Tagesstrecke: 23,20 Km; 9,1 Km/h; 100 Hm – Rest mit dem Zug
Der Morgen ist zwar noch verregnet, aber die Perspektiven sind gut. Nach dem Frühstück scheint die Sonne. Zwar bleibt der Wind, wie in den letzten Tagen schon, nach wie vor recht heftig, da er aber oft in meine Fahrtrichtung bläst, bleibt es erträglich. Die Tour verspricht auch relativ entspannt zu werden. So fahre ich denn gegen 10 Uhr los.
Nach einigem Auf und Ab über Nebenstraßen komme ich wieder auf den festen Kiesweg, der auf den Klippen entlang mit einem schönen Blick aufs Meer führt. Hier führt der Weg dann zunächst vorbei an den Batteries des Longues, trotz des französischen Namens waren es deutsche dick betonierte Gefechtsstände, mit denen und von denen aus alliierte Angriffe verhindert werden sollten. Trotz eines regen Besuchs der Batterien, sie sind weitgehend unzerstört, verspüre ich nach wie vor kein Bedürfnis dort hineinzuschauen. Sie hatten eine Schlüsselstellung am sogenannten Atlantikwall und konnten auch bei den Luftangriffen der Alliierten vom 5. Juni 1944 nicht außer Gefecht gesetzt werden. Sie wurde dann durch Bomben, die von den Kriegsschiffen abgeschossen wurden deaktiviert.
Ich fahre weiter und nach einiger Zeit fällt mein Blick auf einen zauberhaft gelegenen größeren Ort an einem langen goldgelben Sandstrand. Das heute Goldgelbe liegt sicher nicht am Namen des Strandes, sondern am Sonnenschein, der gerade den Strand erleuchtet. Der Name ist aber auch passend. Vor mir liegt der sogenannte Goldbeach, inzwischen schon der dritte Landungsstrand, den ich besuche. Vor mir führt nun der Weg mit etwa 10 Prozent Gefälle hinunter zu dem Strand bzw. zu dem Ort Arromanches. Hier hatten die Alliierten auch einen Provisorischen Hafen eingerichtet wie man an zahlreichen Überresten im Meer erkennen kann.
Als ich mir das Gesehene durch den Kopf gehen lasse und mit angezogener Bremse den Berg hinunterfahre, empfinde ich es plötzlich so, als würde ich auf einem Schwamm fahren. Zunächst mache ich mir noch keine Gedanken aber als es dann stärker wir, bremse ich schaue auf meine Reifen und merke, dass der Hinterreifen Luft verliert. Ich fahre noch ein paar Meter weiter, um dann festzustellen, dass die Luft inzwischen aus dem Reifen fast vollständig entwichen ist. So steige ich vom Fahrrad, schiebe es. vergesse meine bisherigen Gedanken und grüble erst einmal nach, was ich tun könnte oder müsste.
So erreiche Arromanches und lege erst mal einen Stopp ein und Google nach einer Fahrradwerkstadt bzw. -laden im Ort. Das Ergebnis ist negativ. Ich habe zwar Flickzeug mit aber keinen Ersatzschlauch und weiß natürlich, dass meine handwerklichen Fähigkeiten beim Flicken eines Fahrradschlauches nicht immer optimal sind, so dass ich dies nur im äußersten Notfall machen möchte. Außerdem ist es neben dem Fahrradschlauch hilfreich, wenn man einen Ständer hat, auf dem man das Fahrrad befestigen kann. Einfach umdrehen hat sich bei mir schon als recht problematisch erwiesen.
