26. Tag: (3. April 2024) – Von Carentan nach Port-en-Bessin-Hupain

Tagesstrecke: 69,2 Km; 11,9 Km/h; 460 Hm

Heute morgen regnet es noch immer oder schon wieder. Aber nach dem Frühstück hat es dann aufgehört. Ich komme kurz nach 9 Uhr los und das ist auch gut so. Heute liegt eine Strecke von um die 70 Kilometern vor mir, mehr Höhenmeter als bisher und es gibt einiges zu sehen. Die ersten 30 Kilometer sind aber was Höhenmeter betrifft sehr entspannt. Zunächst mache ich noch eine kleine Rundfahrt durch Carentan und werfe zumindest einen Blick in die Kirche Notre-Dame.

Dann geht es los. In Les Veys bleibe ich einen Moment vor der Kirche stehen und in Insigny-sur-Mer drehe ich ein kleine Runde durch die hübsche Stadt. Nach etwas über 30 Kilometern erreiche ich dann Grandcamp-Maisy. Der Haupterwerbszweig ist neben dem Tourismus die Fischerei, insbesondere von Jakobsmuscheln. Schon einige Kilometer vor her bin ich an einem Strand vorbeigekommen, wo diese Muscheln gefangen werden. Ich hätte auch kosten können, überall waren entsprechende Angebote ausgewiesen, allerdings verspürte ich keine große Lust auf Jakobsmuscheln.

Nach Grandcamp-Maisy geht es dann die Klippen hinauf, auf denen ein wunderschöner fester Kiesradweg angelegt wurde. Ich befahre ihn allerdings alleine. Nach knapp fünf Kilometern bin ich dann am Pointe du Hoc. Die Pointe du Hoc ist ein 500 Meter langer und etwa 30 Meter hoher Abschnitt an der Steilküste der Calvadosküste, etwa 6,4 Kilometer von dem von den Alliierten Omaha Beach getauften Strandabschnitt entfernt. Am D-Day, während der Operation Overlord im Zweiten Weltkrieg wurde ein ein US-amerikanisches Ranger-Bataillon damit beauftragt, schon vor der Landung eigentlichen Landung der Truppen am Omaha Beach bei der Pointe du Hoc deutsche Stellungen auszuschalten, was dann auch unter allerdings sehr hohen Verlusten bei den Amerikanern gelang. Landschaftlich ist der Pointe du Hoc wegen eines freistehenden Felsens bekannt, der ein häufiges Fotomotiv ist. Bei mir natürlich auch.

Da an dem Pointe du Hoc Fahrradfahren verboten ist, ich aber doch mehr davon sehen möchte, schiebe ich mein Fahrrad durch das Gelände. Ich bin der einzige mit Fahrrad hier. Aber es laufen Hunderte Menschen herum und der Parkplatz ist fast voll. Die Menschen schauen sich also gezielt die Highlights der Landung in der Normandie an, bewegen sich aber wohl überwiegend mit dem Auto. Auf meinen Radfahrwegen begegne ich kaum einem Menschen.

Nachdem ich mich hier umgesehen habe, fahre ich nun weiter zum Omaha Beach. Hier muss ich dann runter bis zum Strand. Es sind etwa 70 Höhenmeter von den Klippen runter an den Strand. Hier ist nun wieder nicht sonderlich viel zu sehen, außer einer Reihe von Denkmälern, Gedenksteinen, Café, Restaurants und Hotels. Auffallend und für mich bisher noch unbekannt, dass entlang des Strandes die Kliffs oben wie auch unten mit zahlreichen Wohnsiedlungen bebaut sind und zum großen Teil auch damals schon waren. Der Omaha Beach soll übrigens etwa 10 Kilometer lang sein. Einige Kilometer fahre ich auch den Strand entlang.

Was man auf den Gedenksteinen natürlich nicht liest, ist die Tatsache, dass die Landung der Alliierten in der Normandie alles andere als glatt verlief. Neben zahlreichen anderen Pannen erlitten die Landungstruppen am Omaha Beach die größten Verluste, da die 448 B-24-Bomber mit 1285 Tonnen Bomben der 2nd Bombardment Division der 8th Air Force die deutschen Stellungen verfehlten beziehungsweise die Verteidigungsanlagen trotz Bombardierung größtenteils intakt blieben. 117 B-24 Bomber kehrten sogar mit ihrer Ladung wieder zurück nach England, da sie ihre Ziele nicht fanden. Nachdem aber im Laufe des 6. Juni weitere Landungswellen den Strand mit weiterem Material wie Panzern und Artillerie erreichten,  zogen sich die noch vorhandenen deutschen Truppenteile schon ab dem 7. Juni 1944 nur noch zurück, da gegen die Übermacht der alliierten Panzer, Artillerie und Luftwaffe ein Ankämpfen mit Handwaffen und vereinzelten Panzern nicht mehr möglich war.

Dennoch waren auf Seiten der Alliierten Tausende Tote zu beklagen. Dabei muss ich eine Zahl von gestern wohl korrigieren. Ich hatte von ca. einer Mio. Soldaten gesprochen, die am 6. Juni 1944 in der Normandie gelandet seien. Es waren an diesem ersten Tag aber wohl „nur“ 150 Tsd. Auch immerhin die Zahl einer Großstadt. Aber durch die Landung und den folgenden Erfolgen der Alliierten war es natürlich möglich, dass immer mehr Truppen nachrücken konnten. Omaha Beach diente nach dem D-Day zunächst als provisorische Hafenanlage, bevor man dann Cherbourg erobert hatte und hier einen dauerhaften Hafen für den Nachschub einrichten konnte.

Vom Omaha Beach die Klippen hoch habe ich nun eine Schiebestrecke. Die Straße ist zu steil für mich, um hier noch zu fahren. Mein letztes Ziel, das ich mir heute anschaue, ist der Amerikanische Soldatenfriedhof in Colleville-sur-Mar, also direkt am Omaha Beach. Eine wunderschöne Parkanlage mit tausenden weißer Kreuze, jedes für einen, die nicht alle, aber überwiegend bei der Landung ihr Leben verloren haben. Zehn Blöcke, die durch den Mittelgang in zwei Fünfergruppen getrennt sind, bilden den Raum, der den Gräbern gewidmet ist, in denen die Leichen von 9.387 Menschen ruhen.

In der Mitte des neoklassizistische Denkmal, das den gesamten Friedhof sozusagen umfängt, erhebt sich eine sieben Meter hohe Bronzestatue des amerikanischen Bildhauers  Donald De Lue. Sie soll die die Seele der amerikanischen Jugend symbolisieren, die sich aus den Wellen erhebt. Der Sockel ist von einer Inschrift in Bronzebuchstaben umgeben: „MIT MEINEN AUGEN HABE ICH DIE GÖTTLICHE HERRLICHKEIT KOMMEN SEHEN“. Ob man das passend findet oder nicht, beeindruckend ist es schon.

Da ich mein Fahrrad mit meinem gesamten Gepäck zwar abgeschlossen aber unbeaufsichtigt am Parkplatz zurücklassen musste, verweile ich natürlich nicht allzu lange hier, zumal auch der Friedhof heute von Hunderten Besuchern bevölkert ist. Nun geht es auf teilweise etwas verschlungenen Wegen weiter nach Port-en-Bessin, ein Ort von etwa 1.900 Einwohnern. Meine heutige Unterkunft liegt etwas außerhalb in dem Vorort Commes. Es geht noch einmal steil bergauf und ich muss heute das zweite Mal schieben, werde dafür aber mit einer sehr schönen Unterkunft belohnt.

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