Heute nun tatsächlich der entspannte Tag. In Jestetten versorge ich mich noch beim Penny mit Getränken und bin schon erstaunt, was für ein großer Penny hier in diesem doch aus meiner Sicht recht unbedeutendem Ort mit seinen 5 Tsd. Einwohnern. Allerdings hatte ich mich schon gestern über den doch recht intensiven Autoverkehr gewundert. Heute erfahre ich von dem Hotelchef, übrigens ein Inder, dass in Jestetten auch der größte Aldi-Markt Europas sei. Der Grund: Die Schweizer kaufen ausgesprochen gerne in Deutschland ein. Zum einen ist es erheblich preisgünstiger, zum anderen bekommen sie die Mehrwertsteuer wiedererstattet. So boomt zwar der deutsche Handel in dieser Region, aber die grenznahen schweizer Geschäfte müssen um ihr Überleben kämpfen. Ich erspare mir dann aber doch die Besichtigung des größten Aldi-Marktes Europas.

Da Jestetten auf der Höhe liegt radele ich dann runter in Richtung Schaffhausen, obwohl der Rheinfall eigentlich in der Gemarkung Neuhausen liegt. Ich komme gegen 10 Uhr hin und die Touristenmassen, die dieses Naturschauspiel täglich zu Tausenden bewundern, sind noch nicht so zahlreich vertreten. Leider steht die Sonne fürs Fotografieren recht ungünstig. Am Nachmittag und abends müsste sie am nesten stehen. Man kann den Rheinfall sehr gut zu Fuß erkunden. Hier ist natürlich ein Fahrrad mit Gepäck nur hinderlich, da der Weg auch steil und manchmal über Treppen geht. Ich schließe mein Fahrrad also an einem Geländer an, habe aber natürlich nicht die Ruhe, es anderthalb Stunden unbeaufsichtigt zu lassen. Der Rheinfall gilt ja als der größte Wasserfall Europas, was sich sicher nicht auf die Höhe, sondern eher auf das fallende Wasservolumen bezieht. Es ist teilweise wirklich ein richtiges Postkartenmotiv, wenn man so im Hintergrund Schloss Lauffen, übrigens eine Jugendherberge, und das Schlössli Wörth betrachtet. In der Mitte des Rheinfalls steht dann ein Felsen, auf dem vaterlandsbezogen die schweizer Fahne weht.

Nachdem ich etwa eine halbe Stunde den Rheinfall studiere, betrachte und bestaune sowie zahlreiche Fotos gemacht habe, geht es weiter zunächst nach Schaffhausen. Hier laufe ich etwas ziellos durch die Innenstadt mit ihren für die Gegend typischen bemalten Häusern. Als ich einen Brunnen auf dem stadtzentralen Fronwagplatz fotografieren will, stellt sich plötzlich ein Mann ins Bild. Es ist Thomas Lösch, der sich sofort danach erkundigt, ob mein Velo nun funktioniere. Sofort kommen wir wieder ins Fachsimpeln und er kommt noch einmal auf seine Antipathie gegen tout terrain zu sprechen, weil die Räder seines Erachtens völlig überzogen sind. Ein Fahrrad muss einfach und strapazierfähig sein, was sicher nicht von der Hand zu weisen ist nach meinen gestrigen Erfahrungen. Freilich spielt bei seiner Argumentation gegen tout terrain natürlich auch der Konkurrenzgedanke eine Rolle. Schließlich baut er selbst Velos, da muss man die Haare in der Suppe der Konkurrenz finden und sie anprangern.

Nachdem wir uns verabschiedet haben, fahre ich nun in Richtung Stein am Rhein, was etwa 20 Kilometer weiter östlich am Rhein liegt. Heute ist Staatenhopping angesagt. Mindesten sechs Mal passiere ich die deutsch-schweizerische oder die schweizerisch deutsche Grenze. Allerdings merkt man die Grenzüberschreitung nur noch an den Schildern. Besetzte Grenzkontrollstellen habe ich b bisher noch nicht gesehen. Zunächst komme ich in die deutsche Exklave Büsingen. Es gehört zu Deutschland, ist aber von der Schweiz eingeschlossen. Danach kommt wieder etwa 1 Kilometer schweizer Gebiet. Dann geht es wieder auf deutsches Territorium nach Gailingen, bevor es noch einmal in die Schweiz geht nach Stein am Rhein. Gailingen hat übrigens eine interessante Geschichte. Gailingen besaß noch im 19 Jahrhundert ebenso viel jüdische wie christliche Einwohner. Das jüdische Museum in Gailingen müsste schon von daher recht interessant sein. Der gegenüberliegende schweizer Ort Dissenhofen bietet ein malerisches Panorama.

