Wieder ein herrlicher Tag. Nach dem Frühstück, dass ich mir zwar selber bereiten muss, aber alle notwendigen Zutaten von Pia, der guten Seele des Hauses, bereitgestellt wurden, fahre ich die fünf Kilometer zurück nach Kerimäki. Dort steht die größte Holzkirche der Welt und die will ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Sie thront schon förmlich über der Stadt. Nach dreijähriger Bauzeit wurde sie im Jahre 1847 eingeweiht. Es ist eine klassizistische Kuppelkirche mit dem Grundriss eines griechischen Kreuzes. Der Glockenturm steht frei neben der Kirche wie es in Norddeutschland und Skandinavien häufiger üblich ist.

Natürlich sind die Dimensionen der Kirche von 45 m Länge x 42 m Breite x 27 m Höhe beeindruckend und sind auch der wesentliche Grund, warum sich die Kirche zum Touristenmagnet entwickelt hat. Die gewaltigen Ausmaße ergaben sich einer Legende nach aus einem Missverständnis, wonach ein nach Amerika ausgewanderter und zu Reichtum gelangter Finne seiner Heimatgemeinde eine Kirche stiften wollte. Der mit der Planung beauftragte amerikanische Architekt habe die Pläne in Fuß entworfen und der ausführende europäischer Baumeister, der es gewohnt war, in Metern zu rechnen und zu bauen, habe deren Maße ohne Umrechnung übernommen. Der Legende widersprechen allerdings dann doch die Originalpläne, die noch erhalten sind. Vielmehr wollte man wohl tatsächlich eine so große Kirche bauen, weil man die Meinung vertrat, die Gemeinde solle auch an Markttagen gemeinsam einen Gottesdienst besuchen können. Das entspricht ja auch meinen Erfahrungen aus anderen Orten in Finnland, dass die Kirchen angesichts der geringen Bevölkerungszahl doch recht groß geraten. So bietet die Kirche hier in Kerimäki heute 3.400 Sitzplätze und insgesamt Platz für 5.000 Personen.

Es ist schon sehr beeindruckend, wenn man hier im Inneren dieser Kirche steht und tatsächlich sehen kann, dass sie bis auf das Fundament ausschließlich aus Holz errichtet wurde. Die Kirche ist ansonsten sicher kein Kunstwerk aber die Betrachtung der Handwerksleistung von Schreinern und Tischlern ist allemal einen Besuch wert.

Nach dem Besuch der Kirche kaufe ich mir noch im Supermarkt die notwendigen Vorräte für das Wochenende. Danach geht es in das 20 Kilometer entfernte Savonlinna. Zum ersten Mal seit meiner Abreise aus Leipzig und nach etwa 1.600 Kilometer komme ich mal wieder in eine Stadt! Mit 35 Tsd. Einwohnern, wovon immerhin 23 Tsd. in der Kernstadt leben, gehört sie schon zu den größeren finnischen Kommunen. Die Stadt ist modern, liegt mitten im Saimaa-Seengebiet und ist selbst auf mehreren Inseln verstreut gebaut. Ich widme mich den beiden Hauptsehenswürdigkeiten, der Burg Olavinlinna und dem Dom der Stadt. Schließlich mache ich noch eine Bootsrundfahrt um die Stadt und bekomme dadurch auch einen noch besseren Eindruck.

Die Burg wurde im 15 Jhd. von den Schweden errichtet und diente dann zusätzlich zur Burg Wyborg der Sicherung der östlichen schwedischen Grenze zu Russland, die man im Vertrag von Nöteborg Anfang des 14. Jahrhunderts quer durch Karelien gelegt hatte, ohne dass der genaue Grenzverlauf bekannt war, weil die Region damals noch weitgehend unerschlossen war. So kam es daher oft zu Streitereien zwischen Russen und Schweden, denen die Schweden mit dieser Burg begegnen wollten. Dennoch hat die Burg nicht verhindern können, dass das Gebiet mehrfach zwischen Russland und Schweden hin und her wechselte. Die Burg wurde mehrfach restauriert und gilt heute als die besterhaltendste mittelalterliche Burganlage in Nordeuropa. Mit Unterbrechungen finden seit 1912 und regelmäßig seit 1967 nun in der Burg jährlich im Juli/August die Savonlinna-Opernfestspiele statt, deren Besuch ich allerdings nicht beabsichtigte.

