21. Tag (25. Juli 2021): Von Falkensee nach Werder (Havel)

von 28. August 2021Aktuelles

Auch heute wieder ein schöner und recht warmer Tag. Das Frühstück nehme ich im Garten des Hotels ein. Es lässt nichts zu wünschen übrig. Dann packe ich meine Taschen wieder auf das Fahrrad und radle los. Zunächst geht es zurück auf die Hauptroute nach Brieselang. Hier biegt der Fontane-Radweg Richtung Süden ab und führt über Wustermark und Falkenrede zunächst nach Paretz.

Paretz,, heute ein Dorf mit 400 Einwohnern und ein Ortsteil der Stadt Ketzin an der Havel, gewann überregionale Bedeutung, als es um 1800 mit dem Schloss Paretz, Schlosspark und Dorferneuerung zum Sommersitz von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen und seiner Gemahlin, Königin Luise umgestaltet wurde. Die Ländlichkeit wurde Ende des 18. Jahrhunderts an vielen europäischen Fürstenhöfen idealisiert. Als typisch zeitgenössisches Beispiel hierfür kann das Dorf von Marie Antoinette in Versailles gelten.

1797 erwarb der damalige Kronprinz, der spätere König Friedrich Wilhelm III. den Ort für 85.000 preußische Taler. Noch im September desselben Jahres hielten sich der Kronprinz und seine Frau erstmals für einige Wochen in Paretz auf, ebenso in den darauf folgenden Jahren bis zum Spätsommer 1805. Friedrich Wilhelm III. ließ sich hier in Paretz, einem Dorf 30 km westlich von Potsdam, eine Gegenwelt zum Berliner Hofleben schaffen. Paretz wurde ab 1797 von den Architekten David Gilly und Friedrich Gilly, den Lehrmeistern Schinkels, zu einer preußischen Sommerresidenz umgebaut. Der König ermahnte David Gilly bei der Auftragsvergabe zur Sparsamkeit: „Nur immer denken, daß Sie für einen armen Gutsherren bauen.“ Die Architektur des Dorfes war funktional und kostensparend, sie wurde jedoch auch den ästhetischen Ansprüchen des Königspaares gerecht. Die klassizistischen Bauwerke fügten sich harmonisch in einen englischen Landschaftsgarten ein. Dorfkirche und Schloss bildeten das herrschaftliche Zentrum.

In Paretz war das höfische Zeremoniell gelockerter. Mit der bäuerlichen Dorfbevölkerung wurde so zum Beispiel das Erntedankfest gefeiert. Die Standesgrenzen blieben natürlich trotzdem gewahrt. Das Leben des Königs in Paretz ähnelte dem Leben eines adeligen Gutsherrn.

Nach den napoleonischen Kriegen und nachdem die Königin in ihrem Todesjahr 1810 nochmals für einen Tag in Paretz gewesen war, nahm der König die alte Gewohnheit 1815 wieder auf und behielt sie bis 1839, dem Jahr vor seinem Tod 1840, bei. Danach verlor der Ort wieder an Bedeutung.

Seit 1910 – Königin Luise war 100 Jahre zuvor gestorben – entwickelte sich allmählich erneut ein öffentliches Interesse an Paretz. Bedeutenden Anteil daran hatte Theodor Fontane, der nach drei Besuchen in den Jahren 1861, 1869 und 1870 den Ort und seine königlichen Sommergäste in den Wanderungen durch die Mark Brandenburg mit großer Anteilnahme beschrieben hatte. Besonders in den 1920er- und 1930er-Jahren nahm die Zahl der Besucher erheblich zu. Der Zweite Weltkrieg ging an Paretz ohne größere Veränderungen vorüber, das Kriegsende aber war ein Einschnitt mit nachhaltigen Folgen.

Nach dem Ende der Kampfhandlungen im Mai 1945 lag Paretz in der Sowjetischen Besatzungszone, der späteren DDR. Ein Wille zum Erhalt der kulturellen Zeugnisse des preußischen Staates war lange Zeit nicht zu erkennen, vielmehr gab es deutliche Anzeichen dafür, dass deren Verlust politisch willkommen war. Erst in den 1970er-Jahren entwickelten sich Ansätze denkmalpflegerischen Verhaltens. Teile des Schlossparks wurden mit Hilfe freiwilliger Arbeitseinsätze wiederhergestellt, die Dorfkirche in den 1980er-Jahren rekonstruiert. Die Deutsche Wiedervereinigung 1990 brachte dem Dorf Verbesserungen der lange vernachlässigten Infrastruktur (Telefon, Erdgasanschluss usw.). Der 1990 gegründete „Verein Historisches Paretz“ setzte sich zum Ziel, das historische Ortsbild wiederherzustellen.