In Stein am Rhein mache ich eine längere Mittagspause und lasse mir ein Stück Flamkuchen schmecken. Auch hier sehr exzessiv die Malereien auf den Häusern auf dem Rathausplatz. Von Stein am Rhein geht es dann in Richtung Radolfzell. Die Strecke führt auf den Eureovelo-Weg Nr.6, der vom Atlantik ans Schwarze Meer führt. Hinter Stein am Rhein beginnt trichterförmig der Bodensee, so dass man den Rhein als Fluss gar nicht mehr erkennen kann. Die Landschaft wird nun flacher und lieblicher. Sie ist geprägt durch Obst- und Weinanbau. Auch die Sonne lugt zunehmend hinter den Wolken hervor. In Gaienhofen, dass ich passiere, haben zu verschiedenen Zeiten Herrmann Hesse und auch Otto Dix gelebt.

Beim Radeln lasse ich mir heute viel Zeit. Unterwegs treffe ich noch auf einen Mann, der sich für mein Gepäck und für mein Fahrrad interessiert. Er ist wohl in meinem Alter. Er ist von stattlicher Statur und Größe und kommt vom Niederrhein Er fährt auch ein tout terrain Fahrrad. Jährlich 20 Tsd. Kilometer und ist überzeugter tout terrain Fan. Mit Recht weist er darauf hin, dass tout terrain für die Mängel von Pinion nichts könne. Er hat eine Rohloff-Schaltung, die ich ja an uznserem Rotorbike auch sehr schätze. Wir plaudern eine halbe Stunde über Gott und die Welt, natürlich insbesondere über das Fahrradfahren. Auch in Stein am Rhein hatte mich schon ein älteres Ehepaar angesprochen und sich für mein Fahrrad interessiert. Die meisten denken es sei ein eBike und ich habe natürlich ein Interesse daran, sie vom Gegenteil zu überzeugen.

Da ich mir Zeit gelassen habe, komme ich erst kurz nach 18 Uhr in dem ausgesuchten Hotel Iris an. Es macht einen guten und soliden Eindruck und vor allem bekomme ich einen Deal hin. Ich darf mein Fahrrad und mein Gepäck hier für eine Woche unterstellen.Ich werde nämlich meine Tour nun für 10 Tage unterbrechen. Heute kommt Heidrun hier nach Radolfzell und wir werden  einen Wellness-Osterwochenende verbringen. Darauf haben wir uns schon lange gefreut. Danach fahre ich mit ihr zurück nach Leipzig, weil wir nächstes Wochenende den 50. Geburtstag ihres Bruders feiern werden. Ab 24. April geht es dann mit mir von Radolfzell aus wieder weiter. Bis dahin wünsche ich allen Besuchern meiner Webseite ein schönes, erholsames  und anregendes Osterfest und auch sonst alles Gute.

Tagesdaten: 57,58 km/5:15:23 Std. Fz/10,95 km/h/370 Hm aufwärts/411 Hm abwärts

 

4 Kommentare

  • Franzi sagt:

    Euch auch Frohe Ostern! Liebe Grüße an Heidrun!

  • Werner Hempel sagt:

    Lieber Herr Kohl,
    Ihnen und Ihrer Frau auch ein erholsames Osterfest.
    Das Lesen Ihres täglichen Reiseberichts hat sich bei mir zwischenzeitlich nach verschlafenem Start zu einem Ritual entwickelt und Rituale sind , wie aus der Psychologie bekannt, wertvolle Unterstützung im Alltag.
    Also muss die Intensivierung der Lektüre der Tageszeitung das Defizit kompensieren.
    Auf jeden Fall freue ich mich auf die Fortsetzung.
    Beste Grüße
    Werner Hempel

  • Risch sagt:

    Hallo Wolfgang,
    Deine Idee, eine längere Pause einzulegen, um Leib und Seele zu pflegen, wird Dir sicher guttun, zumal Heidrun Dich dabei sicher tatkräftig unterstützen wird. Euch Beiden also schöne Ostergrüsse von den Berlinern und Jenaern.
    Wahrscheinlich werden wir wie viele Deiner Bekannten Entzugserscheinungen hinsichtlich Wort und Bild erleiden. Aber da müssen wir duch.
    Viele Grüsse
    Wolf

  • Bernd Wanner sagt:

    Lieber Herr Kohl,
    gerade noch rechtzeitig schaffe ich es, Ihnen und Ihrer Frau ein frohes Restostern zu wünschen.
    Tolle Fotos haben Sie eingestellt, es macht wirklich Spaß, Ihre Reise so nachvollziehen zu können.
    Jetzt erst mal eine fröhliche Unterbrechung und dann weiter eine erfolgreiche Tour.
    Ganz herzliche Grüße
    Ihr
    Bernd Wanner

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