3. Tag: 16. Juli 2023 – Von Rothenburg ob der Tauber nach Gunzenhausen

Tagesstrecke: 86,47 Km

Der Weg zur Altmühlquelle

Nach einem guten Frühstück vom Buffett, das keine Wünsche offen ließ, mache ich mich wieder auf dem Weg. Ich bedauere es fast, denn Rothenburg hätte sicher ausreichende Sehenswürdigkeiten für zwei Tage. Mal sehen, ob und wann ich wiederkomme. Hatte ich gestern den sicher heißesten Tag, so kommt heute die längste Strecke. Über 80 Kilometer liegen vor mir. Allerdings hat sich das Wetter wieder normalisier. Es ist etwa 11 Grad kühler als gestern und damit angenehmes Fahrradwetter. Der Himmel ist wolkig, aber oft kommt auch die Sonne durch und der Wind ist erträglich. Außerdem soll die Strecke bis auf den Anstieg zur Quelle der Altmühl keine nennenswerten Höhenunterschiede aufweisen. Der Anstieg zur Altmühlquelle hat es dann aber erst einmal in sich. Zwischen Neusitz und Wachsenberg geht es sehr steil hoch. Zwischen 8 und 16 Prozent ist die Steigung, so dass ich einen Kilometer schieben muss und auch das ist anstrengend.

Dann wird die Fahrt aber angenehm, nicht zuletzt, weil es von Wachsenberg über Windelsbach bis nach Hornau, wo die Altmühl entspringt, wieder überwiegend bergab geht. So komme ich dann recht entspannt am Hornauer Weiher ins Quellgebiet der Altmühl. Aber wo ist nun die Quelle? Wie so oft in solchen Fällen gibt es darüber Diskussionen und so wird mit drei Quellen geworben. Ich fahre zunächst nach Erlach, was wohl nur ein Gehöft ist. Ein Feldweg führt durch das Gehöft direkt zur Quelle. Aus der eingezäunten Steinquelle, die ein Bronzeschild als „Altmühlquelle“ ausweist, sprudelt klares Wasser aus dem Wiesenhang. Die Quelle der Altmühl lässt sich aber wegen der Instabilität der hydrologischen Verhältnisse nicht eindeutig lokalisieren. Daher wurde der Hornauer Weiher lange Zeit durch das „Königlich-Bayrische Hydrographische Bureau“ als offizieller Ursprung der Altmühl angesehen. Das würde zumindest den Streit beseitigen, welcher Bach nun tatsächlich der längste ist, um ihn als den Quellbach der Altmühl zu bezeichnen. Andererseits wirkt auch der Abfluss aus dem Hornauer Weiher, der auch als Quelle der Altmühl ausgewiesen ist, recht dürftig. Aber wir werden ohnehin noch sehen, dass die Altmühl auf ihren folgenden Kilometern nur schwer als Fluss wahrzunehmen ist.

Das hängt vor allem auch wegen der geringen Höhenunterschiede auf den nächsten 100 Kilometern im oberen Altmühltal zusammen. Das Altmühltal hat hier eher den Anschein einer Hochebene denn eines Tales.

 

Von der Altmühlquelle nach Herrieden

So durchfließt oder besser durchstreicht hier auch die Altmühl ein breites, feuchtes, bis heute weitgehend naturbelassenes Wiesen- und Weideland, wo Störche noch genügend Nahrung finden. Sie nisten auf den Dächern und Kirchtürmen der malerischen kleinen Dörfer und Städtchen der Umgebung. So kann man es zumindest beschreiben, dass hier nicht allzu viel zu sehen ist. Nächster Hingucker ist erst nach 10 Kilometern die Burg Colmberg. Sie liegt oberhalb des Ortes Colmberg auf einer Kuppe und und ragt deshalb in dieser ebenen Landschaft weithin sichtbar ins Land. Die Burg Colberg ist eine der wenigen gut erhaltenen mittelalterlichen Burgen in Deutschland. Sie ist von einem stattlichen Erdwall mit dazugehörenden Gräben umgeben und thront auf dem 511 Meter hohen Bergsporn, der Schulzenhöhe. Das klingt zwar mächtig, relativiert sich aber, wenn man sich vor Augen hält, dass die Altmühlquelle in 460 m.ü.N. entspringt und hier noch kaum ein Gefälle hatte, so liegt der Bergsporn, auf dem die Burg Colmberg thront gerade mal 50 Meter höher. Dennoch konnte die wehrhafte Anlage nie eingenommen werde. Selbst Graf Tilly musste 1631 unverrichteter Dinge abziehen, da die Belagerung scheiterte. Alle wesentlichen Bauten stammen aus dem ausgehenden 12. Jahrhundert. 1128 war Colmberg im Besitz der Grafen von Hohenzollern, welche 1269 von den Truhendingern abgelöst wurden. 1318 wurde die Burg an Friedrich von Hohenzollern verkauft und diente fortan als Stützpunkt gegen die nahe Reichsstadt Rothenburg. Nach einem Ausbau im 16. Jhdt. wechselte der Besitz mehrmals. 1806, als Franken an Bayern kam, wurde Colmberg Sitz eines Rentamts, bevor es in Privatbesitz kam. Heute heute beherbergt die Burg ein edles Hotel und ein entsprechendes Restaurant.