So gehe ich erst einmal weiter ins Dorf hinein und nun verfolge nun die Ideen entweder eine Autowerkstatt zu finden oder mich bei der Touristeninformation zu erkundigen, was ich tun könnte bzw. wo ich hin müsste. Auf eine Autowerkstatt werde ich nach etwa 500 weiteren Metern des Fahrrad Schiebens durch Blick in eine Seitenstraße aufmerksam. Der Mann in der Werkstatt begegnet mir zwar freundlich und um mich verständlich zu machen, was ich will, brauche ich auch keine Übersetzungs-App, sondern verweise nur auf meinen platten Reifen. Allerdings gibt er mir unmissverständlich zu verstehen, dass ich bei ihm an der falschen Adresse sei. Mit der Übersetzungs-App unterhalten wir uns dann weiter. Ich zeige ihm sogar mein Flickzeug, aber er lehnt ab, weil er nicht das nötige Werkzeug dafür habe. Er weist mir dafür aber einen Weg zu einem Fahrradverleiher, der aber auch wieder 500 Meter quasi zurück sein sollte. Auf jeden Fall bin ich wieder unterwegs und finde keinen Fahrradverleiher. Als ich zurückkomme ist die Werkstatt auch geschlossen, so dass ich nicht einmal mehr nachfragen, ob ich ihn vielleicht missverstanden habe.
Jetzt gehe ich nun meiner zweiten Idee nach und steuere die Touristeninformation an, indem ich weiter mehre hundert Meter mein plattes Fahrrad schiebe. Von einigen Touristen werde ich inzwischen schon mitleidig oder verständnislos angeschaut, aber es hilft ja nichts. In der Touristeninformation sitzt eine junge Dame, die zwar kein deutsch spricht aber dafür etwa soviel englisch wie ich. Das sind bei solchen Problemen meistens die konstruktivsten Konversationen. Als ich ihr mit unter Hinweis auf den platten Reifen vor der Tür mein Problem klar gemacht habe, bitte ich sie doch mal zu schauen, wo die nächste Fahrradwerkstatt sei. Sie sagt spontan, dass es hier im Ort keine gäbe aber in Bayeux. Ein Blick auf die Google-Maps zeigt mir, dass dieser etwas größere Ort etwa 10 Kilometer weit landeinwärts liegt. Auf die Frage, wie ich denn dahin kommen könne, verweist sie auf den Bus. Als sie nachguckt kann ich ihren Gesichtszügen schon entnehmen, dass dieses Unterfangen keinen Erfolg haben wird. Der Bus fährt nämlich nur morgens und abends. Auf meine Frage, was dann bleibe, fällt auch ihr nur noch das Taxi ein. Ich spreche mich dann auch für ein Taxi aus und bitte sie für mich zu telefonieren, ob ich erstens bei der Fahrradwerkstatt die Sache regeln könne und gab ihr dazu die wesentlichen Daten des Reifens und zweitens, ob sie mir dann ein Taxi bestellen könne. Sie ist sehr wohlwollend, verweist mich aber auf ein Schild, worauf steht, dass man für erbetene Telefonate 2 € bezahlen muss. Als ich dem zustimme, will sie als erstes das Taxi anrufen, wobei ich sie unterbreche und bitte, zunächst die Fahrradwerkstatt anzurufen, was sie dann auch versteht. In der Fahrradwerkstatt bekommt sie auch gleich jemanden ans Telefon und unter Durchgabe meiner Daten bekommt sie grünes Licht, dass ich kommen könne. Dann ruft sie das örtlich Taxiunternehmen an, erhält aber hier sehr schnell die Auskunft, dass es keine Fahrräder transportieren könne. Als nächstes ruft sie das Taxiunternehmen in Bayeux an. Hier ist sie nach einem etwas längeren Gespräch erfolgreich. Ich bitte sie noch nach de ungefähren Preis zu erfragen und als ich zu der angegebenen Preisspanne mein Einverständnis gebe, wird mir mitgeteilt, dass das Taxi in einigen Minuten kommt. Inzwischen ist es 12:15 Uhr. Während ich warte schaue ich bei Google mir mal die Webseite der Fahrradwerkstatt an und stelle fest, dass sie zur Zeit geschlossen ist und erst um 14 Uhr wieder aufmache. Auf meine Frage bestätigt mir die junge Frau das und entschuldigt sich, dass sie vergessen habe, mir das mitzuteilen. Na, was solls! Im Prinzip weiß ich ja, dass in Frankreich fast alle Geschäfte von 12 bis 14 Uhr Mittagspause haben. Die gesamte Kommunikation mit der jungen Frau läuft übrigens mehr mit Körpersprache ab als mit Worten.
