachwerkhäuser, denen man die Last der Jahre gerade in Ihrer sich veränderten Statik ansieht, weil sie teilweise krumm und schief, nach vorne und hinten geneigt und mit zum Teil eindrucksvoll verzerrten Holzbalken hier nach wie vor und scheinbar stabil einen Zweck erfüllen. Während früher hier die Handwerker der Stadt lebten, finden sich heute hier viel kleine Gasthäuser, Galerien und kleine Fachgeschäfte. Durchzogen ist das Viertel von engen Gassen und kleinen Brücken, das eher als manche andere Stadt, die dieses Attribut verwendet, an Klein Venedig erinnert.

Hinter der Stadtmauer liegt dann das sogenannte Donauschwabenufer. Von hier machten sich Ende des 17. bis in die zweite Hälfte des 19. Jhdts. Deutsche aber auch in geringerer Zahl Franzosen, Spanier und Italiener in sogenannten Ulmer Schachteln auf den Weg in neue Siedlungsgebiete entlang der mittleren Donau in der sogenannten Pannonischen Tiefebene. Die Ansiedlungen beschränkten sich anfänglich auf die Militärgrenze zwischen Österreich-Ungarn und dem Osmanischen Reich und dienten damit auch der Grenzsicherung und der Sicherung vor dem Osmanischen Reich. Hier in Ulm wird dieser Ausreisewelle sehr engagiert gedacht, durch Denkmäler und Tafeln, die auf die unterschiedlichen Regionen verweisen.

Mein Gang führt mich dann weiter durch andere Viertel der Altstadt. Die Altstadt von Ulm muss im Zweiten Weltkrieg doch erhebliche Zerstörungen erlitten haben. Ganze Straßenzüge sind modern wiedererrichtet und ich habe am Anfang mein Problem damit und befürchte, dass man hier die städtebaulich die gleichen Sünden begangen hat wie nach 1945 in den meisten bundesdeutschen Städten. Allerdings muss man den Ulmern zugestehen, dass sie sich immer bemüht haben, das Moderne mit dem Alten zu harmonisieren und dass dies bei genauerer Betrachtung auch nicht schlecht gelungen ist und bis heute anhält. So hat e wohl auch eine Riesendiskussion in Ulm in den fünfziger und sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gegeben wie man mit der zerstörten Altstadt umgehen solle. Auch hier schwankte man zwischen platt machen und Restaurierung und Rekonstruktion wie sie beispielsweise in Danzig oder Münster so eindrucksvoll gelungen sind. In Ulm wählte man wohl einen Kompromiss. So fügen sich die Gebäude der sechziger und siebziger Jahre in ihrer äußeren Form recht gelungen in das Stadtbild der Altstadt ein. Inzwischen gelingt es auch die Moderne Architektur der letzten 25 Jahre hier gut zu integrieren wie das Stadthaus am Münsterplatz zeigt und auch die als Glaspyramide sich darstellende Stadtbibliothek direkt neben dem Rathaus aus der Zeit der Renaissance. Die moderne Architektur, die einem hier in Ulm begegnet ist eine mutige Architektur. Auch wenn ich sie sicher nicht so gewählt hätte finde ich aber doch, dass damit ein gelungenes Gesamtensemble geschaffen wurde, das auch den Bedürfnissen der Gegenwart gerecht wir, ohne die Vergangenheit zu verdrängen.

Mein Abendessen nehme ich nun schon zum zweiten Mal in den Drei Kannen im Hafenbad ein. Sehr zu empfehlen. Danach mache ich noch einen Abendspaziergang durch die Altstadt von Ulm. Allerdings könnte die Illumination den schönsten Gebäuden in den Abendstunden einen besseren Ausdruck verleihen.