Auch auf den nächsten 10 Kilometern ist nichts wesentliches zu berichten. Die Altmühl scheint noch immer nicht zu fließen, sondern wirkt eher wie ein schilfumwucherter Graben oft mit Seerosen zugedeckt. Der erste etwas größere Ort ist dann nach 20 Kilometern hinter der Altmühlquelle das fast 6.000 Einwohner zählende Städtchen Leutershausen, wobei die Hälfte der Einwohner wohl auf die eingemeindeten umliegenden Dörfer entfällt. Leutershausen ist aber dennoch die erste fränkische Kleinstadt am Oberlauf der Altmühl. Sie ist vor allem ein wirtschaftliches Zentrum einer vorwiegend landwirtschaftlich geprägten Region. Vom Jahr 1318 an war die Stadt jahrhundertelang das Verwaltungszentrum der hohenzollernschen Burggrafen und späteren Markgrafen von Brandenburg-Ansbach. Diese Herrschaft ging mit der kurzen preußischen Epoche von 1791 bis 1806 zu Ende. Auf Napoleons Geheiß kam die Stadt und ihr Umland zum Königreich Bayern.

Ich fahre durch das obere Tor in die Stadt hinein. In den oberen Geschossen des Tors hat noch bis 1962 der Türmer gewohnt. Über den Marktplatz und die Untere Vorstadt fährt man durch die ganze Stadt. Am Unteren Tor geht es aus der Altstadt wieder hinaus. Gleich auf der linken Seite hinter dem Tor erhebt sich ein merkwürdiges Denkmal, dass wohl ein Flugobjekt darstellen soll, das aber nur aus Streben besteht also sozusagen den Rohbau eines Flugobjekts darstellt. Es ist dem bedeutendsten Sohn der Stadt, Gustav Albin Weißkopf (1874-1927), gewidmet. Er emigrierte nach Amerika und ihm soll unter dem Namen Gustave Whitehead am 14. August 1901, also gut zwei Jahre vor den Gebrüdern Wright, der erste Motorflug der Welt gelungen sein. Dabei soll er mit einem von ihm konstruierten Drachenflieger mit einem luftgekühlten Zweizylindermotor eine Strecke von etwa 2,5 Kilometern in einer Höhe von 10 bis 15 Metern zurückgelegt haben. Diese Flugmaschine ist nun hier in Leutershausen auf einem sechs bis sieben Meter hohen Sockel in Originalgröße nachgebildet. Allerdings fehlen ihr die notwendigen Textilien, die den Drachenflieger in der Luft halten sollten. Wie gesagt es ist nur das Modell eines Rohbaus. Bis heute wird allerdings kontrovers diskutiert, ob Weißkopf tatsächlich den ersten Motorflug durchgeführt hat. Dass Weißkopfs Motorflug von 1901 bis heute umstritten geblieben ist, ist auf die wenigen Quellen, auf das Fehlen eines eindeutigen Fotos der fliegenden Maschine und auf zahlreiche Ungereimtheiten in vorhandenen Quellen zurückzuführen. Weißkopfs langjährige Beschäftigung mit Flugmaschinen und der Bau von funktionstüchtigen Flugmotoren sind zwar nachgewiesen. Ein wirtschaftlicher Erfolg in Amerika blieb jedoch aus und Weißkopf verstarb vergessen und verarmt in den USA.

