29.10.2017: Deutsches Eck und Rückfahrt nach Leipzig

Heute geht es also nach Hause. Aber das wird wahrscheinlich gar nicht so einfach, weil Sturmtief Herwart offensichtlich Deutschland wieder mal fest im Griff hat und der Slogan der ehemaligen Deutschen Bundesbahn: „Alle reden vom Wetter, wir nicht!“  inzwischen seine Gültigkeit auf jeden Fall verloren hat. Hier im westlichen Deutschland ist vom Sturem allerdings recht wenig zu spüren. Lediglich in der Nacht hörte ich den Wind immer mal mit den Jalousien spielen, die dann in ihren Gleitfugen ächzten. Nachdem die Zeitumstellung uns heute eine Stunde geschenkt hat, wache ich gut ausgeschlafen und auch erholt von den Anstrengungen der letzten Tage auf. Das Frühstück ist ausgezeichnet und so fahre ich kurz nach 9 Uhr nach Koblenz. Auch dabei hindert mich der Wind nicht spürbar.

Am Koblenzer Hauptbahnhof komme ich im Reisezentrum sofort dran und gerate an eine kompetente Beraterin. Sie rät mir von meinem Vorhaben über Köln und Hannover zu fahren ab und verweist auf die bereits gesperrten Bahnstrecken. Sie sucht mir dagegen eine Verbindung mit Regionalbahnen mit Umstiegen Frankfurt, Kassel-Wilhelmshöhe und Halle heraus. Auch zeitlich scheint dies angemessen, denn mit den Regionalbahnen bin ich auch nur eine halbe Stunde später in Leipzig als mit dem IC von Köln aus. Ich entscheide mich also für diese Variante.

Da ich noch etwa eine Stunde Zeit bis zur Abfahrt des Zuges habe, fahre ich noch einmal zum nur 2,5 Kilometer entfernten Deutschen Eck. Obwohl es noch relativ früh am Morgen ist, sind doch schon viele Touristen auf dem gleichen Weg. Dennoch ist es ein schöner Morgen. Die Sonne scheint sogar gelegentlich zwischen den Wolken hindurch. Das Deutsche Eck wirkt mit seinem Kaiser-Wilhelm-Denkmal sehr martialisch. Denkmäler dieser Art gibt es ja einige in Deutschland. Das Kyffhäuserdenkmal, das Völkerschlachtdenkmal, das Kaiser-Wilhelm-Denkmal an der Porta Westfalica und eben hier das Kaiser-Wilhelm-Denkmal am Deutschen Eck. Sie sind alle zwischen 1895 und 1915 entstanden und vereinen auch viele Jugendstilelemente. Ich nenne diese Form immer den martialischen Jugendstil. Sie sind auch alle vom gleichen Architekten, der den schlichten Namen Bruno Schmitz führte, 1858 in Düsseldorf geboren wurde und 1916 in Berlin starb.

Interessant finde ich noch, dass es sich bei dem Reiterstandbild mit Kaiser Wilhelm um eine Kopie handelt. Das Original ist im 2. Weltkrieg zerstört worden und der Sockel wurde 1953 vom damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuß zum „Mahnmal der deutschen Einheit“ umfunktioniert. Insbesondere durch den Zeitungsverleger Werner Theisen wurde die Rekonstruktion des Reiterstandbildes Wilhelm I. ab Ende der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts betrieben. Er verpflichtete sich, die Rekonstruktion zu finanzieren und es dann der Stadt Koblenz zu schenken. Bernhard Vogel lehnte als Ministerpräsident die Schenkung 1988 ab, weil das Denkmal weiterhin „Mahnmal der Deutschen Einheit“ bleiben müsse. Das Land musste zustimmen, da ihm das Denkmal gehörte. Nach der Wiedervereinigung hatte natürlich das „Mahnmal“ seine sinnstiftende Bedeutung eingebüßt. So gingen die Auseinandersetzungen weiter. Der kurzzeitige Nachfolger von Bernhard Vogel, Carl-Ludwig Wagner, stand der Schenkung aufgeschlossener gegenüber und so beschloss die Landesregierung im September 1990 die Schenkung anzunehmen. Die neue SPD geführte Landesregierung und Rudolf Scharping geriet 1991 unter Druck und versuchte die Zusage rückgängig zu machen. Man sah es als „einfach peinlich (an), wenn eine sozialliberale Regierung ausgerechnet einen Kaiser Wilhelm auf den Sockel setzt“. Um sich dem und auch einer möglichen gerichtlichen Niederlage zu entziehen, schenkte die Landesregierung die Landzunge Deutsches Eck im Mai 1992 der Stadt Koblenz und übertrug ihr somit die Verantwortung für die Entscheidung sowie die Kosten der Rekonstruktion. Auch die Stadt Koblenz tat sich mit dem Geschenk schwer. Dennoch wurde dann am 2. September 1993 das Reiterstandbild wieder aufgestellt und am 25. September 1993 eingeweiht. Dass die Aufstellung am sogenannten Sedantag erfolgte, dem Tag der Kapitulation Napoleons III., fand natürlich in Frankreich Beachtung und zeigt Ignoranz, einen Mangel an Sensibilität im Umgang mit der deutsch-französischen Geschichte und eine Geschmacklosigkeit, die man eigentlich in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts nicht mehr für möglich gehalten hätte.

Meine Bahnfahrt erweist sich dagegen wieder erwarten als unproblematisch. Lediglich der Zug zwischen Kassel-Wilhelmshöhe und Halle ist sehr überfüllt und ich bekomme nur einen Stehplatz. Von Kassel-Wilhelmshöhe fahren die Züge nicht weiter in den Norden so dass die Reisenden auf Regionalzüge und auf Umstiegsmöglichkeiten in Eichenberg, Leinefelde und Sangerhausen verwiesen werden. Ansonsten verläuft die Fahrt aber unproblematisch. Ich bin pünktlich um 19.50 in Leipzig und werde mit einem köstlichen Abendessen von meiner Frau empfangen, bei dem wir dann unser Wiedersehen feiern.

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