 

 

Heute, am Sonntagmorgen, führt mich mein erster Weg erster Weg wieder ins Münster, nämlich auf den Turm des Ulmer Münsters. Das Wetter ist sehr passend: Sonnenschein und eine gute Aussicht. Zunächst einmal ist aber schon der Aufstieg ein Abendteuer. 768 Stufen bis auf 143 Meter. Die oberste Aussichtsplattform liegt tatsächlich im oberen Teil der Turmspitze. Ich war sicher gut beraten so früh zu gehen, denn es sind noch nicht so viele mit mir unterwegs und ich könnte mir vorstellen, dass es später noch enger wird. Die Aussicht belohnt dann auch die Anstrengungen und ich hoffe, die Fotos bringen das entsprechend zum Ausdruck. Die Alpen soll man bei guter Sicht sehen können; so gut ist die Sicht aber dann doch nicht.

Hier habe ich dann auch meine erste Begegnung mit dem Ulmer Spatz und zwar mit dem Original. Er gilt als ein Wahrzeichen von Ulm, ich würde ihn eher als Maskottchen bezeichnen, das einem auch sonst im Stadtbild Ulm immer wieder begegnet. Der Spatz sitzt auf dem Dach des Hauptschiffs des Münsters und ist eigentlich nur auszumachen, wenn man weiß, dass er da sitzt. Der Sage nach sollen die Ulmer beim Bau des Münsters einen besonders großen Balken angekarrt haben. Sie schafften es aber nicht, ihn durch das Stadttor zu bringen. Als sie kurz davor waren, das Stadttor einzureißen, sahen sie einen Spatzen, der einen Zweig im Schnabel trug, um diesen in sein Nest einzubauen. Und dieser Spatz flog mit dem Zweig längs durch das Tor. Da ging dann wohl auch den Ulmern ein Licht auf, und sie legten den Balken der Länge nach auf ihren Karren und nicht quer, wie bisher.

Die reale Geschichte hat natürlich einen anderen Hintergrund. Bei dem Spatz auf dem Ulmer Münster handelt es sich eigentlich um eine von reichen Ulmer Bürgern in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts gespendete Taube mit einem Ölzweig im Schnabel, was auf die biblische Geschichte der Arche Noah verweist. Die Taube ist etwas klein geraten und erinnert auch von den Proportionen her eher an einen Spatz denn an eine Taube. Auch der Ölzweig ist als solcher nur schwer zu erkennen. So ist daraus die ulmspezifische Geschichte vom Ulmer Spatz entstanden. Der Ulmer Spatz begegnet einem in Ulm an allen Ecken und Enden.

Berühmte Persönlichkeiten hat Ulm relativ wenige gehabt. Wikipedia nennt eigentlich nur vier, die wir alle nicht mit Ulm in Verbindung bringen würden. Albert Einstein wurde hier 1879 geboren und Hildegard Knef 1925. Beide verließen Ulm aber schon im zarten Alter von einem Jahr, Einsteins Eltern zogen mit Albert nach München und Knefs Mutter, nach dem Tod ihres Mannes, mit Hildegard nach Berlin. Etwas länger prägte Ulm das kurze Leben von Hans und Sophie Scholl. Sie wohnten von 1933 an in Ulm und verbrachten hier also ihre Jugend. Während Einstein eine Stehle den Ort angibt, wo Einsteins Geburtshaus gestanden hat und auch ein Brunnen für ihn in Ulm errichtet wurde, findet man zu Hildegard Knef nicht einmal eine Gedenktafel an ihrem Geburtshaus. Um die Adresse herauszufinden musste ich länger über Google recherchieren. Die Ulmer scheinen auf die „Sünderin“ nicht sonderlich stolz zu sein. Nur ein Platz ist nach ihr benannt. Das entsprechende Schild ist allerdings durch Bäume fast verdeckt. Das Haus, in dem die Scholls wohnten, findet man dagegen relativ leicht. Es ist ein Gründerzeit Haus unweit der Altstadt, in dem sich heute ein Gesundheitszentrum befindet. Die Scholls haben dort im 1. Stock mit ihren fünf Kindern gelebt. Der Vater von Hans und Sophie Scholl war übrigens nach dem Krieg, Robert Scholz, war übrigens Zeit seines Lebens ein Liberaler und geriet dadurch auch mit den Nationalsozialisten in Konflikt. So musste er 1942 dafür, dass er Hitler als „Geißel Gottes“ bezeichnet hatte für vier Monate ins Gefängnis und erhielt Berufsverbot. Nach der Hinrichtung der Geschwister Scholl verschlimmerte sich die Situation der Familie und Robert Scholz wurde 1943 noch einmal verurteilt und erhielt wegen Hörens ausländischer Sender 18 Monate Gefängnis. Von Juni 1945 bis 1948 war Robert Scholz übrigens Oberbürgermeister von Ulm. Anfang der fünfziger Jahre gründete er zusammen mit den später als Sozialdemokraten bekanntgewordenen Gustav Heinemann und Joachim Rau die Gesamtdeutsche Volkspartei.