Weiter geht es nun entlang der selten zu sehenden Altmühl an Neunstetten vorbei mit seiner Kirche St. Vitus, deren bunt glasierte Dachziegel schon aus weiter Ferne sichtbar sind und ins Auge fallen. Dann komme ich nach Herrieden, für das ich gerne mehr Zeit gehabt hätte. Herrieden zählt als einer der ältesten Orte Frankens zu den Keimzellen der Besiedlung und Christianisierung des oberen Altmühltals. Im Jahr 782 entstand hier ein Benediktinerkloster von dem heute noch die Frauenkirche herrührt.  Der erste Abt des Klosters mit dem Namen Deocar war ein Beichtvater Karls des Großen  und soll für die Christianisierung des ganzen südlichen Frankenlandes eine bedeutende Rolle gespielt haben.

Im Jahre 888 kam Herrieden unter eichstättischen Einfluss und das Kloster wurde zum Chorherrenstift. Für die Verwaltung setzte der Bischof von Eichstätt Pröpste und Vögte ein. Durch den Bau massiver Befestigungsanlagen im 12. und 13. Jhdt. erhielt Herrieden 1230 das Stadtrecht. Trotzdem wurde die Kleinstadt von mehreren Katastrophen heimgesucht. Zwei große Stadtbrände – 1305 und 1490 – sowie zwei Zerstörungen – 1316 und 1633 – leiteten den Niedergang der Macht des Chorherrenstifts ein. Im Zuge der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation 1804 wurde es endgültig aufgelöst. Die heute gewerblich und wirtschaftlich gut entwickelte Stadt hat etwa 8300 Einwohner, von denen natürlich auch hier ein beträchtlicher Teil in den eingemeindeten Orten lebt. Sie besitzt mit ihren Störchen ein weiteres Wahrzeichen. Seit Jahrhunderten nisten und brüten sie auf den Türmen und Gebäuden der Stadt, so dass der Torturm nach ihnen benannt ist.

Etwas länger verweile ich an der alten Altmühlbrücke und am Storchentor, auf dem auch in seinem Nest ein Storch steht. Ansonsten radle ich ziemlich schnell durch die Stadt hindurch, auch weil heute Stadttfest ist und überall viele Menschen herumlaufen.

 

Von Herrieden nach Gunzenhausen

Nun sind es noch etwa 30 Kilometer bis zu meinem heutigen Ziel Gunzenhausen. Die Landschaft verändert sich bis zum nächsten größeren Ort, dem etwa 15 Kilometer von Herrieden entfernten Ornbau, nicht viel. Es bleibt flach, besten falls von einigen Landschaftswellen und kleinen Hügeln aufgelockert. Ornbau ist mit seinen 1719 Einwohnern die fünftkleinste Stadt in Bayern. Sie gilt als Eingangstor zum Tourismusgebiet Fränkische Seenplatte, sie ist aber vom Tourismus noch weitgehend verschont. So ist der Reiz des mittelalterlichen Ambientes von Ornbau noch nicht vollständig verloren gegangen. Besonders wird das an der Altmühlbrücke, einer fünfbogigen Steinbrücke aus dem 17 Jhdt. und dem sich anschließenden Torturm und Torhaus deutlich.

Hinter Ornbau ändert sich dann die Landschaft. Die Altmühl verbreitert sich auf seltsame Weise angesichts des bisher wenigen Wassers. Es entsteht nun das Urlaubs- und Freizeitparadies des Fränkischen Seenlandes bis Gunzenhausen mit Badestränden, Campingplätzen, Yachthäfen und Surfparadiesen. Dieses Erholungsgebiet ist aus dem Vorhaben entstanden, die Hochwasser der Altmühl in den wasserarmen Teil Nordbayerns umzuleiten. So steht man dann nach einigen weiteren Kilometern vor einem großen See, dem Altmühlsee und ich kann mir ein Staunen nicht verkneifen, wie dieses kleine Bächlein, als das ich die Altmühl bisher erlebt habe, einen solchen See zustande gebracht haben soll.

Wie das geschehen ist, ist mir auch jetzt noch nicht ganz klar geworden. Ich will trotzdem versuchen es zu erklären. Der Altmühlsee ist ein Stausee. Er gehört mit mehreren großen Seen in der Umgebung zum Fränkischen Seenland. Es sind vor allem Hochwasserspitzen der Altmühl, die über den Altmühlzuleiter bei Ornbau das flach ausgedehnte Gewässer in den recht weiten Auen des ehemaligen Flussbettes speisen. Der Altmühlsee ist 4 km lang, bis zu 1,7 km breit und hat eine Fläche von 4,5 km². Er ist 2,5 bis maximal 3 m tief und staut bis zu 13,8 Mio. m³ Wasser. Dabei fließt die Altmühl auch gar nicht durch den See, sondern wird um ihn herumgeleitet. Es fließt also nur das Hochwasser durch den sogenannten Zuleiter in den See.