Der Dom von Savonlinna ist ein neogotischer Kirchenbau aus der 2. Hälfte des 19. Jhd. Von 1896 bis 1925 war sie Bischofssitz, der dann allerdings nach Wyborg verlegt wurde. Nachdem Wyborg wieder an die Russen fiel, befindet sich der Bischofssitz wieder in Finnland aber nicht in Savonlinna, sondern in dem unweit entfernten Mikkeli. Dennoch spricht man weiter vom Dom in Savonlinna. Während des Winterkrieges wurde der Dom durch die Bombardierung der Roten Armee stark beschädigt. Er wurde aber bereits kurz nach dem 2. Weltkrieg etwas einfacher wiederaufgebaut. Die Innensanierung in den 1990er Jahren gab dem Gebäude eine schlichte Eleganz. Dabei wurden auch das Altarfenster und die Orgel erneuert.

Die Fahrt mit dem Boot rund um Savonlinna gibt noch einmal einen schönen Eindruck von der Stadt. Inzwischen werden die wichtigsten Inseln, über die die Nationalstraße 14 läuft, mit eleganten modernen Bogenbrücken von beträchtlicher Höhe verbunden. Trotz der Größe und Modernität der Stadt sieht man aber auch hier, dass sie immer noch im Wald liegt, was das Stadtbild aber durchaus reizvoll macht. Im Anschluss mache ich eine längere Rast und gönne mir wie alle Finnen heute auch einen Eisbecher und einen Kaffee. Danach geht es die 20 Kilometer zurück in meine Unterkunft. Es ist eine Strecke mit erfreulich wenigen Steigungen.

Tagesdaten: 50,70 Km; 03:27:57 Std. Fz.; 14,63 Km/h; 301 Hm

5 Kommentare

  • Heidrun R-K sagt:

    Wenn ich mich recht erinnere, sind es in diesem Bericht die ersten Bilder, auf denen mehr als drei Menschen zu sehen sind. Von daher bestätigen die Bilder, dass diese Gegend dichter besiedelt ist. Beeindruckend finde ich die große Holzkirche. An der sich um die Entstehung rankenden Legende ist sicherlich etwas Wahres dran.

    Was ich bisher vermisse, ist ein Bild vom Zusammentreffen mit einem Elch! Haben die sich alle vor Dir versteckt oder Du dich vor ihnen?

  • Kathrin Hickethier sagt:

    Hallo Wolfgang
    Nachdem nun mein PC- Problem gelöst ist, kann ich mich auch mal herzlichst für deine interessanten und kurzweiligen Reiseberichte bedanken. Trotz der wunderschönen Landschaft ist mir aber die „Reisebeteiligung“ am PC lieber als live mit dir durch die endlosen Weiten zu radeln. Aber deine Erlebnisse sprechen schon für sich und wecken die Reiselust.
    Ich hoffe dein Rad hält weiterhin so gut durch und deine Unterkünfte gestalten sich einladend.
    Weiterhin stramme Wadeln wünschen dir die Atzendorfer

    • Wolfgang Kohl sagt:

      Vielen Dank für die Grüße und schön, dass ihr Reise verfolgt. Das ist für mich immer Motivation, mich abends noch vor den laptop zu setzen. Heute schaffe ich es allerdings nicht mehr, meinen Bericht zu schreiben. War ein anstrengender Tag. Dazu morgen mehr.

  • Kathrin und Thomas sagt:

    Hallo Wolfgang , wir versuchen schon seid 2 Wochen dir liebe Grüße zukommen zu lassen scheitern aber immer wieder beim versenden. Hoffen das es jetzt klappt, schöne Erlebnisse noch von Kathrin und Thomas !

  • Regina Sakowitz sagt:

    Hallo Wolfgang,

    Du bist ja nun ein gutes Stück voran gekommen und der Zeitplan geht auf. Das Wetter spielt auch mit und Deine Fotos sprechen für sich. Noch viele schöne Eindrücke in Finnland. Bin gespannt auf Russland.
    Gute Reise und liebe Grüße aus Chemnitz.

    Regina

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