Nach dem hervorragenden Frühstück im Hotel 7 Säulen verlasse ich gegen 9 Uhr das Haus, um mir noch einig Sehenswürdigkeiten in Dessau anzusehen. Das Treffen mit meinen ehemaligen Selbstverwaltern ist erst für 10.30 Uhr im Bistro des Bauhauses angesetzt und so habe ich noch etwas Zeit. Mein erster Weg führt mich auf die andere Straßenseite zu den sogenannten Meisterhäusern, die auch zum Weltkulturerbe Bauhaus gehören. Es sind sehr charakteristische Häuser. Wie schon gesagt. Ein Haus für Walter Gropius und drei Doppelhäuser für die Bauhausmeister unter ihnen Lyonel Feininger, Paul Klee und Wassily Kandinsky. Auch hier hat der Krieg seine Spuren hinterlassen, war doch Dessau sicher eines der wichtigsten Bombardierungsziele der Alliierten im 2. Weltkrieg schon allein wegen des Flugzeugbaues durch die Junkerwerke, die hier ansässig waren. So erlitt Dessau ein ähnliches Schicksal wie Zerbst. Die Altstadt wurde irreversibel zerstört und auch das Bauhaus war von den Zerstörungen betroffen. Heute ist man sehr bemüht, das Beste daraus zu machen. Dennoch bleibt auch Dessau eine verwundete Stadt, deren Wunden nur schwer heilen werden. So wurde bei den Meisterhäusern das Haus von Gropius und auch das folgende Doppelhaus zur Hälfte bei Luftangriffen zerstört. Man hat sie nach der Wende wieder in stilisierter Form rekonstruiert, so dass die kubische Form und die Flachdächer wieder in der ursprünglichen Art vorhanden sind, die Fenstere aber nur durch eine graue Bemalung der Betonflächen angedeutet sind. So bildet das Ganze heute aber wieder sein ursprüngliches Ensemble.

Danach schlendere ich zum Schloss und Park Georgium, ein wunderschöner Landschaftspark in Dessau, der von Prinz Johann Georg, dem Bruder des amtierenden Fürsten Leopold III. Friedrich Franz, nach 1780 angelegt wurde und sich am Wörlitzer Park orientierte. Das Schloss, als klassizistisches Landhaus von von Erdmannsdorff entworfen, enthält heute die Anhaltische Gemäldegalerie, ist aber zur Zeit nicht zugänglich, weil in Restauro. Mein Weg führt mich dann noch zum in Dessau weithin sichtbaren Mausoleum, der ehemaligen Begräbnisstätte der Herzöge von Anhalt, das erst in den Jahren 1894 bis 1898 errichtet wurde.

Dann rückt die Zeit heran und ich mache mich auf den Weg entlang der Gropiusallee zum Bauhaus. Das Bauhaus wurde bereits 1919 in Weimar unter Leitung von Walter Gropius gegründet. Nachdem die Nationalsozialisten in Thüringen schon Mitte der 20er Jahre sehr stark geworden waren, musste das Bauhaus in Weimar auf politischen Druck hin aufgelöst werden. Der damalige liberale Bürgermeister von Dessau, Fritz Hesse, ermöglichte es Gropius, das Bauhaus nach Dessau zu verlagern, wo der heute berühmte Bau des Bauhauses nach Plänen von Gropius 1925 bis 1926 entstand. Die Konditionen waren für das Bauhaus blendend. Kostenfreie Überlassung des Grundstücks und die Kosten für das Gebäude wurden ebenfalls durch die Stadt übernommen. Mit der Gründung 1926 in Dessau wurde erstmals auch eine Architekturabteilung aufgebaut, deren Leitung 1927 der Schweizer Hannes Meyer übernahm. Sein Nachfolger wurde 1930 Ludwig Mies van der Rohe. Das Wirken des Bauhauses in Dessau wärte allerdings auch nicht lange, da die Nationalsozialisten von Anfang an die Streichung sämtlicher Ausgaben für das Bauhaus forderten. Ausländische Lehrkräfte seien fristlos zu kündigen, „da es unvereinbar ist mit der Verantwortung, die eine gute Gemeindeführung gegenüber ihren Bürgern zu tragen hat, daß deutsche Volksgenossen hungern, während Ausländer in überreichlichem Maße aus den Steuergroschen des darbenden Volkes besoldet werden“. Wie sehr sich doch die Argumente über die Jahrzehnte hinweg ähneln, aus denen dann die Tyrannei entspringt! Die Nazis forderten sogar den Abbruch des Bauhausgebäudes. Letzteres gelang zwar nicht. Dennoch gelang es den Nazis bereits im August 1932 einen Beschluss zur Schließung des Bauhauses herbeizuführen. Trotz dieser eigentlich recht kurzen Episode hat gerade die Architekturorientierung des Bauhauses in Dessau Weltbedeutung erlangt und nachhaltig gewirkt. Sie ist der erste systematische Versuch, die Architektur den neuen technischen Möglichkeiten und den wirtschaftlichen Bedürfnissen anzupassen. Die ersten Beispiele dieser neuen Denkweise in der Architektur finden sich in Dessau in reichlichem Maße.

