20. Tag (24. Juli 2021): Von Rathenow nach Falkensee

von 28. August 2021Aktuelles

Der Tag verspricht wieder sonnig und warm zu werden. Ein letztes Frühstück in der Pension Schwedendamm, dann geht es zurück auf den Fontaneradweg, den ich über die alte Bahntrasse auf dem sehr schönen Radweg in Stechow erreiche. Stechow hatte ich auf dem Hinweg etwas links liegen lassen, weil ich einfach möglichst zügig nach Rathenow kommen wollte. Nun verweile ich hier etwas länger, um mir die Kirche und das alte Herrenhaus anzuschauen.

Bereits von der Ersterwähnung an war Stechow nachweislich ein Besitz des Adelsgeschlechtes von Stechow, das in dem Dorf sein Stammhaus hatte. Aufgrund größer werdender Schulden mussten die von Stechow immer wieder Teile ihrer Besitztümer verkaufen. Der damalige Gutsherr Caspar Heinrich von Stechow konnte das Gutshaus noch bis 1725 halten und musste es dann an den Hauptmann Ludwig von Bredow zu Liepe verkauft. 1877 wurde das alte Gutshaus von Stechow abgerissen und ein neues Gebäude errichtet. Das Gut Stechow blieb durch Vererbungen bis zur Enteignung während der Bodenreform in der Sowjetischen Besatzungszone im Besitz der von Bredow.

Die Dorfkirche von Stechow ist ein ursprünglich altgotischer Feldsteinbau. Das Baujahr ist nicht sicher bekannt, es wird von 1469 ausgegangen. Bereits 1375 wurde Stechow als Pfarrdorf erwähnt. Ab 1731 erfolgte ein umfangreicher Umbau der Kirche, die einen dreiseitigen Ostschluss und einen quadratischen Fachwerkdachturm erhielt. Ich habe das Glück, einen Blick in die eigentlich verschlossenen Kirche werfen zu dürfen, weil gerade eine Gesangsprobe stattfinden soll. Der Altar der Dorfkirche stammt aus dem Jahr 1736. 1779 wurde das Pfarrhaus neben der Kirche erbaut, in dem heute wohl wieder Nachfahren der ursprünglichen Gutsfamilie von Stechow wohnen. Das Gutshaus selbst ist als solches nicht mehr sonderlich sehenswert. Es wurde zu einem Wohnhaus umgebaut.

Nach Stechow geht es weiter nach Nennhausen. Nennhausen ist wohl auch heute noch ein Begriff, weil es einst Wohnsitz der beiden romantischen Schriftsteller Caroline von Briest und ihres zweiten Ehemanns Friedrich de la Motte Fouqué war. Baron Friedrich Heinrich Karl de la Motte Fouqué  war einer der ersten deutschen Dichter der Romantik.

Caroline von Briest (1773-1831), die Gutserbein in Nennhausen, heiratete in zweiter Ehe den geschiedenen Schriftsteller Friedrich Baron de la Motte Fouqué (1777–1843). Während der Sommermonate wurde das Gut Nennhausen zu einem intellektuellen Zentrum, das von zahlreichen adligen und bürgerlichen Literaten aufgesucht wurde, unter anderen Adelbert von Chamisso, Joseph von Eichendorff, Karl August Varnhagen von Ense, Rahel Levin-Varnhagen von Ense, August Wilhelm Schlegel und E. T. A. Hoffmann. Madame de la Motte Fouqué schrieb Romane, Erzählungen, Novellen und andere Schriften.

Das Schloss Nennhausen, ein gut erhaltenes Gutshaus, wurde 1705 erbaut und ab 1735 umgestaltet. Ein weiterer umfangreicher Umbau des Herrenhauses erfolgte zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Der Nordflügel der vorbestehenden barocken Anlage wurde damals abgerissen und Schloss Nennhausen nach Plänen von Ferdinand von Arnim im Stil der Neugotik überformt. 1983 kam es zu einem Brand, der das Gutshaus schwer beschädigte. Eine Reparatur blieb zunächst aus. Erst nach der Wende, in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre erfolgten umfangreiche Sanierungsmaßnahmen.

So stellt sich das Schloss heute sehr präsentabel dar. Sehr schön ist auch der dazugehörende Landschaftspark. Der Schloss- oder Gutspark wurde ab 1780 in einen englischen Landschaftsgarten umgestaltet. Die im Park befindliche Orangerie wurde nach der Restaurierung im Mai 2013 wieder eröffnet. Hier mache ich einen kurzen Spaziergang. Leider finde ich das Grab der Caroline von Briest nicht, dafür aber ein von einem Baum herunterhängendes rostrotes tönernes Medaillon mit den lebensgroßen Gesichtern von la Motte Fouqué und Adelbert von Chamisso, die Miteinander befreundet waren. Adelbert von Chamisso hielt sich daher auch des Öfteren zu Besuchen in Nennhausen auf. Das Medaillon ist wohl Teil des gerade stattfindenden Chamisso-Forums in Nennhausen.