Ich stelle mein Fahrrad ab und mache einen Spaziergang durch das Dorf. Zur Besichtigung des Schlosses fehlt mir die Muße, obwohl es sicher von Interesse, wäre sich den Wandel vom adligen Leben zum eher bürgerlichen Leben auch mal in einem Schloss zu betrachten. Ich werfe dafür einen Blick in die Kirche Auf dem Friedhof finde ich einen recht kuriosen Hinweis. So spricht Fontane in seinen Wanderungen von einem „todten Friedhof“. Der Friedhof lag im direkten Blickfeld des Wohnzimmers der Königin Luise auf den Ostgiebel der Kirche. Dies schien sie zu belasten. Deshalb wurde auch Wunsch des Königspaares ab 1800 in diesem Blickfeld nicht mehr begraben, die Grabhügel eingeebnet und die Grabsteine entfernt. Hier fand das bürgerliche Leben des Adels dann doch seine Grenzen.

Auf einem Hof sind an diesem Samstag Stände aufgebaut, wo Händler Kaffee, Kuchen aber auch Gebratenes anbieten. Ich mache hier auch eine Pause, esse meine mitgebrachten Laugenstangen, genehmige mir noch einen Kaffee und einen selbstgebackenen Möhrenkuchen. Dann geht es weiter. In Ketzin muss ich die Havel mit der Fähre überqueren, um nach Werder zu gelangen. Vor dem Fähranleger stehen mindestens 50 oder 60 Autos und warten darauf übersetzen zu können. Als Radfahrer darf man Gott sei Dank vorbeifahren und sich an die Spitze setzen. Es ist ein kleine Fähre, mehr als höchstens fünf Autos passen nicht drauf. Die Fahrräder bekommt man immer noch irgendwo am Rand oder dazwischen unter. So brauche ich nicht lange zu warten, sondern komme schon mit den anderen wartenden Radfahrern mit der nächsten Tour mit. Für die Autofahrer wird es dagegen schwierig. Wenn man bedenkt, dass pro Tour nur etwa fünf Fahrzeuge transportiert werden können und eine Tour hin und zurück sicher etwa 15 Minuten dauert, dann wäre das bei 50 Autos eine Wartezeit von 2 1/2 Stunden. – Wie gut, dass ich mit dem Fahrrad unterwegs bin!

Auf der anderen Seite der Havel geht es dann den Fluss entlang bis nach Werder. Hier geht es über ein Brücke auf die sogenannte Inselstadt Werder, die Altstadt von Werder. Im Hotel zur Insel checke ich dann ein. Für den Preis ein nicht gerade tolles Hotel. Aber was solls. Ich bleibe hier ohnehin nur eine Nacht.

Nachmittags mache ich einen Spaziergang auf der Insel. Dasbei schaue ich mir vor allem die Heilig-Geist-Kirche von außen an, weil sie bereits geschlossen ist. So werde ich dem Inneren morgen früh noch einmal einen Besuch abstatten. An gleicher Stelle auf dem Kirchberg standen zwei Vorgängerkirchen, die erste errichteten die Zisterzienser des Klosters Lehnin um 1250. Wegen Baufälligkeit wurde sie 1736 abgebrochen und durch eine Kirche mit einem gedrungenen Fachwerkturm ersetzt. König Friedrich Wilhelm IV. regte dann einen Neubau an, mit dessen Bau 1856 nach Plänen des Architekten und preußischen Baumeisters August Stüler begonnen wurde. Als Baumaterial dienten hauptsächlich Rathenower Klinker, allerdings wurden auch Feldsteine, die beim Abbruch der Vorgängerkirche übrig blieben, wiederverwendet. Die Kirche im neugotischen Stil konnte am 18. April 1858 eingeweiht werden. Durch die Anordnung von Langhaus und Querschiff hat das Gebäude einen kreuzförmigen Grundriss.

Auch der Besuch des Friedhofs ist interessant. Hier sind insbesondere zwei Gedenkmahnmale von Interesse. Zum einen das für die Opfer von Krieg und Gewalt und noch eindringlicher das Mahnmal für die von sowjetischen Tribunalen Anfang der 1950er Jahre zum Tode verurteilten und hingerichteten jungen Deutschen, die ihrer Unzufriedenheit mit der Entwicklung in unter der sowjetischen Besatzung Ausdruck verliehen hatten.

Anschließend gehe ich noch einmal ins Hotel. Danach nehme ich das Abendessen in einer Pizzeria ein, in der man nicht den Eindruck hat, dass die Corona-Regeln hier sonderlich ernst genommen werden. Aber da ich ja nun endgültig geimpft bin, mache ich mir keine großen Sorgen. Zur Verdauung mache ich dann noch einen Spaziergang  rund um die Insel

Tagesstrecke: 46,06 Km

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