Knapp die Hälfte der Seefläche im Nordwesten ist als Naturschutzgebiet ausgewiesen, davon nehmen 125 Hektar die Vogelfreistätte Flachwasser- und Inselzone im Altmühlsee ein, die sich aus zahlreichen Einzelinseln zusammensetzt. Nahe am Südufer des Sees liegt die knapp anderthalb Hektar große Hirteninsel. Dennoch brachte der Altmühlsee mit seinen Freizeitanlagen der Region Mittelfranken einen großen Impuls auch für die Weiterentwicklung des Tourismus. Aber wie wird nun das Wasser im Altmühlsee gehalten. Das ist tatsächlich eine Technik, die mir bisher noch völlig unbekannt war. Das Absperrbauwerk des Altmühlsees ist ein Staudamm, der den See vollständig umringt. Aus Sand und Lehm aufgeschüttet, ist es 3 bis 5,5 m hoch und mit seiner Kronenlänge von 12,5 km die längste Stauanlage in Deutschland. Im Kern des Bauwerks steht eine mehrere Meter hohe, senkrecht bis zu den wasserundurchlässigen Bodenschichten in den Erdboden eingerüttelte Dichtwand aus 6 bis 8 cm starken Stahlbohlen.

Der Zufluss brachte in den vergangenen Jahren Sedimente mit in den See, die sich aufgrund der äußerst geringen Strömung am Grund ablagerten und zu einer Verschlammung führten. Diese hatte eine Verringerung der Wassertiefe und eine Verschlechterung der Wasserqualität zur Folge. Seit September 2015 werden diese Sedimente abgetragen und zwar jeweils im Herbst und Winter.

Der Altmühlsee ist Teil eines Wasserregulierungssystems, das Wasser aus dem wasserreichen Flusssystem des Donaueinzugsgebiets unter der Europäischen Hauptwasserscheide hindurch in das wasserärmere Regnitz-Main-Gebiet überführt. Dabei fließt das ausgelassene Seewasser in leichtem Gefälle über den teils unterirdischen Altmühlüberleiter in den etwa 10 Kilometer entfernten Kleinen Brombachsee und den anschließenden Großen Brombachsee. Technisch auf jeden Fall ein großartige Leistung mit positiven touristischem Nebeneffekt. Ob dies alles vor dem Hintergrund des des komplizierten und kostspieligen Landschaftumbaus gerechtfertigt war, lasse ich hier mal dahin gestellt.

Ich fahre also an dem See vorbei und bin über das, was ich sehe immer wieder erstaunt, insbesondere auch über den Touristenrummel. Es erholen sich hier tausende Menschen, es liegen Dutzende Yachten in den entsprechende Häfen, es sind ebenfalls Dutzende Surfer auf dem See und es sitzen hunderte in den Gaststätten, Strandcafés und Eisdielen.

Auf dem Weg um den See komme ich dann schließlich nach Gunzenhausen. Der staatlich anerkannte Erholungsort mit seinen etwas mehr als 17.000 Einwohnern entwickelte sich in den letzten Jahren zur touristischen Metropole des Fränkischen Seenlandes. Hier steige ich heute ziemlich zentral im Posthotel Arnold ab. Da der gestrige Tag und auch der heutige doch ihren Tribut gefordert haben, bin ich bei meiner Ankunft ziemlich erschöpft. Ich kehre noch bei einem nahegelegenen Italiener ein, aber mehr ist heute nicht mehr drin. Es geht dann bald zu Bett.

Sehenswürdigkeiten:

  • Altmühlquelle bei Hornau
  • Burg Colmberg
  • Leutershausen Denkmal für den in Leutershausen geborenen Flugpionier Gustav Albin Weißkopf, dem als Gustave Whitehead am 14. August 1901 und damit gut zwei Jahre früher als den Gebrüder Wright der weltweit erste Motorflug gelungen sein soll.
  • Herrieden gilt als einer der ältesten Orte Frankens und gehört damit zu den Keimzellen der Besiedlung und Christianisierung des oberen Altmühltals.
  • Ornbau – In der Friedhofskirche befiunden sich die Gräber der Bischöfe von Tiraspol (Diözese der Wolgadeutschen). Ferner sehenswert die Altmühlbrücke.
  • Fahrt entlang des Altmühlsees (künstlicher See)
  • Gunzenhausen – Barockbauten am Marktplatz Keimzelle des Ortes war ein Römerkastell aus dem 2. Jhdt.

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