Nicht nur die Zimmer, sondern auch das Frühstück bei Virginie war ausgezeichnet. Außer das Wurst offensichtlich ein Tabuthema an französischen Frühstücktischen ist, ließ das Buffet nichts zu wünschen übrig. Es gab sogar selbst gepressten Orangensaft.
Eigentlich sollte heute die Sonne scheinen, allerdings war es am Morgen sehr neblig. So fuhr ich dann auch bei Nebel los, der sich allerdings innerhalb der nächsten 2 Stunden auflöste und dann der angekündigte herrliche Tag sich sehen ließ. Sonne pur und Temperaturen bis 18° begleiteten mich. Der Weg nach Saint-Pére, wo ich für heute eine Unterkunft gebucht hatte, war mit 24 km nicht sonderlich herausfordernd, selbst wenn man in Rechnung stellt, dass ich kurz vor dem Ziel noch einmal eine ganz schöne Steigerung absolvieren musste. Als ich kurz vor 12:00 Uhr das Hotel erreichte, wollte man die angeschlossene Bar gerade für die vierstündige Mittagspause schließen. So hatte ich Glück, dass ich überhaupt noch jemanden antraf. Ich wollte nämlich mein Gepäck und mein Fahrrad sicher im Hotel abstellen und dann zu Fuß in das 2 km entfernte Vézelay laufen. Das klappte ja nun gerade noch.
Nachdem ich mein Fahrrad und mein Gepäck auf diese Weise sicher untergestellt hatte, machte ich mich auf den Weg. Es ging nun wieder recht steil bergauf. Vézelay liegt am nordwestlichen Zipfel des Höhenzuges Morvan und ragt etwa 150 m über den darunter fließenden Fluss Cure hinaus und weithin sichtbar ins Land hinein. Vézelay ist eigentlich ein kleines Dorf von etwa 500 Einwohnern. Aber dominant und weithin sichtbar ist insbesondere die Basilika Sainte-Marie-Madeleine. Das Dorf wurde zu einem berühmten Wallfahrtsort als man im Mittelalter davon ausging, dass in der Krypta der Kirche die Gebeine der Maria Magdalena liegen würden. Auch wenn inzwischen die katholische Kirche selbst zu dem Ergebnis gelangt ist, dass es sich bei den in Vézelay bewahrten Gebeinen nicht um die von Maria Magdalena handeln könne, hat sich im Laufe der Jahrhunderte die Wallfahrtstradition mit einigen Schwankungen behauptet, zumal man später dann doch noch einige Reliquien der Maria Magdalena erhielt. Seine ganz große Zeit hatte Vézelay allerdings im zwölften Jahrhundert als hier Bernhard von Clairvaux 1146 im Auftrag des Papstes den französischen König Ludwig VII. für die Durchführung des zweiten Kreuzzuges gewann und sich 1190 hier der französische König Philipp II. mit Richard Löwenherz traf, um gemeinsam zum dritten Kreuzzug ins Heilige Land aufzubrechen. Außerdem war es auch Vézelay, wo 1166 Thomas Becket, der aus seinem Land ins Exil vertriebene Erzbischof von Canterbury, seinen Bannfluch über den englischen König Heinrich II. aussprach. Ein außergewöhnlicher Vorgang, der Thomas Becket schließlich das Leben kostete
Vézelay ist heute einer der vier französischen Ausgangspunkte für Jakobswege, die zum Ausgangspunkt des spanischen Jakobsweges führen. Seine Bedeutung hat der Ort weiter durch die gewaltige monumentale Basilika, die zur Zeit wieder einmal aufwändig restauriert wird und deshalb in ihrem östlichen Teil schon rund erneuert ins Land hinein strahlt, während die bedeutende Westfassade zur Zeit leider eingerüstet ist. In der Basilika kann man sehr schön die Entwicklung und den Übergang von der romanischen zur frühgotische Architektur erkennen. Das, was mich an dieser Basilika am meisten beeindruckt hat, waren die figurativ reich geschmückten Kapitelle, die in vielfältiger Weise das Gute und das Böse darstellen und dabei auf Geschichten der Bibel zurückgreifen. Wenn man bedenkt dass diese Kapitelle bereits zwischen 1120 und 1150 entstanden sind, lösen Sie doch eine besondere Hochachtung aus. Immerhin finden sich in der Basilika 99 dieser Kapitelle. Allein sie zu betrachten und ihre Bedeutung nach zu forschen würde wahrscheinlich Tage in Anspruch nehmen. Dennoch habe auch ich mir einige Zeit dafür genommen und entsprechende Fotos gemacht.
Es ist keine Frage, dass solch ein Bauwerk auch bei einem Nichtchristen Bewunderung und Respekt auslöst. Ich hielt es daher auch für einen richtigen Ort habe heute glaube ich zum ersten Mal in meinem Leben fünf Kerzen entzündet und sie unseren drei Enkelinnen und zwei Heidrun und mir nahestehenden schwer erkrankten Frauen gewidmet.
Nachdem ich sicher über 1 Stunde in der Kirche verbracht habe, begebe ich mich noch auf die Terrasse hinter dem Ostchor, von wo aus man einen fantastischen Blick ins Land hinein hat. Danach bummle ich ein wenig durch den Ort, der sein mittelalterliches Gepräge weitgehend noch erhalten hat und als einer der schönsten Orte Frankreichs gilt. Selbstverständlich sind der Ort und die Basilika auch in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen worden. Ich mache auch noch eine kleine Wanderung zum Fuße des Hügels, wo Bernhard von Clairvaux 1146, nach der Einigung über den zweiten Kreuzzug, eine Kapelle hat errichten lassen. Danach gehe ich noch mal hinauf in die Stadt, gönne mir ein Eis, was sogar recht gut ist und gut tut und steige dann einen steilen Weg hinab ins Tal und wandere noch die letzten Meter zu meinem Hotel in Saint-Père. Jetzt checke ich ein. Das Zimmer ist sehr ordentlich und ich verlasse es heute auch nicht mehr, weil ich so viele Vorräte gestern eingekauft habe, dass es Frevel wäre, heute zum Abendessen auszugehen.
Tagesdaten: 25,11 Km; 01:55:30 Std. Fz.; 13,04 Km/h; 270 Hm
Hallo Wolfgang. Wir sind noch immer in der Pizzeria, in der wir uns heute kennengelernt haben und lesen mit großer Aufmerksamkeit deinen letzten Tagesbericht über Vezelay. Wir werden uns die Basilika morgen auf jeden Fall ansehen .
Schön dich getroffen zu haben. Wir verfolgen weiter deine Reise.Alles Gute! Susi und Heribert