Nach einer halben Stunde kommt dann auch mein Taxi. Ich bedanke mich noch einmal bei der hilfsbereiten jungen Dame, währenddessen der Taxifahrer schon mal sein Fahrzeug umbaut, indem er die Rücksitze herunterklappt. Da es ohnehin ein Kombi ist, macht es keine großen Probleme. Auch mein Gepäck bekommt er noch unter und so fahren wir los. Nach einiger Zeit wundere ich mich beim Blick auf Google-Maps, wo wir langfahren. Obwohl wir in einen größeren Ort fahren, fährt er lauter verwinkelte Nebenstraßen. Er schien meine Irritation zu merken und als wir nach einiger Zeit wieder auf die Hauptstraße nach Bayeux kamen, verwies er nach links, wo ich sehen konnte, dass die Hauptstraße gesperrt war. Nach etwa 20 Minuten waren wir am Ziel und der freundliche Taxifahrer half mir beim Ausladen, bzw. er lud aus und ich nahm mein Fahrrad und meine sechs Taschen entgegen und platzierte sie vor dem Fahrradladen.
Die Fahrradwerkstatt liegt in einem Industriegebiet. Daher gibt es hier nichts zu essen und zum einkaufen. So muss ich mit meinem letzten kleinen Beutel Studentenfutter von Aldi vorlieb nehmen und die Dreiviertelstunde überbrücken. Kurz vor 14 Uhr kam dann der Besitzer des Fahrradladens Er konnte weder deutsch noch englisch, aber wir brauchten auch nicht viel zu sprechen, das Problem war zu offensichtlich. Er spannte mein Fahrrad in einen Ständer ein, ich gab im meinen Pitlock Sicherheitsschlüssel, damit er die Schraube, die das Hinterrad im Rahmen hält, lösen konnte und schaute ihn zu, wie er sehr souverän und gekonnt das Rad nahm, den Schlauch herausholte und dann auch den Reifen noch überprüfte, ob irgendwo noch etwas zu finden sie, was einen neuen Schlauch gefährden könnte. Auch den alten Schlauch pumpte er noch einmal auf und wir konnten so die Stelle finden, wo die Luft entwich. Sie war kaum sichtbar aber nachhaltig. Dann setzte er den Reifen wieder mit einer Hälfte auf die Felge, fädelte den Schlauch in den Reifen und zog auch die andere Hälfte des Reifens wieder auf die Felge. Dann wurde das Ventil befestigt, das Rad wieder in den Rahmen eingehängt und befestigt und schließlich aufgepumpt und innerhalb von etwa 15 Minuten war der ganze Zauber erledigt.
Ich bedankte mich, bezahlte die sehr überschaubare Rechnung, packte mein Gepäck wieder auf und entschied für mich, dass es nun um 14:30 Uhr vielleicht nicht mehr so ratsam sei, die Tour heute noch zu Ende zu fahren. Immerhin lagen noch mindestens 50 Kilometer oder 30 Kilometer auf einer Bundesstraße vor mir. Letzteres wollte ich vermeiden und ersteres schien mir dann doch auf einer unbekannten Strecke nicht so sinnvoll zu sein. Inzwischen hatte ich herausgefunden, dass es eine direkte Bahnverbindung zwischen Bayeux und meinem heutigen Ziel Caen gibt. Leider fuhr der nächste Zug um 14:30 Uhr, den ich also nicht mehr bekommen würde und der nächste erst um 16:15 Uhr. Aber so konnte ich noch eine Rundfahrt durch die Stadt Bayeux machen. Eine Rundfahrt, die letztlich viel zu kurz war, aber bei mir einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat.
