Als ich morgens aus dem Fenster schaue hängen die Wolken sehr tief und es ist nass. Also erst einmal trübe Aussichten. Das Frühstück ist aber in Ordnung und mir wird sogar Wurst und Käse angeboten, was ich natürlich nicht ausschlage. Gegen 8.30 Uhr geht es dann bei Regen los. Die Auberge Alascienne liegt direkt an der Nationalstraße 66. Als ich sehe wie heute hier die LKW verbeirasen bin ich schon ganz froh, dass gestern Sonntag war. Heute muss ich aber nur etwa 200 Meter auf dieser Straße fahren, um dann zum ehemaligen Bahnhof abzubiegen. Die Bahnstrecke nach Bussang wurde aber schon 1989 stillgelegt und auf dem alten Bahndamm ein Fahrradweg eingerichtet, der sage und schreibe 33 Kilometer bis nach Remiremont führt. Also mehr als die Hälfte der heutigen Etappe. Etwas schöneres als einen Fahrradweg über einen ehemaligen Bahndamm kann man sich als Radwanderer kaum vorstellen. Die Steigungen und Gefälle sind nie mehr als 1 bis 2 Prozent und bei mir geht es heute natürlich primär bergab. Schade, dass es die Franzosen in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts nicht geschafft haben, den Tunnel unter dem Col de Bussang und die geplante Erweiterung der Bahnstrecke fertig zu bauen. Die Fahrt wäre gestern sicher entspannter gewesen. Die alten Bahnhöfe auf dieser Strecke sind zum Teil übrigens als Rastplätze für Fahrradfahrer ausgebaut und sogar mit Toiletten versehen.

Der Regen hört bereits nach etwa 10 Kilometern auf und die Wolken steigen auch etwas höher. Es bleibt aber bedeckt und immer wieder verdichten sich die Wolken und ziehen in die Vogesen, um sich abzuregnen. Ich habe wahrscheinlich deshalb Glück, weil ich aus den Vogesen herausfahre. Dabei ist die Landschaft der Vogesen sehr reizvoll, während ich den Orten nicht so viel abgewinnen kann und auch wenig Interessantes sehe. Aber die Hänge der Berge der Vogesen sind gespickt mit kleineren Bauernhäusern und Bauernkaten, die alle in einem ähnlichen Stil aber doch auch wieder sehr unterschiedlich sind. Das immer noch satte Grün der Weiden, die Kühe, Pferde, Esel und Schafe, die hier weiden, geben der Landschaft ein ansprechendes Kolorit.

Ich werde übrigens die ganze Zeit, die ich in Frankreich die Mosel entlang fahre, durch Lothringen fahren oder, wie es richtig auf Französisch heißt, durch die Lorraine. Lothringen ist nämlich weit größer als der Teil, den sich nach 1870 das Deutsche Reich zusammen mit dem Elsass einverleibt hat. Ja, die Mosel. Zunächst plätschert sie eigentlich noch als Bach dahin. Das Tal der Mosel wird zwar zunehmend breiter, aber der Fluss bleibt noch recht bescheiden. Erst kurz vor Remiremont wird aus ihr ein richtiger Fluss, weil dort die Moselotte dazu fließt und die ist bereits erheblich größer und auch länger als die Mosel. Ähnlich wie bei Donau und Breg ist hydrologisch also die Moselotte der Hauptstrang des Mosel-Flusssystems. Das hat ihr freilich ebenso wenig genützt wie der Breg.

Nach Remiremont geht es dann leider über Straßen weiter, die zum Teil recht befahren sind und es auch immer wieder rauf und runter geht. Die Gegend ist übrigens, zumindest so mein Eindruck, auch in den Vogesen schon relativ dicht besiedelt. Auch den Orten nach Remiremont kann ich allerdings recht wenig abgewinnen. Es scheint hier viele kleinere Industriebetriebe zu geben. Dennoch sehen die Orte zum Teil etwas heruntergekommen aus. Das gilt zumindest für Eloyes und besonders für Archettes. Die Berge werden nun niedriger und es geht aus den Vogesen raus. Am Fuße der Vogesen erreiche ich dann Èpinal, die Hauptstadt des Departments Vosges. Sie ist mein heutiges Ziel und ich freue mich erst einmal, dass ich, als ich in meiner Unterkunft bereits kurz vor 15 Uhr ankomme, einen Briefumschlag mit der Aufschrift „M. Kohl“ an der Tür hängten sehe, in dem sich mein Schlüssel befindet. Die meisten Hotels öffnen nämlich meistens erst um 17 Uhr und können da auch sehr eigenwillig sein. Ich kann aber so mein Zimmer beziehen. Mein Fahrrad stelle ich erst einmal vor den Rezeptionsthresen.

Nachdem ich mich etwas eingerichtet hab, mache ich einen kleinen Stadtrundgang. Sonderlich viel Sehenswertes hat auch Èpinal nicht zu bieten. Von einer auf einer Anhöhe über der Stadt liegenden Burgruine hat man allerdings einen sehr schönen Blick auf die Stadt, die eigentlich viel größer wirkt als ihre 32 Tsd. Einwohner es vermuten lassen. Einzige nennenswerte Sehenswürdigkeit ist die Basilique Saint-Maurice aus dem 11. Jhd., der ich ebenfalls einen Besuch abstatte. Sie ist ein wahrhaft dunkles Gemäuer, was daran liegt, dass man im 11. Jahrhundert wohl noch Probleme hatte, Kirchen mit den notwendigen Fenstern auszustatten, um das Licht in die Kirchenräume fluten zu lassen. Das hat dann auch der spätere gotische Chor im 14. Jhd. nicht ausreichend geschafft. Ansonsten ist die Basilika ein Konglomerat verschiedener Stile aus unterschiedlichen Zeitepochen. Sowohl das Hauptportal als auch der Altar stammen erst aus dem 19. Jhd.

Last but not least sollte aber auch nicht unerwähnt bleiben, dass die Mosel hier nun, etwa 65 Kilometer nach der Quelle doch schon eine recht stattliche Größe und Breite erlangt hat.

Tagesdaten: 62,48 Km; 4:27:54 Std. Fz; 13,99 Km/h; 155 Hm

Schreibe eine Antwort

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.