Weiter geht es dann in das nicht weit entfernt liegende Buckow. Die evangelische Dorfkirche Buckow ist eine gotische Backsteinkirche im Ortsteil Buckow von Nennhausen. Im Jahr 2007 wurde ein Verkauf der Kirche erwogen. Ein Verein bemüht sich um die Erhaltung und Nutzung der Kirche für sakrale und kulturelle Zwecke. Mein besonderes Interesse findet die Ausstattung der Kirche. Hauptstück ist ein reich geschmückter Kanzelaltar aus dem Jahr 1730, der vor einer schlichten Ostempore steht. Er zeigt einen Aufbau mit Doppelsäulen und Akanthuswangen, am polygonalen Korb der Kanzel Blattwerk, auf dem Giebel zwei Posaunenengel und eine Strahlenglorie. Ein graziler Taufständer auf einer gewundenen Säule stammt aus dem Jahre 1734. Aus der gleichen Zeit stammen auch die Westempore, das Patronatsgestühl mit Balusterbrüstung und das Kastengestühl im Schiff mit Ornamentaufsätzen.

Nun geht es eine längere und etwas hügelige Strecke nach Groß Behnitz, wo man an dem ehemaligen Mustergut des Lokomotivkönigs Borsig vorbeikommt. Das Gut ist seit einigen Jahren Hotel und Restaurant. Von der Terrasse des Cafés soll man einen grandiosen Blick auf den Groß Behnitzer See haben, der Teil eines historischen Landschaftsparks ist. Diesen Blick verkneife ich mir, weil es nun nur noch fünf Kilometer bis nach Ribbeck sind, sicher das Highlight des heutigen Tages.

Natürlich, wer kennt nicht Ribbeck oder hat zumindest davon gehört. Das Gedicht von Theodor Fontane Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland gehört sicher zu den bekanntesten deutschen Gedichten. Zur Geschichte von Ribbeck gehört aber natürlich ein wenig mehr. 1282 wurde Johann von Ribbeck urkundlich erwähnt. Im Jahre 1354 wurden die von Bredow für eine Generation Lehnsherren in Ribbeck. Bereits 1374 wurden die von Ribbeck wieder mit dem Dorf belehnt und waren bis 1945 die Besitzer des Gutes. Hans Georg Karl Anton von Ribbeck (* 5. Juli 1880; † April 1945) war der letzte Gutsherr aus dem Hause von Ribbeck im Dorfe Ribbeck. 1944 wurde er als bekennender und überzeugter Monarchist und NS-Gegner verhaftet, ins Konzentrationslager Sachsenhausen verbracht und im April 1945 dort umgebracht. Im Jahr 1994 wurde zur Erinnerung an ihn ein Gedenkstein auf dem Familienfriedhof aufgestellt.

Das Gedicht von Fontane bezieht sich wohl auf Hans Georg von Ribbeck (1689–1759). Der im Gedicht beschriebene Birnbaum auf dem Ribbeckschen Grab wurde bei einem Sturm am 20. Februar 1911 umgeworfen. Sein Originalstumpf befindet sich heute in der Dorfkirche. Südwestlich der Dorfkirche wurde im Jahr 2000 ein neuer Birnbaum gepflanzt.

Ich mache einen Rundgang durch das Dorf. Das inzwischen wieder sehr schön restaurierte Schloss wird oft für Hochzeiten und andere große Feiern genutzt. So auch heute. Im Park sind sicher 200 Stühle in Reih und Glied aufgestellt. Hier finden wohl öfters Theateraufführungen und Konzerte statt. Symbolisch ist die Aufstellung von 16 Birnbäumen rund um den Schlosspark. Sie wurden von den 16 Bundesländern gestiftet. Vor jedem Baum eine Tafel mit dem Herkunftsland, der Birnenart und dem Herkunftsort. Auffallend der Birnbaum des Freistaates Thüringen. Er ist der einzige, der verdorrt ist. An seinem dürren Stamm eine Papierschild mit der Aufschrift: „Ich werde bald ausgetauscht“. Ob damit nur der Baum gemeint ist?

Da gerade Mittagszeit ist, lasse ich mich in der zum Café umgewandelten Alten Schule nieder und genehmige mir einen Cappuccino und einen Streuselbirnenkuchen. Der Kuchen ist wirklich sehr lecker!

Danach geht es weiter. Nun mal wieder auf einem auf einer alten Bahntrasse gut ausgebauten Radweg nach Nauen. Der Stadt, auch ihrer Altstadt kann ich allerdings nicht viel abgewinnen. Danach geht es überwiegend auf einem straßenbegleitendem Radweg nach Brieselang. Hier verlasse ich den Fontaneradweg und fahre noch etwa 10 Km weiter bis Falkensee, wo ich das nächste Quartier bekommen habe.

Das Hotel Falkenseer Hof ist ein hübsches kleines Hotel, wenn auch etwas zu teuer für mein Budget. Aber eine Alternative gab es weit und breit nicht.  Das Zimmer ist sehr schön und praktisch eingerichtet. Das Hotel ist zwar weitgehend durch eine geschlossene Gesellschaft belegt, aber ich kann im Garten ein sehr gutes Abendessen einnehmen. Nach etwa 80 Kilometern bin ich auch rechtschaffen müde, so dass es nicht allzu spät wird, dass ich in dem bequemen Bett in einen Tiefschlaf falle.

Tagesstrecke: 80,93 Km

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