„In Bayeux hat sich um die Kathedrale von Bayeux (Romanik, normannische Gotik, Flamboyant-Gotik) eine fast vollständig erhaltene Stadtstruktur erhalten. Hierzu gehören teilweise noch im Privatbesitz befindliche Stadtpalais aus dem 17. und 18. Jahrhundert, Pfarrkirchen an den Stadtausfahrten und besonders das Gerberviertel. Das Museum zur Landung der Alliierten im Zweiten Weltkrieg zeigt umfassend die Geschehnisse des Jahres 1944 in der Region. Im Musée de la Tapisserie wird der mittelalterliche Teppich von Bayeux ausgestellt. Er zeigt die Geschichte der Eroberung Englands durch die Normannen in der berühmten Schlacht von Hastings im Jahre 1066. Daneben gibt es das Musée Baron Gérard mit Sammlungen zur Regionalgeschichte und bedeutenden Kunstwerken und die De-Gaulle-Gedächtnisstätte, die die Verbindung des ersten Präsidenten der V. Republik zu Bayeux eindrucksvoll und emphatisch darstellt.“ So lese ich es bei Wikipedia und ich kann nur sagen, so empfinde ich es auch nach meiner Stadtrundfahrt, zumindest was den ersten Satz der Ausführungen entspricht. Allein die Kathedrale und die fast vollständig erhaltene Stadtstruktur hätten einen längeren Aufenthalt geboten. Die Kathedrale Notre-Dame de Bayeux ist der Sitz des Bischofs von Bayeux-Lisieux und sicher eines der tatsächlich bedeutendsten sakralen Baudenkmäler der Normandie.
Meine Rundfahrt beende ich dann in einer kleinen Bar in der Altstadt, wo ich mir einen Cappuccino und ein überbackenes Brot mit Camembert, Speck, Apfelstückchen und Mandelsplittern gönne. Sehr empfehlenswert! Dann geht es zurück zum Bahnhof, der Zug kommt pünktlich und braucht nur 15 Minuten bis zu meiner Zielstation Caen. Hier geht es dann noch einmal fast fünf Kilometer bergauf bevor ich am Stadtrand zu meinem heutigen Hotel komme. Caen ist eine Großstadt von knapp über 100 Tsd. Einwohnern. Wenn ich es schaffe dazu morgen noch einmal etwas mehr.
heute hätte ich noch die drei Letzten Strände der Landung in die Normandie besuchen wollen. Es handelt sich um den Gold Beach, den ich zumindest von weitem noch sehen konnte, den June Beach und den Sword Beach. Das ist leider nun ausgefallen. Grund genug einen kurzen Rückblick auf diesen Abschnitt meiner Reise zu machen. Wie sicher aufgefallen ist, bin ich an Kriegstechnik im Speziellen nicht interessiert. Mich interessierte aber die organisatorische und strategische Seite der Landung der Alliierten. Da gibt das, was man an den Stränden sieht und dazu liest einen ganz guten Eindruck, zu mal an der Länge der Strände auch die ganze Dimension des Unterfangens sichtbar und spürbar wird.
Auch wenn das einigen meiner Follower nicht gefallen wird. Ich habe sehr großen Respekt vor den Leistungen, der Amerikaner, der Briten, der Franzosen und was oft unter den Tisch fällt der Kanadier und der Polen, die an dieser Aktion beteiligt waren. Wir können heute noch froh und dankbar sein, dass es dazu gekommen ist, den nur durch diese Landung in der Normandie, war es möglich das nationalsozialistische Deutschland endgültig in die Knie zu zwingen und zu beseitigen. Bei uns in Deutschland greift ja gerade wieder die These um sich, dass ein Krieg nie auf dem Schlachtfeld entschieden werden könne, sondern nur diplomatisch. Der Zweite Weltkrieg ist auf jeden Fall ein Gegenbeispiel dafür und das war in diesem Fall auch wichtig und notwendig. Dies sollten wir uns heute bei der Beurteilung des imperialistischen Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine gelegentlich vor Augen führen. Hier darf man in der Unterstützung nicht zögern und zaudern, hier muss man dem Aggressor ein klares Signal geben, dass er den Kürzeren ziehen wird.