Auch heute kann ich mich über das Zimmer hier im Saint-Père nicht beklagen. Das Frühstück ist ebenfalls o. k. und ich merke das ich mich bereits gut an französisches Frühstück gewöhnt habe. Heute liegen über 80 km und etwa 1000 Höhenmeter vor mir. Der Blick aus dem Fenster macht es nicht besser, denn es regnet. Welch ein Unterschied zu dem phantastischen 1. Mai von gestern. Ich kann es vorwegnehmen, das wird sich auch den ganzen Tag nicht enthalten, von kleinem Regenpausen einmal abgesehen. Es ist kein heftiger aber ein dauerhafter Regen. Oft ist es nur Nieselregen, aber nach einiger Zeit weicht der einen auch durch. Und: es ist gefühlt bitter kalt. So tröste ich mich damit, dass ich mir wenigstens nicht Vezelay bei so einem Wetter ansehen musste. 

So fahre ich durch die schöne Landschaft Burgunds, die natürlich bei diesem Wetter nur halb so schön ist. Dennoch komme ich gut voran, es gibt ja auch wenig Grund zu verweilen. Nach etwa der Hälfte der Tour, am höchsten Punkt, denn ich heute erreiche, mache ich in dem kleinen Dorf Montenoison auf einer Bank am Dorfbrunnen meine Mittagspause. Immerhin habe ich von vorgestern noch ein Ceralienbaguette, zwei halbe Stück Käse und drei Bananen. Eine Einkehrmöglichkeit gibt es auf der gesamten Tour ohnehin nicht, obwohl ich durch zahlreiche Dörfer und Weiler durchfahre. Man merkt halt immer wieder, dass Frankreich erheblich dünner besiedelt ist als Deutschland und Burgund ist noch besonders dünn besiedelt. Allerdings scheint hier die Landwirtschaft doch großflächiger betrieben zu werden als beispielsweise in der Franche-Comte. So habe ich nicht den Eindruck, dass es hier alles Kleinbauern sind, sondern sowohl die Größe der Felder als auch die Bauernhöfe selbst sprechen doch dafür, dass es sich um größere Höfe handelt. Auffallend ist allerdings auch, dass sie nicht sonderlich modern aussehen, was dem Landschaftsbild sicher zugute kommt, der Produktivität wahrscheinlich eher nicht. Neuere landwirtschaftliche Maschinen sieht nicht.

Nach meiner Mittagspause spüre ich die Kühle noch erheblich mehr. Aber es nutzt wenig, eine Möglichkeit, sich irgendwo aufzuwärmen, ist und kommt auch nicht in Sicht. So radle ich weiter und erwärme mich bei den häufigen Steigungen, die heute zu bewältigen sind. Ich erreiche dann Newers erheblich früher als ich das ursprünglich gedacht hatte und bin bereits gegen 16:30 Uhr in meinem vor gebuchten kleinen Hotel. Leider ist hier das Zimmer mit neun Quadratmetern doch erheblich kleiner als ich das in den letzten Tagen gewohnt war. So muss ich nun erst einmal sehen, wie ich meine Sachen hier lagere und damit ich mich auch noch in dem Zimmer bewegen kann.

Die heiße Dusche nach meiner heutigen Tour genieße ich besonders. Nachdem ich mich so etwas erfrischt habe, mache ich mich zu einer ersten Erkundungstour durch Nevers auf. Natürlich suche ich als erstes einen Waschsalon, den mir der Hotelportier empfohlen hat. Als ich mit den Anleitungen nicht recht klar, und der Automat auch mein Geld nicht annehmen will, beschließe ich, das Wäschewaschen auf morgen zu verschieben. Denn nach inzwischen 19:00 Uhr gibt es in den Waschsalon keinen Ansprechpartner mehr. Auf meinen Wunsch, heute italienisch zu Abend zu essen, hatte mir der Portier einen Italiener in der Innenstadt empfohlen. Die Pizza ist ausgezeichnet, auch wenn die Pizzen in Frankreich immer etwas an Flammkuchen erinnern, weil der Teigboden sehr dünn ist. Da ich aber auch Flammkuchen sehr gerne esse, macht mir dies nichts aus. Ich trinke dazu 1/4 Rotwein und leiste mir nach den Anstrengungen des Tages noch ein köstliches Dessert mit Eis und Sahne.

In dem Restaurant sind die Tische recht eng gestellt. Am Nachbartisch, nur getrennt durch einen die Decke stützenden Holzbalken, sitzt ein Ehepaar etwa meines Alters. Während ich mit meinen Gehörproblemen nicht sagen könnte, ob sie französisch oder eine andere Sprache miteinander sprechen, scheint die Frau auf jeden Fall mitbekommen zu haben, dass ich kein französisch spreche. Nach einiger Zeit sprich Sie mich mit kaum zu missverstehendem österreichischen Akzent an und fragt ob ich deutsch spreche. So kommen wir ins Gespräch und es wird ein längerer Austausch über unsere jeweilige Reiseerfahrungen. Auch sie haben nach ihrer Pensionierung ihre Reisetätigkeit ausgeweitet. Für die Frau, sie heißt Susanne und wird wohl Susi gerufen, ist es als ehemalige Lehrerin wohl ein besonderer Genuss nicht mehr in den Hauptferienzeiten verreisen zu müssen.

Die beiden scheinen ebenfalls Frankreich- und Spanien sehr zu mögen. Spanien wohl sogar noch etwas mehr. Sie sind allerdings mit dem Flugzeug hierher gekommen, haben sich einen Leihwagen gemietet und reisen nun durch das Zentrum von Frankreich. Da sie sich in den nächsten Tagen Burgund anschauen wollen, kann ich Ihnen einige Tipps geben. Sie waren dagegen auf einer anderen Reise schon auf dem Jakobsweg unterwegs und schwärmen in den höchsten Tönen von den dort zu besichtigen besichtigenden Kirchen und Kathedralen. Da mich das natürlich sehr interessiert und ich da ja auch meine Erwartungen habe, entwickelt sich ein spannendes und auch sehr angenehmes Gespräch. Dabei fließt der Abend so dahin. Gegen 21:30 Uhr verabschiede ich mich dann aber und ziehe mich zurück in meine kleine Kemenate. Ganz froh bin ich nun darüber, dass ich jetzt erst einmal zwei fahrradfrei Tage hier in Nevers verbringen werde.

Tagesdaten: 83,39 Km; 06:49:53 Std. Fz.; 12,20 Km/h; 1096 Hm

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