Die hervorragende Führung durch eine engagierte Führerin bringt uns sowohl die Geschichte des Bauhauses als auch seine bis heute nachwirkende Bedeutung nahe. Die charakteristischen und stilbestimmenden Elemente der Bauhausarchitektur sind funktional und wirtschaftlich orientiert. Aus dieser Orientierung soll sich dann die Ästhetik entwickeln. Bauhausarchitektur ist daher vor allem auch dem Ziel einer wirtschaftlicheren Architektur geschuldet und etwas überspitzt formuliert könnte man sagen. In seiner Vollendung findet sich die Bauhausarchitektur unter den Bedingungen einer Mangelwirtschaft in den Plattenbauten der ehemaligen DDR wieder. Ich vermute zwar, dass ich mit dieser These nicht allgemeine Zustimmung finde, aber sie erscheint mir zumindest diskutabel. Wichtig ist aber natürlich am Bauhaus auch, dass hier erstmals quasi industriell mit Architektur experimentiert wurde und dadurch zwar auch viele Pleiten, Pech und Pannen produziert wurden aber letztendlich doch auch wesentliche Erkenntnisse für die moderne Architektur und das industrielle Bauen in einer Massengesellschaft gewonnen werden konnten, von denen die Architektur heute noch zehrt.

Auch das Bauhausgebäude wurde im Krieg stark durch eine Brandbombe beschädigt. Es brennt aus und insbesondere die transparente Glasfassade fällt den Bombenangriffen zum Opfer. Nach 1945 wird das Bauhaus notdürftig saniert, damit man wieder arbeiten kann. Erst in den siebziger Jahren beginnt dann die originalgetreue Sanierung, die das Bauhaus im alten Glanz erstrahlen lässt.

Nach der Führung gibt es noch ein Mittagessen im Kornhaus an der Elbe. Auch dies ein markantes Bauhausgebäude, das man aber auch von der Gastronomie her nur weiterempfehlen kann. Für den Nachmittag hatte ich mir eine Fahrradtour durch die umgebenden Stätten des Gartenreiches Dessau-Wörlitz vorgenommen. Leider fand ich sowohl das Schloss Großkühnau als auch das Schloss Mosigkau in Restauro. Sicher sind die Restaurierungen notwendig, aber es dämpfte meinen Elan nach einer größeren Erkundungstour. Ich hoffe natürlich, dass ich nicht morgen in Wörlitz ebenfalls enttäuscht werde. So fahre ich zurück nach Dessau und schaue noch in der Bauhaussiedlung Törten vorbei. Dann geht es weiter durch die Innenstadt am Rest des Residenzschlosses, dem Johannbau, sowie an der Marienkirche und dem Denkmal des alten Dessauers und dem ebenfalls wegen Restaurierung verhängten Rathaus vorbei.

So endet der ereignisreiche Tag gegen 18 Uhr und ich begebe mich zum Griechen, um nun auch mein leibliches Wohl zu befriedigen.

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