Nachdem ich diese Stätten besucht habe, schaue ich noch bei der nahe des Geschwister-Scholz-Hauses gelegenen Kirche St. Georg vorbei, die mir wegen ihres markanten Äußeren ganz interessant erschien, das mich etwas an den Dom zu Oliva in Danzig erinnert. Als ich eintrete ist gerade ein katholischer Gottesdienst. Das gibt mir erst einmal Gelegenheit, in einer ausliegenden Broschüre mich über Geschichte und Bedeutung kundig zu machen. Das Innere und die Ausgestaltung sind sehr farbenprächtig und erinnern stark an eine Jugendstilorientierung. Und so ist es dann auch. Wie durchaus viele der damaligen Kirchengebäude verbindet sich hier die Neugotik mit dem Jugendstil. Angesichts der Baudaten zwischen 1901 und 1904 ist das auch nicht verwunderlich. Gebaut wurde die Kirche aus Reichsmitteln als katholische Garnisonskirche. Unweit davon, am anderen Ende des Alten Friedhofs befindet sich die ehemals evangelische Garnisonskirche, die Pauluskirche. Sie wurde etwas später errichtet und im neoromanischen Grundstil mit starker Jugendstilprägung errichtet. Die Broschüre zu St. Georg vermerkt dazu, dass man sehr froh sei, dass man nicht wie die Pauluskirche schon in den sechziger Jahren renoviert habe. Dies habe bei der Pauluskirche dazu geführt, dass man die ursprünglichen Jugendstilelemente weitgehend entfernt habe, weil diese Architekturrichtung viele Jahrzehnte als Kitsch verschrien und nicht anerkannt wurden. Demgegenüber wurde die Kirche St. Georg erst in den siebziger Jahren restauriert, als die Stilrichtungen wieder als Kunst anerkannt waren und man sich daher darauf beschränkte, das Innen- und Außenbild der Kirche fast ungeschmälert zu bewahren. Das ist wahrlich gelungen.

Inzwischen ist der Nachmittag schon wieder fortgeschritten und mich drängt es nach einer Ruhephase. Auf dem Weg zu meinem Hotel passiere ich noch einmal den Bauzaun am Münster, wo über die Restaurationsgeschichte berichtet wird. Dabei fällt mir eine Geschichte ins Auge, die so makaber ist, dass ich sie hier noch zum Besten geben möchte. Neben dem Münster steht noch eine kleine Kapelle, die Valentinskapelle, deren Geschichte ich hier mal weg lasse. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde auch über ihre Restaurierung nachgedacht. Dabei schlug der Baumeister eine Wetterfahne vor, auf der die Enthauptung des Heiligen Valentin dargestellt wird. Dies lehnte der Rat nicht etwa als zu makaber, sondern als zu katholisch ab. So ziert diese Wetterfahne heute zwar nicht die Valentinskapelle aber ein Haus der Altstadt in der Unter der Metzig 20 (für die, die sich das mal anschauen wollen).

Und nun noch einige meiner Lieblingsfiguren. Ich bin ein Fan von an alten Gebäuden (insbesondere Kirchen) oft auch der Zierde dienenden Wasserspeiern. Sie drücken unheimlich viel über die Zeit der Bautätigkeit aus und verquicken christliches Gedankengut mit Aberglauben und zeitgemäßer Alltäglichkeit aus. Es sind quasi die Twitter der Vergangenheit!

So nun ist aber genug von Ulm!

 

Zweitagesdaten: ca. 22 km Fußmarsch

 

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